Oder: Das rumänischste der romanischen Länder
In diesem Jahr sollte uns die große Tour nach Rumänien führen. Schon mehrfach wurde mir erzählt, dass das Land sehr schön sei, aber sich in einem relativ rasanten Wandel befinde, so dass man es möglichst bald bereisen solle. Ulrike war vor über 10 Jahren einmal kurz beruflich in Rumänien, ich selbst war noch nie dort. Aber meine Kollegin Adriana stammt aus der Walachei und hat mir auch schon einiges erzählt.
Sprachlich hatte ich mich mal wieder mit einem VHS-Wochenendkurs "für die Reise" auf die Tour vorbereitet, um wenigstens das allernotwendigste sprechen zu können, denn ich hatte so meine Zweifel, ob man mit Englisch dort sehr weit kommt, und mein aktuelles Russischlernen war auch noch nicht allzu weit gediehen bisher.
Mein Motorrad hatte in letzter Zeit leider einige Probleme technischer Art gemacht: Angefangen mit den kaputten Zündspulen vor einem Jahr über eine defekte Batterie im Frühjahr hin zu einer ausgelaufenen Gabel und den dritten neuen Bremsscheiben hinten gerade kürzlich. Die Maschine war also definitiv angezählt, ich hoffte allerdings, dass sie diese Tour jetzt durchhielt.
Da die Österreichische Bundesbahn für die Fahrt mit dem Autoreisezug von Hamburg nach Wien (womit wir ja immer noch längst nicht am Ziel gewesen wären) schon insgesamt über 600 € hätte haben wollen, sind wir hin und zurück auf eigenen Reifen gefahren. Somit ging diese Tour auch noch durch mehrere andere Länder: Tschechien, Polen, Slowakei, Ungarn und auf dem Rückweg noch Österreich.
Der Plan sah vor, am ersten Tag mehr oder weniger an der Elbe entlang in Richtung Tschechien zu fahren und sich dann südlich der polnischen und ukrainischen Grenze nach Osten vorzuarbeiten. Und nachdem wir am Vorabend gepackt und heute in aller Ruhe gefrühstückt hatten, machten wir uns pünktlich um 1015 Uhr daran, diesen Plan in die Tat umzusetzen.
Das führte uns zunächst erst einmal noch durch bekannte Gegenden. Die B195 zwischen Neuhaus und Dömitz mögen wir sehr wegen der schönen Kiefernwälder dort. Aber auch danach fuhren wir weiterhin durch schöne Waldstücke. Mehrfach überquerten wir die Elbe und konnten jedes Mal sehen, dass nach diesem doch sehr heißen Sommer darin nicht besonders viel Wasser war. Das war bekanntermaßen auch schon anders, bei einer Pause in Fischbeck setzen wir uns auf eine Bank, die von einem Kettensägenkünstler im Gedenken an den Deichbruch vor 5 Jahren dortselbst gestaltet worden war.
Kurz vor Coswig machten wir wieder einmal Halt an einer Bushaltestelle, um eine Weile abzusteigen und auch die Beine etwas zu bewegen. Hier standen mehrere Apfelbäume, die voll hingen mit reifen Früchten, vieles lag auch schon darunter. Allerdings waren die Äpfel mit einem Maximaldurchmesser von 5 cm nicht unbedingt supermarktgeeignet, aber sie schmeckten durchaus. Hinter unseren Maschinen hielt der VW Golf eines Rentnerehepaares, der Beifahrer wollte aussteigen, stolperte über den Kantstein und legte sich lang, so dass Ulrike ihm gleich aufhelfen musste. Dann mussten wir ihnen den richtigen Weg weisen. Sie wollten zu einem Dorf ganz in der Nähe, aber eigentlich an die Ostsee, und kamen ihrem Kennzeichen nach (und ihrem Dialekt nach auch) aus Heidelberg, so dass ich mir nicht ganz sicher war, ob sie sich nicht vielleicht ganz grob verfahren haben.
Die ganze Zeit über hatten wir trockenes Wetter und heiteren Himmel, aber hinter Wittenberg zog es sich zu, und später trafen sogar ein paar vereinzelte Regentropfen auf meinen Helm. Inzwischen war es aber auch schon kurz nach 1800 Uhr, von daher sollte es so langsam gut sein. In Bad Liebenwerda fragte Ulrike im "Norddeutschen Hof" (klingt etwas deplatziert, aber ok, schließlich gibt es ja auch in Hamburg ein "Hotel Berlin") nach einem Zimmer, jedoch war dort schon alles ausgebucht. Aber der Portier telefonierte etwas herum und reservierte für uns ein Zimmer im Gasthaus "Eichhörnchen", drei Dörfer weiter. Dort feierte bei unserer Ankunft bereits eine Hochzeitsgesellschaft aus dem Ort. Als wir dann zum Abendessen hinuntergingen, hieß es dann auch: "Das wird heute leider mindestens eine Stunde dauern." Aber wir hatten ja erstens keine andere Wahl, und zweitens nichts Besonderes mehr vor heute Abend, vielmehr war das eine gute Gelegenheit, gleich diesen Text hier zu schreiben und hochzuladen. Das Essen ("Schlemmerschnitzel" mit Preiselbeeren und Camembert überbacken) kam dann zwar doch früher als gedacht, aber besser so als anders herum.
Tagesstrecke 472 km, km 83140
(los bei km 82668)
Beim Frühstück um 900 Uhr regnete es immer noch. Das zwar nur leicht, wir mochten gerade noch so im T-Shirt aufpacken, jedoch nicht ohne die Regenklamotten über dem Leder losfahren. Beim Tanken 6 km später galt es, auch noch eine der beiden Scheinwerferbirnen vorne zu ersetzen. Und Ulrike sagte, mein Licht sei auch danach irgendwie komisch, wohl nicht richtig eingestellt. Nun war die Maschine ja gerade zur Inspektion in der Werkstatt (wo das mit den dritten neuen Bremsscheiben hinten festgestellt wurde), und danach musste ich noch zwei Mal wieder hinfahren und nachbessern lassen, weil zuerst der Kardan und dann die Bremse hinten leckte. Somit war diese Werkstatt nun definitiv nicht mehr an-, sondern ausgezählt. Die kaputte Birne will ich ihnen dabei gar nicht anlasten, aber die verstellten Scheinwerfer.
Auch ohne diesen negativen Entschluss erschien uns die Gegend ebenso trostlos wie das Wetter. Aber nach einer Weile besserte sich beides, es wurde trocken, und wir kamen ins Elbsandsteingebirge. Ich hatte die Route so geführt, dass wir Dresden und Pirna östlich umfuhren und erst danach wieder zur Elbe kamen. Kurz davor passierten wir noch die Bastei auf der Landseite, aber hier wollten sie 1,50 € pro Motorrad für das Parken, so dass wir uns dagegen entschieden, hier länger zu verweilen. Dafür hielten wir für einen Moment am Elbufer und guckten auf "unseren" Fluss (auch hier mit recht wenig Wasser, aber trotzdem noch netter Strömung. Hier könnte man auch mal wieder paddeln, aber vorher haben wir noch ein anderes Paddelprojekt ins Auge gefasst, und dieses im Jahr 2022 dann auch umgesetzt).
Auf der anderen Seite der Grenze verließen wir den Fluss sehr bald wieder und schraubten uns in tollen Kurven auf ganz kleiner Straße in die Berge. Oben angekommen waren die Straßen zwar nicht mehr ganz so spektakulär, blieben aber schön. Und dieses Mal fand ich auch die Bikerhöhle Pekelné Doly, die wir vor einem Jahr vergeblich gesucht hatten. Jetzt wurde auch klar, warum: Das Hinweisschild dorthin war nur von dieser Seite aus zu sehen, und ich hatte letztes Mal, von der anderen Seite kommend, 200 Meter zu spät angefangen, ernsthaft danach zu suchen. Und die Location war zumindest an einem Sonntag wie heute wirklich sehenswert. In der Höhle mit mehreren Kammern konnte man parken und darin herumfahren (fester Boden, sogar mit Fahrbahnmarkierungen), sie hatten darin Toilette, Küche und Ausgabetheke (Essen und Getränke) eingebaut, und das war anscheinend der Bikertreffpunkt der Gegend. Bei dem inzwischen wieder schönen Wetter saßen allerdings alle draußen, und wir setzten uns mit einer Portion Pommes und einer Cola dazu. Mehrere interessante Typen liefen hier herum. Aufgefallen sind uns einer im Camouflage-Shirt und einem khakifarbenen Dreiviertelrock, ein anderer ging in schwarzer Mönchsrobe umher mit einer Kette als Gürtel, das Gesicht dunkel geschminkt mit roten Hörnern an der Stirn gab er einen ziemlich perfekten Herrn der Finsternis.
Für den weiteren Weg benutzte ich zunächst eine Route, die ich im Vorwege durch das Internet-Tool "kurviger.de" hatte generieren lassen. Die führte uns auch auf wirklich kurvigen und kleinen, teilweise kleinsten Straßen durch die Berge. Das war alles sehr schön, aber irgendwann gewann bei uns dann doch der Gedanke Oberhand, dass wir ja eigentlich nach Rumänien wollten. So wurde diese Route abgebrochen und gegen eine neue auf größeren Straßen ersetzt.
In Jičín suchten wir mit dem Navi nach einer Unterkunft und wurden von diesem zuerst zu einem Hotel, das so dunkel wie es war heute offenbar Ruhetag hatte, und dann zu einer Pension geführt, die in einer Reihe sehr verfallen aussehender Häuser ohne jegliches Hinweisschild nicht aufzufinden war. Die nachfolgende Suche per Smartphone war auch nicht ohne Probleme, denn HRS verwendete noch alte deutsche Ortsnamen, und wie zum Teufel soll man denn Königgrätz auf einer Karte bzw. in einem Navi finden, wenn da nur Hradec Králové verzeichnet ist. Kann man sich von diesen alten Zöpfen nicht endlich mal lösen? Wie auch immer, wir fanden schließlich das K-Triumf (das war aber in Velichovky) und bekamen hier ein Zimmer und auch ein ordentliches Abendessen (Beef) samt Cognac zum Abschluss.
Tagesstrecke 312 km, km 83452
Heute früh sah das Wetter brauchbar trocken aus. Immerhin hatte es in der Nacht wohl noch einmal geregnet, bei unserem üblichen Blick nach draußen vor dem Frühstück wischten wir noch einmal kurz unsere Sitzbänke trocken. Eine check out time von 1000 Uhr in diesem Haus verhalf uns zu einem zeitigen Aufbruch. Auch heute fielen mir wie schon gestern die zahlreichen Apfelbäume auf, die sie hier in Tschechien sehr gerne entlang der kleinen Straßen gepflanzt hatten und die voll mit Früchten hingen. Öfters waren da Leute mit Autos oder Mopeds mit Anhänger gekommen, um zu sammeln, und es lag auch massenweise Fallobst im Rinnstein.
Nach einer Weile kamen wir nach Polen. Nachdem wir gestern die von mir ursprünglich geplante Route verworfen hatten, hatte Ulrike es übernommen, für heute eine Ersatzroute auszuarbeiten. Und sie hatte sich dafür entschieden, angesichts der Wetterkarte (je weiter südlich, desto mehr Regenwahrscheinlichkeit) und unserer gestern nur kurzen Wegstrecke heute durch Polen und auf größeren Straßen zu fahren. Was das Wetter angeht, hatte sie damit ein glückliches Händchen, wir haben keinen einzigen Tropfen abbekommen, oftmals schien sogar die Sonne. Auf der anderen Seite war hier nördlich des Gebirgszuges landschaftlich auch nichts los. Und man hätte insbesondere die Stadt Katowice noch deutlich weiträumiger umfahren müssen, als wir es getan haben, wir sind da stundenlang durch bebaute Gebiete getöffelt. Auch der starke Verkehr, besonders von Lastwagen, war nicht wirklich schön (ich erinnere mich, damit schon einmal ein Problem auf großen Straßen in Polen gehabt zu haben). Auf einem Abschnitt hatten die LKW mehrere Finger tiefe Spurrillen in den Asphalt gedrückt, dass einer mit seinem Anhänger vor uns kurz ins Schlingern geriet und wir uns in Folge längere Zeit lang nicht mehr getraut haben, zu überholen.
Erst um 4 Uhr nachmittags herum kamen wir wieder in landschaftlich ansprechendere Gegenden, es wurde wieder gebirgig. Bald wurde die Stadt Zakopane in etwa 60 km voraus ausgeschildert, wir näherten uns der Hohen Tatra. Allerdings sahen wir voraus auch dunkle Wolken, dort herrschte anscheinend gerade schweres Wetter. Darum entschlossen wir uns, es nicht noch darauf ankommen zu lassen und uns lieber hier im Motel Zadoil einzumieten und im Trockenen eine leckere Forelle zu essen, während draußen dieses Wetter langsam näher zog.
Tagesstrecke 364 km, km 83816
In der Nacht habe ich es ordentlich rumpeln gehört. Und am Morgen waren die Maschinen triefnass, ich habe erst einmal die Lenkerschalen ausgekippt und die Spiegel mit einer Serviette abgewischt. Aber wir konnten trocken losfahren, es hingen lediglich noch etliche Dunstschwaden zwischen den Bergen, und die ersten Bäche, die wir überquerten, führten braunes Wasser, ein Zeichen für erhöhten Wasserstand. Leider waren auch die Straßen noch nass, was sich in einer Baustelle sehr negativ bemerkbar machte. Nun sahen die Moppeds aus, als wären wir damit von Vladivostok gekommen.
Der Schönheit der Landschaft tat dies jedoch keinen Abbruch. Dies tat auch der Übergang in die Slowakei zunächst nicht, eher im Gegenteil, der Verkehr wurde weniger, wir konnten die Fahrt mehr genießen. Allerdings kamen wir mit der Zeit dann doch in flachere Gegenden. Die Waldkarpaten machten hier nämlich einen Bogen durch die Ukraine, dem wir auf keinen Fall folgen wollten.
An der Bushaltestelle, an der wir Pause machten, konnte ich durch die waagerechten Fugen der Mauer des Bushäuschens nach draußen durchgucken, hier hatten sie offenbar keinen Mörtel verwendet. Ulrike meinte, dann solle ich mich keinesfalls da anlehnen, und ich schlug eine Partie Jenga vor. Und tatsächlich, ein Randstein saß locker und ließ sich herausnehmen. Die gegossenen Betonsteine waren allerdings innen mit einer Art Nut und Feder versehen, so dass die Wand schon noch etwas mehr Zusammenhalt hatte, als es lose gestapelte Klötze gehabt hätten.
Irgendwann kamen wir nach Ungarn, und hier wurde das Fahren noch angenehmer, obwohl die Landschaft inzwischen vollkommen platt geworden war. Aber die Ortschaften lagen an der großen Straße (wir hatten immer noch Ulrikes Planung beibehalten, obwohl heute ich wieder die Führung übernommen hatte) weit auseinander, zwischendurch gab es genug Bäume für das Auge, und der Verkehr war noch weniger geworden. Auch hatte die Geradheit der Strecke nun den Vorteil, einen LKW sehr bald und zügig überholen zu können. Bei einer Pause auf einem Parkplatz konnten wir dann der Ausführung des wahrscheinlich nervenzehrenden Jobs in ganz Ungarn beiwohnen: In einem PKW mit Kastenaufbau saßen zwei Männer bei laufendem Motor, während hintendrin das Gerät offenbar selbsttätig die vorbeifahrenden LKW kontrollierte, ob sie Maut bezahlt hatten (die Maut hieß hier übrigens "Hugo", also genaugenommen HU-GO). Immerhin mussten die Männer wenigstens morgens eine Menge uns überflüssig erscheinender Pylone um das Auto herum aufstellen und abends wieder einsammeln, ansonsten taten sie anscheinend den ganzen Tag lang nicht viel.
Als voraus wieder drohend dunkle Wolken zu sehen waren, nahmen wir uns ein Zimmer im Fenyves Hotel und schafften es gerade noch, abzuladen, bevor die ersten Tropfen fielen. Beim Abendessen fiel mir auf, dass die mehrsprachige Speisekarte hier auch rumänische Übersetzungen anbot, die Erklärung zu meinem Gericht cu brânză de oaie konnte ich verstehen ("mit Schafskäse"), den Namen des Gerichtes selbst (ungarisch sztrapacska, rumänisch strapacica) kann man jedoch mit Sicherheit nicht mit "Strapaze" übersetzen (es war eine Art Pasta mit Speckwürfeln und einer Sahnesauce). Danach hatten wir Gelegenheit, noch einen Tokaier zu kosten, der ja genau hier in der Gegend erzeugt wird, wir hatten einige Wein"berge" gesehen unterwegs.
Tagesstrecke 395 km, km 84211
Abfahrt bei wieder überwiegend blauem Himmel. Und recht bald kamen wir an die Grenze nach Rumänien. Hier wurden tatsächlich die Papiere kontrolliert, so etwas sind wir gar nicht mehr gewohnt. An der Schlange vor den rumänischen Kontrollhäuschen lief ein ungarischer Polizist entlang und kontrollierte Ausweise und Fahrzeugpapiere. Als ich danach am Kontrollhäuschen ankam, konnte ich doch glatt meinen Perso nicht wiederfinden! Ich dachte schon, ich hätte ihn vorhin verloren, lief die Schlange entlang zurück und guckte unter alle Autos. Aber Ulrike hatte sich derweil mein Portemonnaie geschnappt und noch einmal unvoreingenommen durchgeguckt, und sie fand das gute Stück in einem Fach, wo es absolut nicht hingehörte. Das kommt davon, wenn man sich durch solch eine Situation unter Druck setzen lässt von wegen schnell alles einpacken jetzt und weiter.
Rumänien unterschied sich auf den ersten Blick überhaupt nicht von Ungarn. Lediglich die Farbe der Wegweiser wechselte zu blau, und es gab ungarische Namen auf den Ortsschildern unter den rumänischen. Und vor Bahnübergängen standen hier Stoppschilder, und die Leute schienen sich sogar daran zu halten. Bald sahen wir auch die ersten Straßenköter (woher kennen die eigentlich den Grenzverlauf?) und die ersten Pferdewagen. Etliche Dörfer weiter fiel mir auf, dass es hier recht viele Bauruinen gab, vorzugsweise in Ortsrandlage, wo jemand angefangen hatte, ein großes mehrstöckiges Haus zu bauen, aber ihm anscheinend dann in verschiedenen Baustadien das Geld ausgegangen war. Je weiter wir kamen, desto mehr häufte sich das, manchmal gab es auch Schilder "zu verkaufen", aber es kamen auch immer mehr fertige und bewohnte Häuser dieses Stiles, wo jemand richtig viel Geld in die Hand genommen hatte. Ich hatte davon gelesen, dass es Ecken gibt, wo sich rumänische Mafiosi protzige Villen hinstellen, hier musste wohl so eine gewesen sein. Gerade hatte ich beschlossen, im nächsten Ort mal anzuhalten, um ein paar davon zu fotografieren, da überquerten wir einen Gebirgszug, und auf der anderen Seite sah alles wieder "normal" aus.
Nun erreichten wir unseren ersten geplanten Besichtigungspunkt, den sogenannten "fröhlichen Friedhof" in Săpânța. Hier sind die meisten Grabmale (aus Holz in überwiegend himmelblauer Farbe) von einem ortsansässigen Künstler gestaltet und die Verstorbenen darauf porträtiert worden in einer Art, die vielleicht hier und da auch mal die Schrullen und Besonderheiten der Betroffenen zu Tage treten ließ. Leider konnten wir die Texte nur sehr mühsam bis gar nicht lesen. Aufgefallen ist uns jedoch, dass Frauen stets in frauen"typischen" Positionen dargestellt wurden: Am Herd oder an Webstuhl, Spinnrad etc. Dieser Friedhof ist sehr berühmt, entsprechend groß war der Touristenrummel drumherum mit massenweise Verkaufsläden (Strohhüte, Felle, bestickte Kleidchen etc.), und der Eintritt kostete 5 RON pro Person. Dabei ist auch die Kirche einen Blick wert, bunt gedecktes Dach und schöne Mosaiken an Wänden und Pfeilern, drinnen wurde sie allerdings gerade renoviert.
Im gleichen Ort hatten wir ein zweites, deutlich weniger besuchtes Ziel, nämlich ein Kloster. Hier bestachen die Gebäude durch kräftiges Balkenwerk und mit Holzschindeln gedeckte Dächer, drumherum ein recht schlicht, aber angenehm gestalteter Garten. Das Kloster schien noch in Betrieb zu sein, denn als wir uns für einen Moment in die Kapelle in der Krypta gesetzt hatten und den Ort auf uns wirken ließen, kam eine Nonne und bedeutete uns, sie wolle jetzt gerne abschließen.
Auf der Weiterfahrt kamen jetzt die Motorräder voll auf ihre Kosten, denn jetzt ging es auf schönen Strecken in die Berge. Zwar hatten sie auf diesem Abschnitt überall dort, wo die Kurven etwas schärfer wurden, Schilder aufgestellt mit 30 km/h, aber da hielt sich niemand dran, nicht einmal die Fahrschule. Somit haben auch wir das Fahren dort uneingeschränkt genossen.
Im Ort Vișeu de Jos war es dann an der Zeit, eine Unterkunft zu suchen, und im Park Café bekamen wir dann auch ein Zimmer. Die Speisekarte war nicht so besonders abwechslungsreich, aber es gab einige Sorten Pizza, zu der wir kurioserweise eine Saucière mit Ketchup hingestellt bekamen. An Bier gab es Holsten und Tuborg. Da bestellten wir ausnahmsweise die heimische Sorte, aber das Zeug schmeckte nicht und sah auch komisch aus, so dass wir zur zweiten Runde auf das dänische Bier umschwenkten, was unsere Erwartungen dann auch erfüllte. Hinterher habe ich dann gesehen, dass es sich bei dem Hamburger Bier um Weizenbier gehandelt haben muss.
Tagesstrecke 242 km, km 84453
Während jeder Reise entsteht immer auch nebenbei eine Liste, die bei mir mit der plattdeutschen Aufforderung "Moken!" überschrieben ist, auf Neudeutsch würde man wohl "ToDo-Liste" dazu sagen. Der erste Eintrag darauf lautete: "Schließmechanismus des Tankrucksacks wieder gangbarer machen". Da sich das Problem aber rapide verschlimmert hat und wir heute früh sowieso warten wollten, bis sich der Dunst hebt und man etwas von der Landschaft sehen kann, habe ich nach dem Frühstück (ein richtig großes Omelette) erst einmal mit dem mitgenommenen Werkzeug den Tankrucksack zerlegt und mit dem ebenfalls mitgenommenen Lederfett geschmiert. Und danach war das Wetter auch klar genug zum Aufbruch.
Zunächst fuhren wir erst einmal weiter Richtung Osten ein ganz schön langes Stück durch mehrere aufeinanderfolgende Orte. Das habe ich jedoch überhaupt nicht als langweilig empfunden, hauptsächlich weil die rumänische Architektur bzw. Bauausführung so vielfältig ist. Da gibt es zunächst einmal überall dazwischen alte Holzhäuser, manche alt und verfallen, andere alt und immer noch bewohnt. Aber auch die steinernen Häuser sind sehr unterschiedlich. Etliche ihren Besitzer haben sich offenbar gesagt: "Putz könnte mit den Jahren irgendwann abfallen, also kommt gar nicht erst welcher drauf". Wenn verputzt, dann rangiert die Farbgebung von "Das Grau des Putzes ist Farbe genug" über "Die letzte Farbe gab es zu Königs Zeiten" bis hin zu "tipptopp in Schuss", und das dann auch durchaus bunt. Andere Häuser sind mit schieferähnlichen Platten oder Holzschindeln verkleidet oder (selten, evtl. nur im Maramureș) mit Mosaiksteinen, Grundfarbe dann oft ein kräftiges Grün. Wieder andere bleiben zwar weiß, aber der Putz ist mit Mustern versehen, die sich oft erst richtig zeigen, wenn man nahe genug herangekommen ist. Manche Hofeinfahrten sind auch noch mit geschnitzten Holztoren verziert. Somit sind also die Ortsdurchfahrten meist sehr abwechslungsreich.
Schließlich kamen wir aber hinaus in die freie Natur, und hier ging es auch gleich sehr schön hoch ins Gebirge. Oben auf der Passhöhe (Prislop?) fand sich eine Kirche, und es zeigte sich, dass auch hier ein offenbar noch funktionierendes Kloster stand. Dieses schien jedoch kein Ort der Einkehr und Stille zu sein, denn der Platz vor der Kirche wurde per Lautsprecher beschallt mit Choralgesängen vom Band. Ulrike meinte, das sei, um die wilden Picknicker abzuschrecken, so wie sie am Hamburger Hauptbahnhof klassische Musik spielen, weil die Junkies das nicht mögen. Dann wurde es schlimmer, denn um zehn vor zwölf läuteten die Glocken, nicht aus Bronze und in ihrer Kombination deutlich dissonant. Zeit also, weiterzufahren.
Der weitere Verlauf der DN18 war eine einzige Baustelle. Zuerst ließ es sich ganz gut fahren, dann kam sogar ein toller Abschnitt neuer und fertiger Straße, aber darauf folgte zuerst Schotter, und der Rest der Route war dann zwar asphaltiert, aber in uraltem Zustand und somit dringend renovierungsbedürftig. Für derartige Untergründe war nun mein Motorrad wie geschaffen, insbesondere auf dem Schotter ließ ich Ulrike weit hinter mir. Zum Glück war hier auch nicht viel los, was mir da im Wege herumschlich. Und als wir am Ende auf die 17, wieder eine größere Straße, abbogen, war alles wieder gut.
Auf der Weiterfahrt Richtung Osten gerieten wir dann aber aus den Bergen hinaus in die moldawische Ebene, gleichzeitig wurde es auch noch von oben feucht. Beides veranlasste uns, schnell einen Bogen zu machen und wieder in die Karpaten zu fahren. Dort fanden wir etwas abseits der Straße die Pension Geona, wo die junge Frau an der Rezeption ein richtig gutes Englisch sprach. Ich hätte gemeint, sie müsse irgendwo im englischsprachigen Raum gelebt haben, aber sie sagte, sie hätte das so in der Schule gelernt. Zum Abendessen ließ ich mir von ihr als lokale Spezialität eine Tochitură auf Moldawische Art (gewürfeltes Schweinefleisch mit Polenta und Käse) empfehlen, das schmeckte sehr gut. Dazu gab es Bier der hiesigen Marke Ciuc, dass sich ebenfalls gut trinken ließ.
Tagesstrecke 299 km, km 84752
Auch heute hing wieder einiges an Dunst über den Bergen, diesmal scheint es aber nicht geregnet zu haben. Bald nach unserm Aufbruch kamen wir an einen Stausee, und unsere Route (die 15) sollte diesem beinahe auf ganzer Länge folgen. Leider war aber auch hier der Belag wieder von der Sorte, die lange Federwege erfordert. Die Straße war dabei sehr wohl asphaltiert und hatte auch gar nicht viele richtige Löcher, aber hunderttausend Unebenheiten. Ganz offensichtlich bewegt sich der Berg mit der Zeit, und wenn das passiert, dann kann man da einen kleinen Flicken Teer drüberlegen oder aber es auch bleiben lassen. An ein paar wenigen Stellen, wo in einer kleinen Kurve alles um 2 - 3 Handbreit abgesackt ist, hat man einfach die Übergänge mit Asphalt ausgefüllt und ein 10 km/h-Schild davorgestellt. Letzteres war natürlich weit übertrieben, aber langsam werden sollte man an solchen Stellen natürlich schon, wenn man nicht unvermittelt springen wollte. Dabei bot uns diese Route aber immer wieder sehr schöne Ausblicke von oben auf den Stausee. Und sinnig fahren musste man ja nicht nur, um hin und wieder einen Blick in die Landschaft werfen zu können, sondern auch, weil hier manchmal Hunde oder Rinder frei herumliefen und einmal auch ein Pferd mitsamt Fohlen.
Am Ende des Sees kam die Staumauer und dann der Ort Bicaz, wo wir nach rechts abbogen. Hier sollte es jetzt eine Klamm geben (Tipp von jemandem aus dem Ténéré-Forum) aber das sah zuerst nicht danach aus, es ging eine ganze Weile lang in einem weiten Tal dahin, wenngleich auch recht hübsch. Erst nach ca. 30 km kam der Ort Bicaz Chei und dann die Schluchtstrecke. Hier war der Straßenbelag exzellent, allerdings konnte man nirgendwo anhalten, um tolle Fotos zu machen. Diejenigen Stellen, an denen man anhalten konnte, es waren drei oder vier, waren gepflastert mit Verkaufsständen für allerlei Touristenramsch (Strohhüte, Felle, Stickereien, Körbe, Holzgegenstände, Teppiche etc., wie neulich am Friedhof). Aber einen Aufkleber für meinen Motorradkoffer gab es nicht und die wenigen Postkarten gefielen mir auch nicht. So fuhren wir weiter, genossen die schöne Landschaft und hielten erst wieder oben auf der Passhöhe. Hier war das Sortiment der Verkäufer völlig anders, es gab nämlich - Honig, und anscheinend nichts anderes. Aber hier oben kamen wir mit den Gästen eines Kleinbusses mit ungarischem Kennzeichen ins Gespräch, möglicherweise Dänen, von denen einer erzählte, er habe schon einmal als Guide eine Gruppe mit BMW-Motorrädern von Beijing nach München gebracht, 56 Tage seien sie unterwegs gewesen.
Im weiteren Verlauf der Fahrt durchquerten wir ein weites Tal und kamen auf der anderen Seite wieder über einen schönen Gebirgszug. Danach wurde das Gelände dann eher hügelig, aber auch diese Sorte Landschaft gefiel mir. In dieser Gegend schien es wieder eine Menge Ungarisch-sprachiger Leute zu geben, denn es gab nicht nur zweisprachige Ortsschilder, sondern teilweise auch Werbung auf Ungarisch. Und der Ort Corund musste wohl auf die eine oder andere Weise eine Touristenhochburg sein, denn hier fuhren wir wieder an einer langen Reihe dieser Verkaufsläden vorbei. Ein Transparent über der Straße sprach von einem international chess tournament, aber wir konnten uns nicht vorstellen, dass man deswegen diesen Rummel hier aufgebaut hatte. Aber ein anderer Grund dafür war uns so im Vorbeifahren auch nicht ersichtlich.
In Rupea Gară ("Rupea Bahnhof") kamen wir an einem Motel vorbei mit mindestens noch einem leeren Zimmer, welches wir nun mit uns und unseren Sachen füllten. Der junge Mann hier sprach zwar etwas Englisch, zeigte aber ziemliche Probleme im Hörverstehen.
Tagesstrecke 289 km, km 85041
Beim Aufstehen zeigte der Himmel ein fast schon gewohntes Bild: Dunst, der sich sicherlich bald heben wird. Beim Frühstück kündigte der junge Mann von gestern an, er müsse jetzt nach Brașov fahren, und verabschiedete sich. So mussten wir uns zwecks Bezahlung mit den anderen Bediensteten auseinandersetzen. Aber die "Bügelfrau" sprach Deutsch. Jedoch mussten wir nun in bar bezahlen, weil keine der Damen den Computer bedienen konnte.
Schließlich konnten auch wir aufbrechen in Richtung Brașov. Zuerst fuhren wir noch durch das Hügelland von gestern, dann folgte eine kleine Höhenzugüberquerung, aber dann wurde es platt und langweilig. Kurz vor Brașov machten wir allerdings in einem östlichen Bogen kehrt, denn hier gab es eine Gegend, die wir noch nicht gesehen hatten. Aber als wir auf diesem Kringel links hätten abbiegen sollen und es geradeaus immer noch platt und öde aussah, hielten wir noch einmal an und holten die Karte [4] hervor. Damit ergab sich ein relativ klares Bild: Die Berge befanden sich deutlich rechts von uns, die von mir geplante Route würde für lange Zeit in der Ebene bleiben. Und in den im Osten sichtbaren Bergen wies die Karte zwar mit dem Parcu Natural Putna Vrancea ein Gebiet mit landschaftlich schönen Strecken aus, deren beide Zufahrten jedoch als unbefestigt angegeben waren, weshalb Ulrike hier ihr Veto einlegte. Also wurde beschlossen, umzukehren und dieses Gebiet unentdeckt zu lassen.
Die Stadt Brașov konnten wir auf einer Art Schnellstraße weitgehend umfahren, und unmittelbar danach kamen wir wieder in richtig hohe Berge (die man aus der Ebene heraus schon von Weitem sehen konnte). Eine Weile lang genossen wir das Fahren im Gebirge, aber dann gab es Stau. Zunächst dachten wir an eine Baustellenampel, aber die musste richtig ungünstig geschaltet gewesen sein, denn das ging verdammt lange so. Dagegen sprach auch, dann nach etwa 3 Kilometern feste Schilder standen, die vor Stau warnten. Einen Moment lang sagten wir, der Stau wäre absichtlich erzeugt worden, um Kundschaft zum Anhalten an einer Reihe Verkaufsbuden mit Touristenwaren zu zwingen, eine solche fand sich hier nämlich wieder einmal. Schließlich mussten wir aber feststellen, dass alleine das Vorhandensein der Ortschaft Bușteni mit ziemlich vielen Geschäften und Menschen, die die Straße überqueren wollten, in der Lage war, an einem Sonnabend einen etliche Kilometer langen Stau auszulösen.
Es könnte vielleicht auch keine gute Idee sein, an einem Sonnabend das Königsschloss Peleș besichtigen zu wollen. Aber das erwies sich als längst nicht so schlimm. Der Parkplatz war zwar voll, aber ein Einweiser zeigte uns eine freie Stelle und wollte auch gar kein Geld kassieren (für PKW und Größeres gab es eine Tafel mit Tarifen). Der Fußweg nach oben war auch wieder gesäumt mit Verkaufsständen. Da habe ich immerhin ein paar schöne Postkarten gefunden und erfragt, wie mein Aufkleber auf Rumänisch heißt, sie sagten, das Wort wäre sehr kompliziert, es wird "aziehbild" ausgesprochen (also ohne das "B", geschrieben ațibild).
Das Schloss selbst lag sehr schön oben auf dem Berg und hat uns richtig gut gefallen. Nachdem wir eine Weile davor herumspaziert sind und den Leuten ausgiebig beim Selfie-Machen zugeguckt haben, wollten wir trotz kleiner Schlange vor der Kasse auch hinein. Der Eintritt von 60 RON pro Person, das sind knapp 15 €, erschien uns schon nicht wenig, aber Adriana hat gesagt, es lohnt sich. Dann habe ich aber gesehen, dass sie einen Zuschlag erheben von 35 RON je mitgebrachter Kamera. Nun baumelte mir die Spiegelreflex unübersehbar vor dem Bauch, und die kleine Taschenkamera wollte ich auch nicht am Motorrad lassen. Das war uns dann doch zu viel, da sind wir dann lieber noch etwas in der Anlage herumgewandelt und haben deutlich weniger Geld in ein paar Kaltgetränke im Café investiert. Zuvor kamen wir noch an einem Brunnen vorbei, wo etliche Leute bereits Geld in die Erfüllung ihrer Wünsche investiert haben. Und das ist kurioserweise nicht immer nur traditionsgemäß mit Münzen geschehen; mindestens zwei Menschen haben hier auch einen kleinen Geldschein in das Wasser geworfen.
Zurück auf der Straße sind wir noch ein Stück weiter nach Süden gefahren, bis das Gebirge aufhörte, dann umgekehrt (in Gegenrichtung war der Stau deutlich kürzer, und in Sinaia stand rechts eine alte Dampflokomotive dekorativ neben der Straße) und haben uns in Predeal im Pensionea Medieval ein Zimmer genommen. Hier konnte ich mich mit der Dame an der Rezeption auf Italienisch verständigen, irgendwie scheint sich meine ganze Lernerei ja doch zu lohnen. Zum Abendessen gingen wir in eine Pizzeria nebenan und mussten uns auf dem Rückweg etwas sputen, bevor die Moppeds auf dem Hof einen ordentlichen Gewitterguss abbekamen und hoffentlich damit wieder etwas sauberer wurden.
Tagesstrecke 306 km, km 85247
In der Nacht hatte das zwar noch ein paar Male geschüttet, aber mein Kardan lag sehr geschützt unter Auspuff und Seitenkoffer und sah immer noch aus wie Sau. Der Himmel sah jedoch so aus, als könnten wir heute noch einmal durch Pfützen fahren müssen, es gab also noch Hoffnung. Nach einem richtig reichhaltigen Frühstück brachen wir auf, bogen nach kaum einem Kilometer rechts ab auf die 73A, eine Querverbindung zwischen den beiden Routen von Brașov nach Süden. Nachdem wir hier erst einmal einen Kleinwagen aus Bukarest (in Rumänien sind die ersten Buchstaben der Kennzeichen offenbar auf die Region bezogen, MM = Maramureș, NT = Neamţ und B = București) überholt haben, konnten wir auch sehr schön fahren. Damit war es erst einmal vorbei, nachdem wir auf die 73 eingebogen waren und auf den Ort Bran zufuhren. Grund dafür waren zunächst einmal mehrere Baustellenampeln, hier machten sie gerade Teile der Straße neu. Dann kam aber erschwerend hinzu, dass sich in diesem Ort die Burg befindet, die dem Grafen Dracula zugeschrieben wird, verbunden mit den üblichen Begleitumständen: Verkaufsständen, Bezahlparkplätzen, PKW, die auf der Hauptstraße anhalten und überlegen, ob sie das eine oder das andere nutzen wollen oder nicht. Wir jedenfalls haben uns an Adrianas Aussage "Besichtigung lohnt sich nicht" erinnert und sind vorbeigefahren, haben nur am Ortsausgang noch einmal angehalten für ein Foto.
Ein Stück weiter haben wir gerne einen weiteren Tipp von meiner Kollegin befolgt und sind rechts auf die 730 abgebogen. Diese Straße führt nämlich durch eine weitere sehr schöne Klamm. Am Eingang davon stand zwar ein Kassenhäuschen, aber 2 RON pro Person erschienen uns nicht zu viel. Dafür haben wir dann drinnen die Motorräder an einer Stelle an der Seite abgestellt und rund eine Stunde lang auf einer Bank gesessen und dem Plätschern des Baches zugehört, nur selten kam da ein Auto vorbei, und wir hatten schließlich Urlaub!
Auch auf der Hauptstraße sind wir über schöne Passstraßen gefahren und haben mehrfach oben angehalten, Pause und Fotos gemacht. Erst als wir dann auf die 73C gekommen sind, kam wieder schlechter Straßenbelag ins Spiel, so dass ich mich glücklich schätzte, gerade mit diesem meinem jetzigen Motorrad unterwegs sein zu dürfen. Dafür stieg hier wieder das Pferdewagenaufkommen stark an. Dabei ist Ulrike aufgefallen, dass offenbar in Rumänien keine Scheuklappen benutzt werden, sondern man den Tieren rote Bommel hinter die Augen hängt, damit sie daran gewöhnt sind, dass da etwas ist und sie sich nicht erschrecken, wenn sie von einem Auto überholt werden. Die ersten paar Kilometer dieser Route waren jedenfalls belagtechnisch die schlimmsten, je dichter wir an die Stadt Curtea de Argeș kamen, umso besser wurde es wieder.
Da mir die Stadt Curtea de Argeș als nettes kleines Städtchen empfohlen wurde und wir als nächstes eine längere Strecke ohne größere Übernachtungsmöglichkeiten geplant hatten, suchten wir uns hier im Hotel Camino ein Zimmer (im 3 Stock ohne Lift, aber die Motorräder bekamen eine Garage) und gingen in die Stadt spazieren. Nun kann man sich über den Gesamteindruck streiten (und schon Ulrike und ich sind da nicht exakt der gleichen Meinung), aber es gab doch einige Häuser, die hübsch waren oder es früher mal gewesen waren.
Und wir besichtigten zwei Kirchen, zuerst die orthodoxe Biserica Sfântul Nicolae (gut gepflegt, aber sehr dunkel innen), und dann die "Prinzenkirche" Biserica Domnească Sfântul Nicolae mit alter Bemalung, die aber so aussah, als könne sie mal erneuert werden. Ziemlich lieblos kam uns auch die in Rumänien schon öfter beobachtete Art vor, die Kerzen, die man kaufen und anzünden kann, einfach draußen in einen Blechkasten zu stellen, der uns eher an einen Räucherofen erinnert. Dafür saßen wir noch eine Weile draußen auf einer Bank und guckten zu, wie sich zwei Brautpaare zu einer Fotosession vorbereiteten. Die Damen trugen weiße Kleider, deren Säume danach aber eigentlich schon nicht mehr blitzsauber sein konnten, die Herren zogen sich vor Ort blaue Anzüge an, deren einer nicht besonders gut maßgeschneidert wirkte, insbesondere nicht mit dem großen Smartphone in der Hosentasche. Aber vermutlich wird der Fotograf das alles noch in fotogene Bahnen gelenkt haben, nachdem wir das Feld geräumt haben.
Tagesstrecke 153 km, km 85400
Dieses Haus hier erfüllte einige der Klischees, die so von Rumänien im Umlauf sind: Fahrstuhl kaputt, Steckdosen hingen halb aus der Wand bzw. für den Fernseher hatte jemand gleich ein Kabel angeflickt, das Waschbecken wackelte an der Wand und auch der Abfluss der Dusche flutete den Badezimmerfußboden. Für das Frühstück mussten wir uns mit dem Personal in der Landessprache auseinandersetzen (aber dafür hatte ich ja ein paar Brocken gelernt), weil die Chefin erst später kam. Als ich dann das Frühstück bei ihr bezahlen wollte, wollte sie Bargeld (gestern beim Zimmerpreis ging es noch mit Karte), hatte aber kein Wechselgeld und musste über die Straße gehen, um welches zu besorgen. Dafür wurden wir entschädigt durch schönen blauen Himmel.
Heute sollte es wieder kurz Richtung Norden gehen, nämlich auf die Transfăgărășan. Diese Route wird als eine der großartigsten Passstraßen Europas genannt, ich habe sie aber auch schon auf Listen der gefährlichsten Strecken der Welt erwähnt gesehen. Das wollten wir uns heute doch mal mit eigenen Augen angucken. Schon am Einstieg wirkte das Gebirge relativ schroff, wir guckten hoch und sahen oben mehrere an den Berg gelehnte Brücken, das war sicher nicht ganz einfach gewesen, dort überhaupt eine Straße zu bauen. Danach ging es eine ganze Weile an einem Stausee entlang. Hier kam uns ein ganzes Rudel von 6 oder 7 Honda Gold Wings neuster Bauart entgegen, Luxustourer der Spitzenklasse, aber ohne die Federwege meiner Tenni. Doch die Fahrbahnbeschaffenheit blieb auch die ganze Passstrecke über gut genug.
Kurz vor der Baumgrenze wurde noch einmal angehalten, nicht nur für Fotos, sondern auch, um das Halstuch und die nächst dickeren Handschuhe hervorzuholen, hier oben wurde es frisch, und ziemlich dunkle Wolken waren inzwischen auch aufgezogen. Dann ging es in etlichen Serpentinen hoch hinauf. Dabei wirkte der Straßenverlauf nicht gefährlicher als andere Alpenpässe, die wir schon befahren haben. Etwas ungemütlich war allenfalls der unbeleuchtete Tunnel, der dann folgte. Der verlief aber wenigstens gerade, und er spuckte uns an seinem anderen Ende auf der Passhöhe aus.
Die hier selbstverständlich zuhauf vorhandenen Verkaufsstände boten hauptsächlich Wurst und Käse, keine Postkarten, man konnte etwas zu essen bekommen, und hier gab es nun endlich auch meinen Aufkleber. Auf der anderen Seite konnte man schön den Berg hinunter auf die Serpentinen gucken. Zu Fahren ging das auch, trotz einer kurzen Stelle mit einspuriger Verkehrsführung. Viel weiter unten, schon wieder unterhalb der Baumgrenze, gab es noch einen Abschnitt, auf dem Längsrillen im Asphalt das Fahren für Motorräder etwas erschwerten. Aber recht bald waren wir wieder unten, und vor uns erstreckte sich eine Ebene.
Dort, am Ende des Ortes Cârțișoara, mussten wir erst einmal eine Tankstelle anfahren. Diese Tankstelle, sie lag allerdings schon an der Querstraße, der Nationalstraße 1, war zumindest in der nächsten Viertelstunde ein wahrer Motorradfahrertreff. Es kamen Gruppen aus Österreich, Tschechien und aus Bayern, hoch bepackt mit Zeltgepäck. Letztere hatten auf ihren Seitenkoffern Aufkleber vom 2. Werner-Rennen, das nördlich von Hamburg an genau dem Wochenende stattfinden sollte, an dem wir losgefahren waren. Sie sagten, die Veranstaltung sei die 150 € für eine Karte nicht wert gewesen, es habe nur eine Großleinwand gegeben mit Ton, der nicht zum Bild gepasst habe. Aber die Bands und die Stimmung seien trotzdem toll gewesen. Die Truppe wollte jetzt gar nicht über den Berg, sondern zum Dracula-Schloss, und morgen wollten sie in Bulgarien am Schwarzen Meer liegen. Wir wünschten ihnen Gute Fahrt und sind in die andere Richtung weiter.
Hier auf der Hauptstraße war natürlich jetzt viel los, und auch eine Masse LKW-Verkehr. Das änderte sich auch nicht, als wir auf die 7 abbogen, um wieder nach Süden zu kommen. Immerhin führte diese Straße im Tal eines breiten Flusses ohne größere Steigungen durch das Gebirge, so dass es sich immer noch ganz brauchbar fahren ließ. Und als wir dann irgendwann doch dachten, jetzt so langsam reiche es aber, konnten wir auf die 7A nach Westen einschwenken. Das war genau das was wir jetzt brauchten: Eine relativ kleine, aber ganz gut asphaltierte Straße, die sich fast ohne jeden Verkehr durch die Karpaten schlängelte. Statt sich über langsame LKW zu ärgern musste man hier lediglich damit rechnen, dass Pferde, Rinder und Ziegen am Straßenrand weideten bzw. es sich auf dem warmen Asphalt auch schon mal gemütlich gemacht hatten. Das alles in schöner Landschaft, und da störte auch nicht, dass es mit zunehmender Höhe wieder etwas kälter wurde.
Irgendwann kamen wir an den Ort Obârșia Lotrului, wo nach Norden die Transalpina abging, die wir morgen in Angriff nehmen wollten (auch wenn Ulrike ein Schild gesehen zu haben meinte, wonach diese Straße gesperrt wäre). Unser Plan sah vor, heute noch das kurze (ca. 40 km) Stück weiter nach Petroșani zu fahren, dort zu übernachten und morgen wieder zurückzukommen. Jedoch wurde schon nach wenigen Kilometern diese Straße richtig schlecht, mit tiefen Löchern und starken Verwerfungen. Da wir keine Anhaltspunkte dafür hatten, dass sich das bald bessern würde, drehten wir um und fuhren zurück in den Ort, wo wir mehrere Unterkünfte gesehen hatten. In der Cabana Vânătorul bekamen wir dann auch ein sehr schönes Zimmer in einem ganz neuen Blockhaus mit kleinem Balkon und Blick auf einen murmelnden Bach. Hier wie auch im Restaurant nebenan (es gab Mititei) mussten wir allerdings auch wieder auf meine paar Brocken Rumänisch zurückgreifen.
Tagesstrecke 302 km, km 85702
Diese Nacht ist offenbar richtig kalt gewesen, mein Thermometer hat gerade mal 10 Grad angezeigt, als wir nach dem Aufstehen unsere Sitzbänke trockengewischt haben. Nach der Abfahrt zeigte sich, dass Ulrike gestern das Schild nicht richtig gelesen hatte, die Sperrung bezog sich nur auf LKW, für uns war alles gut. Dieses relativ kurze Stück nach Süden war die eigentliche Transalpina, das war uns so gar nicht klar gewesen. Hier ging es wie in den Alpen in Serpentinen hoch bis über die Baumgrenze. Oben auf der Passhöhe waren wir mehr als 2100 Meter über dem Meeresspiegel und damit auch etwa 100 Meter höher als auf der Transfăgărășan. Allerdings war es auch ziemlich ungemütlich hier. Das nicht nur, weil es immer noch kalt war, es wehte uns zudem noch eine richtig steife Brise um die Ohren. Dementsprechend leer war es hier auch. Alle Leute, die anhielten und ausstiegen, stiegen nach ganz kurzer Zeit wieder ein und fuhren weiter. Wir taten dies ebenfalls. Es war so gedacht, hier weiterzufahren, bis das in der Karte als landschaftlich schön gekennzeichnete Stück endete, und dann umzukehren. Laut Karte sollte das nur noch wenige Kilometer gehen, aber daran glaubte ich nicht recht. Sehr glaubhaft hingegen war der Wind, der auf dieser Seite noch einen Zahn zulegte und in Böen damit drohte, uns aus der Bahn zu werfen. Da plädierte Ulrike sehr dafür, sich dem nicht besonders lange auszusetzen, und auch ich fand das nicht besonders angenehm, hier so gebeutelt zu werden. Eine Weiterfahrt hätte zudem unseren nächsten Plan gefährdet, mit dieser Tankfüllung noch nach Norden auf die andere Seite zu kommen. Also drehten wir schon etwas vor der Zeit wieder um und fuhren zurück.
Auf der weiteren Strecke hinter Obârșia Lotrului nach Norden, hier wieder ohne nennenswerten Wind, hatten wir zuerst eine ganze Weile lang super Asphalt, dann kam aber ein Abschnitt, wo ich dachte: "Oh weh, hoffentlich geht das nicht so weiter!" Hier konnte ich es an einer Stelle nicht vermeiden, voll durch ein wassergefülltes Loch zu brettern. Das spritzte dann von unten unter die Lederhosen und lief anschließend genüsslich von oben am Bein entlang in den Stiefel. Dieser Abschnitt währte aber zum Glück nicht allzu lange, sonst hätte Ulrike womöglich noch gemeutert. Der Rest der Route ging so, man musste halt überall aufpassen, es konnten immer mal wieder schlechte Stellen auftauchen, besonders natürlich in Kurven, von denen es hier ja reichlich welche gab.
Am oberen Ende angekommen, mussten wir wieder ein Stück in der Ebene weiterfahren bevor wir nach links auf die 74 abbiegen konnten und wieder hoch und runter und damit verbunden auch wieder durch Kurven fahren durften. Das war hier zwar deutlich moderater als zuvor, aber auch nett. Irgendwo dort mitten in der Wildnis stand ein Schild mit der Ankündigung "Museum 500 m". Als das ungefähr so weit gewesen sein konnte, kam rechts eine wilde Müllkippe. Ich dachte bei mir: "Nein, so einen schrägen Humor können die doch nicht haben!" Und nach der nächsten Kehre begann tatsächlich ein Dorf, dessen erstes Haus mit Muzeu Achim Emilian beschriftet war. Ein paar Kilometer weiter ließ Ulrike vor mir einen LKW passieren, der in einer Kehre nach links in eine Art Steinbruch abbiegen wollte, und von nun an wurde die Straße richtig schlecht. Dieser Laster hat zusammen mit seinen Kollegen die Fahrbahn anscheinend gründlich kaputtgefahren. Hier war die Straße aus Betonplatten gebaut, und auf diesem Stück sah das jetzt aus wie eine Doppelreihe Bahlsenkekse, die man auf einem Kissen ausgelegt und dann ordentlich darauf herumgedrückt hat. Das ging so eine ganze Weile lang in engen Kurven den Berg hinunter, erst bei der nächsten großen Querstraße wurden wir erlöst.
Dort machten wir Pause auf einer Bushaltestelle, die auch einen etwas unebenen Grund hatte. Hierbei störte das zwar nicht besonders, war aber der Grund dafür, dass ich meine Aufmerksamkeit besonders nach unten richtete beim Umhergehen. Und möglicherweise nur deshalb fiel mir an Ulrikes Motorrad etwas Merkwürdiges auf. Bei genauem Hinsehen fand ich ein Stück Werkzeug, nämlich ein Inbus-Bit, in der Befestigungsschraube des Haltebleches vom vorderen ABS-Sensor stecken. Das Ding steckte dort bestimmt schon seit dem letzten Werkstatt-Besuch, war somit jetzt bald dreitausend Kilometer auf diese Weise gereist, dabei nicht herausgefallen und inzwischen schon ziemlich angerostet. Und, auch wenn wir beide Motorräder des gleichen Herstellers haben: Ulrikes Werkstatt war nicht die, mit der ich kürzlich so meinen Ärger hatte!
Schließlich kamen wir nach Brad und fanden nach kurzer Suche in der Pensiunea Cetina eine Unterkunft. Die Motorräder durften wir im Innenhof parken. Auf dem von der Straße aus zugänglichen Hof hielt die Einohrkatze Wache, ein kleines, dünnes grau-weißes Kätzchen, das aber gemessen an seiner äußeren Erscheinung trotz seines geringen Alters schon manchen Revierkampf ausgefochten haben muss.
Tagesstrecke 276 km, km 85978
Heute hatten wir Bergfest, hatten aber von dem, was wir uns so vorgenommen haben, schon mehr als die Hälfte gemacht, genaugenommen waren wir sogar schon weitgehend durch damit. Aufgrund der bereits gemachten Erfahrungen mit schlechten Straßen gerade abseits der Hauptrouten hatten wir nicht vor, die ganzen kleinen Straßen, auf unserer Karte weiß eingezeichnet, abzufahren oder auch nur auszuprobieren. Und die Karpaten gingen doch meist sehr unmittelbar in die Ebenen über, eine Art Gebirgsvorland gab es oft nicht, was bedeutete, dass es schnell langweilig wurde, wenn man das Gebirge verließ. Aber zumindest das Eiserne Tor der Donau wollten wir uns noch angucken. Und immer noch hielt uns die Sonne die Treue!
Das erste Stück auf der 76 ließ sich richtig gut fahren (war ja auch eine große rote Straße) und war auch landschaftlich sehr schön. In Deva galt es, eine Art Schnellstraße zu benutzen, die parallel zur (mautpflichtigen) Autobahn verlief. Hierauf durften wir jedoch nur rechts abbiegen, wir mussten aber eigentlich nach links. Unser Navi sagte dann auch prompt, dass ich bei nächster Gelegenheit wenden sollte. Diese Gelegenheit kam schneller als gedacht - gerade hatte ich noch auf zweispuriger Straße einen LKW überholt, da musste ich ziemlich schnell in die Bremse steigen, denn unmittelbar nach der Verengung auf eine Spur kam schon die Wendestelle mit eigener Linksabbiegespur. Ganz verblüfft waren wir aber, als wir gewahr wurden, dass der Gegenverkehr stoppte, sie hatten da extra Schilder aufgestellt, die mussten Vorfahrt achten!
Im weiteren Verlauf kamen wir (nach einer schönen Gebirgsstrecke) nach Petroșani, was wir vorgestern ja vergeblich versucht hatten, zu erreichen. Aber auf der Hauptstraße ließ sich das eben auch deutlich besser fahren. Im Stadtgebiet standen auf zwei Verkehrsinseln zunächst eine alte Dampflokomotive und dann ein Propellerflugzeug als Dekoration. Bis Bumbești-Jiu konnten wir uns noch an der Fahrt durch ein schönes Tal erfreuen.
In Târgu Jiu bogen wir mit der 67D wieder auf eine kleinere Straße ab. Eine ganze Weile lang konnten wir prima fahren. Irgendwann war der Straßenbelag ganz neu, ein wahrer Hochgenuss, und ich formulierte schon so etwas wie "Asphalt ohne Fehl und Tadel". Dann kam aber die Abzweigung der 66A und gleichzeitig eine Districtgrenze, und danach wurde die Straße mal wieder richtig schlecht.
In Orșova am Ausgang des Eisernen Tores angekommen, lag die Pensiunea Taka passend direkt an der Route wie auch an einer seenartigen Erweiterung der Donau bzw. des Flusses Cerna, der hier in die Donau mündet. Zur Feier des Tages (dies sollte so ziemlich der südlichste Punkt dieser Reise werden) bestellten wir nach dem Essen noch einen typisch Rumänischen Nachtisch: Papanași. Wir bekamen je einen Teller mit einem richtig großen Donut, dessen Loch mit Marmelade gefüllt war, darauf eine kleinere Teigkugel, das Ganze dann übergossen mit Sahne, Schokoladen- und Blaubeersauce und, als würde das noch nicht reichen, auch noch mit Puderzucker bestäubt. Ultralecker, aber auch mächtig gehaltvoll! Danach brauchten wir auch noch einen "Cognac" als Verteiler.
Tagesstrecke 317 km, km 86295
Das gute Wetter hielt sich, wir konnten auf der Terrasse bei blauem Himmel mit Blick auf das Wasser frühstücken. Dann ging es zunächst ein kurzes Stück Richtung Drobeta-Turnu Severin an der Staustufe vorbei, mit der in den Siebzigern das Eiserne Tor entschärft wurde. Hier gab es einiges an Hafenanlagen und Industrie sowie ein Museum zum Eisernen Tor, das wir aber nicht besichtigt haben. Noch vor der Stadt, als die Landschaft schnell flacher wurde, haben wir an einem Kreisverkehr Kehrt gemacht. Dann hat uns auf dem Rückweg meine Fotoleidenschaft vor einer Polizeikontrolle bewahrt, denn während wir hielten, fuhren zwei Motorradfahrer mit Berliner Kennzeichen vorbei, die dann an unserer statt von den Uniformierten (die wir auf dem Hinweg schon da haben stehen sehen) angehalten wurden. Wieder zurück in Orșova schnackten wir beim Tanken noch kurz mit zweien aus einer Dreiergruppe Motorradfahrern aus Euskirchen bzw. Ennepatal, bis der dritte kam und seine Kameraden aufforderte, jetzt sofort irgendetwas (ich habe nicht genau mitbekommen, was) zu tun nach dem Motto: "Sabbel nicht so lange mit denen, ich will weiter!"
Die Straße, die dann weiter nach Westen an der Donau entlangführte, war weit weniger befahren, aber auch weit weniger touristisch als gedacht. Es gab zwar einige Stellen, an denen Bootsfahrten angeboten wurden, doch nur einen Parkplatz mit Verkaufsbuden, und diese hatten gar keine Postkarten. Die Engstelle selbst haben wir nur von Ferne gesehen, denn da führte die Straße natürlich nicht hindurch, sondern außen vorbei. Trotzdem lohnte sich die Tour, wir hatten viele schöne Ausblicke auf die Donau, die sich hier ja in einem allgemein sehr engen Tal schlängelt.
Schließlich wandte sich die Straße von Fluss ab nach Norden. Recht bald staute es sich, da vorne hatte es offenbar einen Unfall gegeben. Von hinten sah man nur, dass da ein Bus quer stand und halb im Graben gelandet war. Einige Autos vor uns wendeten und fuhren wieder zurück. Wir beschlossen jedoch, an der Schlange vorbeizufahren und zu fragen, ob wir nicht, so schmal wie wir waren, doch daran vorbeifahren konnten. Wir mussten gar nicht fragen, kaum tauchten wir vorne auf, wurden wir von den Polizisten fast schon eifrig an der ganzen Geschichte vorbeigelotst. Dabei konnten wir aus dem Augenwinkel noch sehen, dass an dem Unfall auch noch ein PKW mit Anhänger beteiligt gewesen sein mussten, und der Bus hatte an der Seite eine große Beule.
Im Gebiet nördlich der Donau wurde die Landschaft offener, eher hügelig, aber ein paar Serpentinen gab es schon noch. Es gab auch deutlich weniger Wald, sondern überwiegend Wiesen, bestehend aus braunem, hohem Gras, darin eingebettet viele einzelne Büsche und Bäume. Das hatte irgendwie etwas von Heidelandschaft, und ich fand das sehr hübsch und fotogen. Nun ist das mit dem Fotografieren unterwegs ja so eine Sache: Zuerst genießt man die Landschaft und denkt nicht dran, mal ein Foto zu machen. Dann stehen meistens vornean Büsche oder gar Bäume, welche keine genügende Lücke lassen für ein weites Landschaftsbild. Dann gibt es ein paar geeignete Stellen, aber da lässt es die Verkehrssituation nicht zu, mitten auf der Straße anzuhalten. Schließlich findet man die eine perfekte Stelle mit genug Platz am Rand, aber man hat gerade einen LKW überholt und müsste sich dann in seinem Schlepptau ganz hinten wieder einreihen. Dann geht es die ganze Reihe von eben aufgezählten Möglichkeiten wieder rückwärts, bis man wieder bei "ach, lass es, genieße einfach die Landschaft!" angekommen ist. Also gibt es keine Fotos aus dieser Gegend.
In der Stadt Reșița kamen wir an einem Freilicht-Dampflokomotivenmuseum vorbei. Hier hatte man rechts der Straße bestimmt 15 - 20 verschiedene Dampfloks ausgestellt, allesamt frisch gestrichen, was von Ferne einen tollen Eindruck machte. Da man dahinter parken konnte und keinen Eintritt zahlen musste, ging ich hin, um sie mir auch kurz aus der Nähe anzusehen. Dabei konnte man aber recht schnell sehen, dass die Loks gar nicht liebevoll restauriert, sondern eher nur kurz übergemalt waren. Darum habe ich auf Nahaufnahmen verzichtet, und wir sind bald wieder weitergefahren.
In Caransebeș sollte es genug sein für heute. Im Hotel GeAS I bekamen wir ein richtig günstiges Zimmer, für 90 RON waren sowohl Frühstück wie auch Abendessen im Preis inbegriffen. Für letzteres gab es aber keine Karte, sondern es wurde gegessen, was auf den Tisch kam (Hühnerbein mit Reis). Dazu wurde auch kein Getränk angeboten. Neben der Rezeption gab es aber einen Kühlschrank mit Bier etc., was man extra bezahlen musste, das konnten wir dann aber auch mit auf das Zimmer nehmen.
Tagesstrecke 311 km, km 86606
Da man hier Frühstück schon ab 700 Uhr bekommen konnte, standen wir heute mal eine Stunde früher auf mit der Folge, dass wir schon um 900 Uhr abfahrbereit waren. Erstes Ziel des Tages war die Post am Bahnhof, im Internet herausgesucht, denn wir trugen immer noch die Postkarten bei uns, die wir beim Königsschloss gekauft hatten. Aber Briefmarken konnten wir damals dazu keine bekommen, und Postämter (wenn ich den Kartenverkäufer richtig verstanden habe, mussten wir schon ein solches aufsuchen) sind uns bisher nicht aufgefallen. Und nun wurde das langsam Zeit, denn heute wollten wir ja schon wieder über die Grenze. Jedoch das Postamt am Bahnhof erwies sich als vollgestellte Rumpelkammer hinter verschlossener Glastür. Schon hatte ich mich seelisch darauf eingestellt, die Karten dann eben in Ungarn aufzugeben, da kamen wir in Făget doch noch an einer Post vorbei.
Unsere Route führte uns heute zuerst nördlich nach Lugoj, dann nach Osten auf Deva zu, wobei die 68A wieder mit nicht so guter Fahrbahn aufwartete. Für den Transport von rohen Eiern brauchte man entweder eine französische hydropneumatische Federung oder aber viel Geduld. Letztere bewies der Fahrer eines nagelneuen roten BMW (Kennzeichen B 999 BMW, die Ziffern waren anders, aber die Buchstaben - dafür hat der wohl eine Menge Geld bezahlt). Der schlich so unglaublich langsam über die Hubbel, dass ich ihm geraten hätte, seine teure Karre am besten ins Wohnzimmer zu stellen, nur so kann er sicher sein, dass daran nichts kaputtgeht.
Ein Stück vor Deva links ab die 7 in Richtung Arad sollte nach unserer Karte noch einmal eine landschaftlich reizvolle Strecke sein. Das stimmte prinzipiell auch, obwohl wir uns hier auch schon nur noch am Rande des Gebirges befanden und die Gegend jetzt nicht so toll war, wie wir es in diesem Land schon gesehen hatten. Dafür bekamen wir bei unserer nächsten Pause noch einmal etwas Neues zu sehen. In diesem Dorf, wo ich nur zufällig angehalten hatte, war nämlich heute Markt, und zwar einer für die Einheimischen. Direkt am Parkplatz wurden aus einem Lieferwagen heraus Plastikeimer verkauft, und zwar richtig große von weit mehr als einer Elle Durchmesser. Auf der anderen Seite gab es gebrauchte Sofas. Zwischen Parkplatz und Kirche hatten sich etliche Stände aufgereiht, wo man meist Klamotten, aber auch Früchte und Eisenwaren (Fahrradteile, Werkzeug, Getreidemühlen mit Handkurbel, ein paar neue Hufeisen und etliche Handwerkzeuge zur Gartenbearbeitung) bekommen konnte. Zwei Grills standen dazwischen, es gab Mici, ein Lautsprecherwagen spielte Balkanmusik, und es trafen sich Jung und Alt zum Klönschnacken.
Wir fuhren nach kurzer Umschau weiter und verließen das Bergland bald vollends. Und es stimmte uns schon etwas melancholisch, jetzt endgültig in die Ebene hinunterzukommen und bald auch das Land zu verlassen. In Arad (Stadt mit malerischer alter Straßenbahn) machten wir Halt bei einem Supermarkt ("Kaufland"), um noch den Rest Bargeld in Naturalien umzusetzen, und neben etlichen Packungen Keksen fanden je eine Flasche Vișinată und Afinată, Rumänische Liköre, den Weg in unsere Koffer.
An der Grenze hatten wir wieder eine Schlange vor uns, aber diesmal erlebten wir nicht denselben Stress wie bei der Einreise. Allerdings ließ Ulrike es sich natürlich nicht nehmen, noch einmal dezent daran zu erinnern mit: "Kann es sein, dass da vorne jemand seinen Perso verloren hat?" Nein, sondern der einzige Zöllner hatte sich entschlossen, zwischendurch mal eben drüben einen Bus abzufertigen. Da konnten wir in aller Gemütsruhe mit dem Motorradfahrer hinter uns schnacken, der Italiener war, gerade aus Moldawien kam und seine TDM über alles lobte.
Ich muss gestehen, im Gegensatz zu den Tagen nach unserer Ankunft in Rumänien fand ich Ungarn heute schöner. Das mag daran liegen, dass die Gegend hier im Süden von Ungarn mir reicher erscheint als im Norden, und in Rumänien hatte ich genau den umgekehrten Eindruck. Die Landschaft in der Ebene erschien mir nicht so trostlos, insbesondere, nachdem wir hinter Szeged wegen einer Polizeisperre gezwungen waren, vorübergehend auf kleinere Straßen auszuweichen. Da gab es keine endlosen Ackerflächen, sondern viel Grün zwischendrin. Und in den hiesigen Dörfern pflegen die Leute Gärten vor ihren Häusern, das haben wir in Rumänien auch nur ganz selten gesehen.
Wie auch immer, jetzt waren wir in Ungarn, genau genommen in Baja im Hotel Kaiser, wo wir ein riesengroßes Appartement zum Zimmerpreis bekommen haben, es aber kein Abendessen gab (somit aber einen Spaziergang in die Stadt). Während ich am Abend diesen Text hier schrieb, plante Ulrike unsere nächste Etappe, die uns nach Österreich ins Burgenland bringen sollte, wo wir auch noch nie waren.
Tagesstrecke 474 km, km 87080
Wieder Aufstehen bei bestem Wetter. Seit vielen Tagen schon transportierte ich das Regenzeug unordentlich in die linke Aufkoffertasche gestopft, und Ulrike, die eigentlich ordentlicher veranlagt ist als ich, sagte: "Wenn das dafür sorgt, dass wir keinen Regen kriegen, dann lass das so!" Und bisher hatte das geholfen, auch wenn ich fürchtete, dass das nicht ewig so weitergehen würde.
Auch heute sind wir wieder zwar recht ereignislos, aber nett durch den Süden von Ungarn gefahren. Diese Gegend würde ich bei entsprechender Gelegenheit durchaus wieder durchqueren wollen. Hinter Zalaegerszeg hat Ulrike noch einen schönen kleinen Schlenker durch den Örszégi Nemzeti Park in unsere Route eingebaut. Vom Navi in die Route eingebaut wurde hingegen kurz vor der Grenze noch eine Abkürzung, die auf teilweise unbefestigter Piste steil den Wald hoch führte und welche somit von Ulrike verweigert wurde.
Aber welche Freude, als wir dann in Österreich waren! Die Straßenbeläge in Ungarn waren zwar bis auf bei dieser kurzen Episode am Schluss stets brauchbar, hier jedoch durften wir wieder exzellenten Asphalt befahren! Da war es denn auch unerheblich, dass auch noch die zulässige Höchstgeschwindigkeit statt 90 km/h jetzt deren 100 betrug. Zum Ausgleich dafür musste nun in den Ortschaften Zurückhaltung geübt werden, denn die Österreichische Polizei steht (zumindest bei Deutschen Motorradfahrern) in dem Ruf, gerne innerorts zu kontrollieren und insbesondere bei Ausländern dann auch kein Auge zuzudrücken.
Unser Nachtquartier nahmen wir im Hotel Geier in Bad Schönau. Das "Bad" im Ortsnamen machte das Zimmer vermutlich noch einmal ein paar Euro teurer, aber egal. Auf alle Fälle haben wir auch hier wieder gut gegessen. Der weitere Plan sah nun vor, morgen in den Bayerischen Wald zu fahren, dort ein paar Tage an einem Ort zu bleiben und auszuspannen.
Tagesstrecke 435 km, km 87515
Heute früh sah der Himmel so aus, als hätte ich gestern mein Regenzeug ordentlich zusammengepackt und als müsse die Strafe in der nächsten halben Stunde folgen. Beim Aufpacken fiel mir auf dem Parkplatz ein leuchtend hellgrüner Kleinwagen auf, dessen Kennzeichen nach der Landkreiskennung die Kombination LADY 7 trug, und fragte einen Mann, der gerade sein Auto belud, ob man für ein solches Kennzeichen in Österreich extra zahlen müsse. Ja, das nenne sich Wunschkennzeichen wie bei uns, sei aber teurer. Und dann kam er aus dem Erzählen gar nicht mehr heraus, selbst lange Moped und Motorrad gefahren, aber die Kinder hätten das für zu gefährlich gehalten etc.
Auf unserer heutigen Route grob Richtung Nordwesten verließen wir recht schnell das schmale Burgenland und gelangten in höhere Gebirgsregionen. Und hinter Reichenau an der Rax kamen wir durch ein schönes enges Tal mit steilen Felswänden auf beiden Seiten. Und besser noch, auf der anderen Seite angekommen, verzogen sich die Wolken, und die Sonne kam heraus! Als wir eine Weile später bei der Gaststätte "Kalte Kuchl" ankamen, war bereits bestes Wetter. Der Parkplatz hier stand voller Motorräder, da haben auch wir einmal kurz angehalten und die Chance zu einem Toiletten- und einem Rundgang genutzt. Hauptsächlich wurden hier nackte zerklüftete Brenneisen wie Triumph Speed Triple, Z 750, Ducati Monster etc. gefahren. Ein paar Harleys und Gold Wings waren auch dabei, aber außer einer alten Bol d'Or nicht auffälliges. Mit meiner großen Reiseenduro war ich ein Exot, und natürlich traf ich auch hier Leute, die meinen Aufkleber mit dem Text "Dies ist keine BMW" gut fanden.
In Ybbs überquerten wir die Donau, die hier zwar schmaler als in Rumänien war und auch nicht so breit wie dort, wo wir sie gestern kurz nach unserer Abfahrt in Ungarn passiert hatten, aber immer noch groß genug. Und hier verlief sie auch wieder in einem schönen recht engen Tal, dem wir bis nach Grein folgten. Hier hatte ich noch einen Schlenker nach Norden eingebaut, weil ich nicht mitten durch die Stadt Linz fahren wollte. Weil ich dazu Strecken ausgesucht hatte, die auf der Karte [1] als landschaftlich schön markiert waren, hatten wir noch eine richtig angenehme Fahrt, bis wir dann langsam an die Grenze nach Bayern kamen.
Da unsere ursprünglich angepeilte Unterkunft, das Hotel zur Post in Büchlberg, wo wir früher schon einmal waren, Betriebsferien hatte, haben wir uns nicht weit davon in Waldkirchen im Michel & Friends Hotel für die nächsten drei Nächte einquartiert. Insbesondere Ulrike wollte ein paar Tage lang ein paar entspannte Touren ohne Gepäck hier in der Umgebung zu machen. Da ich über diese Gegend bereits zwei Mal geschrieben habe, nämlich hier und hier, werde ich mich darüber diesmal wohl kurz fassen können.
Tagesstrecke 393 km, km 87908
Schon wieder blauer Himmel heute. Der Wetterbericht vom Radio im Frühstücksraum sprach von Sommerwetter die nächsten Tage! Wir hatten ein Zimmer mit Balkon, von dem aus man auf den gegenüberliegenden Höhenzug gucken konnte, fast nur Wald. Da setzten wir uns dann erst einmal für eine Weile hin und genossen das Leben, das Universum und den ganzen Rest. Erst als der Zimmerservice klopfte, konnten wir uns aufraffen. Aber Motorradfahren ist ja auch schön, und eigentlich waren wir ja deswegen hier.
Ulrikes Tour für heute führte uns zunächst hinunter nach Obernzell an die Donau. Dann ging es bis Deggendorf am Nordufer längs. Bis Passau war das sehr schön, danach verlief die Straße aber eher selten so, dass man auch einen guten Blick darauf hatte. Nun fuhren wir auf kleinen und größeren Straßen nach Norden und im Uhrzeigersinn um den Großen Arber herum. Im Berggasthof Eck kehrten vorher noch wir ein und gönnten uns einen Eisbecher. Am Großen Arbersee war viel Baustelle und der Rest vom Parkplatz offenbar kostenpflichtig, so sind wir hier dran vorbeigefahren.
Mitten im Wald hielt Ulrike stattdessen auf einem schön schattigen Parkplatz zu einer weiteren Pause. Dieser Parkplatz gehörte zum Tier-Freigelände Lusen, und auf einer Schautafel sahen wir, dass man hier ganz in der Nähe auch einen Braunbären sehen konnte. Da gingen wir doch mal kurz los, den Meister Petz zu besuchen. Ich hatte gesagt, wenn ich ihn vor die Linse bekomme, dann mische ich das unter die Rumänien-Bilder und erzähle dazu Schauergeschichten. Das mit der Linse hat geklappt, ob man mir die Geschichten dazu aber glaubt bzw. ob ich das überhaupt glaubwürdig rüberkriegen würde, wage ich aber doch zu bezweifeln.
Bei unserer Rückkehr fanden wir auch die ganze Wäsche sauber vor, die wir heute früh zum Waschen abgegeben hatten. Das war zwar alles andere als umsonst, aber nun konnten wir damit aufhören, abends nach der Ankunft noch etwas Zeug mit Rei in der Tube im Waschbecken zu waschen.
Tagesstrecke 268 km, km 88176
Wie erwartet hatte sich die Wettervorhersage auch heute wieder bewahrheitet. Und auch heute hatten wir erst eine Weile auf dem Balkon gesessen, bevor wir losgefahren sind.
Die heutige Runde hatte ich als Drei-Länder-Route konzipiert: Zuerst zurück nach Österreich auf fast derselben Strecke, die wir auch hierher gefahren sind, dann ab nach Norden über die Grenze. In Tschechien auf der 163 am Moldaustausee entlang, dann noch einen Kringel über die 167 und 168. Sehr schönes Fahren, weil relativ einsam unterwegs. Die Landschaft auf dieser Seite bot viel mehr Laubwald als in den deutschsprachigen Ländern, und hier bemerkten wir nun auch erste Anzeichen des herannahenden Herbstes. In Stráný hielten wir kurz vor der Rückkehr nach Deutschland bei einem Laden "Potraviny Žák", um einerseits unsere restlichen Kronen in Waren umzutauschen, und weil dort ganz groß ein Eis-Symbol vor der Türe stand. Der Besitzer sprach leidlich Deutsch, hatte ein Diplom zur Eisherstellung aus Italien (hing gerahmt neben der Tür) und bot drei Sorten selbstgemachtes Eis an, das uns nicht nur der Hitze wegen sehr gut schmeckte. Für den Rest unserer fremdländischen Barschaft wechselte noch eine Flasche Stará myslivecká (hat er mir als "tschechischen Cognac" verkauft, war aber in einer grünen Flasche und schien mir deshalb mit Kräutern zu sein, was sich aber zuhause als nicht richtig herausstellte - konnte man gut trinken) den Besitzer.
Beim Abendessen schien gelindes Chaos zu herrschen. Vier Servicekräfte erweckten bei uns nicht den Eindruck, mit sechs Tischen fertig zu werden. Dann kam ein Bus und flutete den Raum mit Rentnern. Wir klarierten die Rechnungen, griffen unsere angefangenen Biere und verzogen uns damit aufs Zimmer, Ulrike war noch so sarkastisch und wünschte unserer Bedienung bei der Verabschiedung "Viel Glück!"
Tagesstrecke 279 km, km 88455
Beim Aufstehen heute dicker Nebel. Und die Moppeds waren patschnass, das muss in der Nacht ordentlich geregnet haben. Übrigens bestreite ich jeden Zusammenhang mit der Tatsache, dass ich gestern noch als Vorbereitung für unsere auf drei Tage ausgelegte Rückreise (Ankunft zuhause Freitag, denn am Wochenende sollte es schlechtes Wetter geben) mein Regenzeug ordentlich zusammengepackt hatte!
Angesichts der Busladung gestern Abend hatten wir uns heute den Wecker etwas früher gestellt in der Hoffnung, dass es damit nicht ganz so voll werde im Frühstücksraum. Diese Hoffnung wurde zwar erfüllt, aber auf andere Weise: Als wir an der Rezeption vorbeigingen, verabschiedete sich gerade der Reiseleiter, die Truppe muss um Punkt Sieben zum Essen Fassen angetreten sein. Na gut, so hatten wir heute mehr Zeit zum Fahren.
Nach einem etwas unbeständigen Anfang mit noch ein paar Tropfen Regen besserte sich das Wetter, und wir fuhren bald über dampfende Hügel Bayerischen Waldes. Die Rückreise sollte nicht auf dem ganz direkten Weg von Statten gehen, da wir ganz bald noch einmal in den Thüringer Wald wollten. Darum habe ich diese Gegend für dieses Mal ausgespart und einen Bogen nach links geschlagen, der uns in die Fränkische Schweiz brachte. Diese Gegend mit ihren schönen von der Straße aus sichtbaren Felstürmen gefällt uns immer wieder sehr gut, und auf der Wiesent möchte ich irgendwann auch noch einmal mit dem Kajak fahren.
Danach kurvten wir eine Weile lang sehr nett durch die Rhön, die uns jetzt deutlich trockener erschien als der Bayerische Wald oder auch die Fränkische Schweiz. In einem Ort mit dem schönen Namen Waldfenster nahmen wir uns schließlich ein Zimmer in der Pension Schmitt. Diese bot uns zwar nichts zu essen am Abend, aber der Ortskern mit dem Gasthaus Krone war nicht weit. Hier bekamen wir original russische Pelmeni (пельмени), denn dieser Dorfkrug wurde von einem russischen Paar betrieben. Und wie sich das für einen Dorfkrug gehört, wussten sie auch sofort, dass wir die beiden Motorradfahrer waren, die im Ort nach einem Zimmer gesucht hatten.
Tagesstrecke 476 km, km 88931
Da die Vorhersage das schlechte Wetter inzwischen vom Wochenende auf Freitag vorverlegt hatte, hatten wir beschlossen, unsere Rückfahrt ebenfalls vorzuverlegen. Somit wurde für heute mal wieder ein früherer Wecker gestellt. Und beim Aufstehen sah der Himmel unverändert gut aus.
Trotz aller Pläne für eine zügige Rückreise ließen wir es uns nicht nehmen, zum Auftakt noch einmal die Wasserkuppe zu besuchen. Hier ganz in der Nähe musste außerdem laut einem Wegweiser die Fuldaquelle sein. Wir sind dem aber nicht gefolgt, sondern haben hinüber zur Werra gewechselt und sind in deren Tal entlanggefahren, dann an der Weser weiter mit Eispause und Blick aufs Wasser in Karlshafen. Hinter Rinteln ging es dann ausnahmsweise doch auf die Autobahn. Prompt durften wir dann auch zwei Stauerlebnisse genießen, eines gleich vor Hannover und das andere, wie sollte es anders sein, vor den Hamburger Elbbrücken. Aber immerhin mussten wir uns ja heute keine Unterkunft suchen, sondern wussten, wo nicht nur ein Zimmer, sondern gleich ein ganzes Apartment garantiert für uns zu haben war.
Tagesstrecke 550 km, km 89481
Reisestrecke ohne die Kringel im Bayerischen Wald 6366 km
Gesamtstrecke 6913 km
Unsere Empfindungen bezüglich dieser Tour sind gemischt, genau wie es Landschaft und Straßenzustand ja auch waren. In den Bergen ist das Land definitiv schön, in den Ebenen leider oft nicht. Dabei schien der Norden, wo wir zuerst waren, deutlich reicher zu sein als der Rest des Landes (soweit wir es gesehen haben). Adriana führte zur Verteidigung ihrer Landsleute an, dass sie, wenn sie arm sind, eben keine Blumen in ihre Gärten pflanzen, sondern Tomaten und Kartoffeln. Das ist ja auch in Ordnung, aber wenn sie dann statt einem Zaun eine Betonmauer davorstellen, macht das eben nicht den besten Eindruck. Und mit einer reinen Straßenmaschine wie der XJ6 von Ulrike sollte man sich halt eher an die größeren Straßen halten, weil diese eher repariert werden als die kleineren.
Auch was das Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer angeht, haben wir ein reichlich breit gefächertes Spektrum erlebt. Es kam manchmal vor, dass Leute in gefährlichen Situationen wie vor uneinsehbaren Kurven überholt haben. Die Geschwindigkeitsbeschränkung auf 50 km/h in Ortschaften wurde in den Dörfern auf dem platten Land generell ignoriert. Und fuhren wir dort zu langsam, also beispielsweise 65, so wurden wir auch innerorts gerne überholt. Dazu setzten auf den großen Überlandrouten auch schon mal die großen LKW an. Auf der anderen Seite haben wir aber auch viele Leute erlebt, die uns freiwillig Platz gemacht haben, wenn sie langsamer waren als wir oder wenn wir wenden oder ähnliche Manöver ausführen wollten. Und ich würde sagen, dass diese letzte Sorte deutlich in der Überzahl war. Aber auf einen anderen Fahrstil muss man sich eben schon einstellen.
Die Menschen selbst haben wir weder freundlicher noch unfreundlicher erlebt als anderswo auch. Allerdings sind wir außerhalb unserer Unterkünfte eigentlich auch nicht wirklich mit Rumänen zusammengekommen. Und dazu kam dann ja auch noch die Sprachbarriere. Im Norden kamen wir zuerst noch mit Englisch durch, nachher nicht mehr. Was sich da dann wirklich gut bewährt hatte war dieser Sprachkurs "für die Reise". In den zwei Tagen hatte ich genug gelernt, um die wichtigsten Dinge abwickeln zu können, nämlich nach einem Zimmer zu fragen, im Restaurant zu bestellen, an der Tankstelle zu bezahlen und Postkarten aufzugeben. Ich glaube, so einen Kurs werde ich bei Gelegenheit für die tschechische und vielleicht polnische Sprache auch mal machen.
[1] Tschechische Republik 1:300.000, Marco Polo, Ostfildern 2016, ISBN 978-3-8297-3846-0
[2] Slowakische Republik 1:200.000, Marco Polo, Ostfildern 2015, ISBN 978-3-8297-4056-2
[3] Ungarn 1:300.000, Marco Polo, Ostfildern 2016, ISBN 978-3-8297-3849-1
[4] Rumänien 1:750.000, Michelin 2018, ISBN 978-2-06-722879-5
Trotz des vergleichsweise großen Maßstabes hat uns diese Karte völlig ausgereicht, da wir sowieso nie vorhatten, ganz kleine Straßen zu befahren.
[5] Nucuţă, Călin, Potinteu, Sabin: Touring Romania, Carpathian 2 Wheels Guide, Cluj Napoca, 2016, ISBN 978-973-0-21363-8
[6] Nucuţă, Călin, Potinteu, Sabin: Die Westkarpaten, Carpathian 2 Wheels Guide, Cluj Napoca, 1. Auflage 2015, ISBN 978-973-0-18738-0
[7] Remus, Joscha: Kulturschock Rumänien, Reise-Know-How Verlag Bielefeld, 3. Auflage 2016, ISBN 978-3-8317-2676-9
[8] Salzer, Jürgen: Rumänisch Wort für Wort, "Kauderwelsch"-Reihe im Reise-Know-How Verlag Bielefeld, 13. Auflage 2014, ISBN 978-3-8317-6428-0
zugehörige Bildergalerie | Inhaltsverzeichnis |