Osteuroparunde 2016

Ursprünglich wollten wir in diesem Jahr ja die Pyrenäen besuchen. Aber dann begannen umfangreiche Streiks in Frankreich mit der Folge, dass es in weiten Teilen des Landes zu Problemen mit der Benzinversorgung kam. Eine Woche vor Abfahrt begann sich die Lage zwar wieder zu entspannen, aber insbesondere Ulrike traute dem Braten nicht, und auch am Tag vor der Abfahrt war der Streik noch nicht grundsätzlich beigelegt. Man hatte dort zwar inzwischen beschlossen, die Aktivitäten auf den Bahn- und Flugverkehr zu verlegen, aber es bestand immer noch die Möglichkeit, dass das auch für uns erneut ungemütlich werden konnte.

Also haben wir uns in den letzten Tagen schnell einen Plan B ausgedacht: Entlang der Ostseeküste nach Masuren, dann südwärts, Karpaten, Hohe Tatra und Slowakien, Balaton in Ungarn, vielleicht noch nach Slowenien gucken, Norditalien und/oder Österreich, schließlich über die Alpen nach Karlsruhe (der dortige Besuch bei der Verwandtschaft auf dem Rückweg war abgesprochen und sollte beibehalten werden). Auf diese Weise wären wir flexibel und konnten, falls uns die Zeit unterwegs wegläuft, vorher abdrehen, oder anderenfalls uns noch eine Weile im Alpenraum aufhalten. Und diese osteuropäischen Länder waren für uns schließlich noch ganz oder beinahe Neuland.

Und es sollte sich zeigen, dass dieser Plan durchaus realistisch war und sich sehr gut einhalten ließ.

Die Route

So, 05.06.2016

Nachdem ich gestern also noch schnell Karten der zu bereisenden Länder gekauft, mich auch sonst ein Bisschen darüber informiert und erste Routen für das Navi geplant hatte, sollte es heute nun tatsächlich losgehen. Aufbruch um 10 nach 10 bei bestem Wetter! Die letzten Tage waren die Nachrichten voll von Berichten über Überschwemmungen in Mittel- und Süddeutschland infolge von starken Regenfällen, und auch in Paris war die Seine über die Ufer getreten. Das hatte bei der Entscheidung über das Reiseziel zwar keine Rolle gespielt, bestärkte uns jetzt aber in der Meinung, alles richtig gemacht zu haben.

Zu Anfang ging es noch über eine kleine Auswahl aus unseren Hamburger Hausstrecken: Hinter Geesthacht unterhalb von Pumpspeicher- und Kernkraftwerk mit schönen Ausblicken auf die Elbe, hinter Boizenburg dann auf der B195, die nicht nur bei den Motorradfahrern allgemein wegen ihrer Kurven, sondern bei mir im Besonderen auch wegen der schönen Kiefernwälder hinter Neuhaus sehr beliebt ist. In Dömitz gab es die erste Pause am Hafen. Hier ist auch ein kleiner Bikertreff, und wir schnackten kurz mit einem XJR-Fahrer, der aufgeschnappt hatte, dass wir nach Polen fuhren und der in 4 Wochen auch in die Richtung wollte.

Danach war es dann vorbei mit dem Hausstrecken-Feeling, die Route blieb weiterhin schön. Zunächst befuhren wir einige schöne alte Alleen. Vor dem Nationalpark Müritz fielen mir mehrere Felder auf, die mit einer Mischung aus roten Mohn- und blauen Kornblumen bestanden waren, und diese Farbmischung - grün mit roten Flecken und einem leichten blauen Schleier -gefiel mir außerordentlich. In Mirow kamen Erinnerungen auf an die 90er Jahre, als wir dort oft zu Pfingsten oder Himmelfahrt hingefahren sind zum Kajakfahren und Fischessen bei der Räucherei mit Anlegesteg, die wir heute von der Straßenbrücke aus wiedersahen.

Die Strecke danach nach Neustrelitz war auch sehr schön durch viel Wald, durch den man hier und da das eine oder andere Gewässer der Mecklenburger Seenplatte schimmern sehen konnte. Danach wurde die Landschaft wieder etwas offener, und die kopfsteingepflasterten Ortsdurchfahrten mehrten sich, und dann kam die Grenze nach Polen. Die war im Prinzip unspektakulär, keine Kontrollen, und dahinter die übliche Ansammlung von Verkaufsstellen von allem, was im Nachbarland teurer war. Aufgefallen ist mir allerdings, dass neben Zigaretten und Baumaterial auch Friseur- und Optikerdienstleistungen angeboten wurden. Dann dauerte es auch gar nicht mehr lange, und wir waren in Szczecin.

Hier hatte ich gestern noch schnell ein Zimmer im Hotel Campanile in Stadtzentrum reserviert, bei der Routenplanung dessen Standort jedoch nur ungenau angegeben. Deshalb fuhr Ulrike, die heute dran war mit Vorwegfahren, um 20 Meter daran vorbei. Da hier auf dem Bürgersteig die Blumenkübel auch für uns zu dicht standen, fuhren wir weiter und wollten bei nächster Gelegenheit wenden. Jedoch dachte Ulrike dabei an Linksabbiegen, und das konnte man auf den nächsten 15 km nicht. So kam es, dass wir noch eine ganz schön lange Runde hintendranhängten, bevor wir unsere Maschinen in der Tiefgarage des Hotels (kostete 35 PLN extra) abstellen konnten.

Die Kathedrale St. Jacob in Szczecin Nach dem Einchecken ging es natürlich schnell noch zu Fuß los, dafür hatte ich dieses Hotel schließlich ausgewählt und dabei offenbar ein glückliches Händchen gehabt. Denn die Kathedrale St. Jacob war direkt auf der anderen Straßenseite. Allerdings sollte die Besichtigung Eintritt kosten, und Ulrike steht bekanntlich auf dem Standpunkt, sie zahle genug Kirchensteuer, und in ihre Kirche dürfe schließlich auch jeder hineinkommen. Im Schloss der Herzöge von Pommern, auch gar nicht weit entfernt, durfte man den Hof ohne jeden Obolus betreten. An den Wänden verteilt gab es etliche Verkaufsstände mit regionalem Kunsthandwerk. Die bunt bemalten Tongefäße haben mir sogar ganz gut gefallen, aber so etwas transportiert sich nicht gut im Motorradkoffer, und schon gar nicht kauft man so etwas schon am allerersten Tag. Mitten im Hof war eine Bühne aufgebaut, laut Plakat sollte es um Ukrainische Musik gehen, und neben der Bühne spielte eine Gruppe, die aber auch aus lokalen Musikern bestanden haben mag, wir konnten das in keinster Weise beurteilen.

Die übrige Altstadt bot nicht sehr viel besonderes, abgesehen von dem alten Rathaus (einem ziemlich schiefen alten Backsteinbau mit einem netten gusseisernen Brunnen davor) und dem Platz direkt daneben mit schön herausgeputzten Häusern und einer Reihe Restaurants, wo wir draußen sitzend ein gutes Abendessen zu einem günstigen Preis bekommen konnten.

Tagesstrecke 423 km, km 51582 (los bei km 51159)

Mo, 06.06.2016

Auffällig am Frühstücksbüffet war eine große Auswahl an verschiedenen Sorten Brot, in Scheiben geschnitten, und die üblichen Brötchen gab es auch noch. Etwas ärgerlich für Ulrike war der Umstand, dass die Kaffeemaschine gerade jetzt einer umfangreichen Reinigung unterzogen wurde, welche die ganze Zeit über andauerte, aber irgendwann wurde dann doch noch Kaffee in Kannen bereitgestellt.

Heute hatte ich das Vergnügen, genau umgekehrt zu gestern die Route vorwegfahren zu dürfen, die Ulrike zuvor geplant hatte. Das ging im erweiterten Stadtgebiet los mit einer Reihe von vielspurigen Schnellstraßen, die sehr verwirrend mal grüne, mal blaue Hinweisschilder aufwiesen. Ich konnte nur hoffen, dass unser Navi da keinen Fehler gemacht hatte, es war auf "Autobahn vermeiden" eingestellt, denn die sind in Polen mautpflichtig, und Vignetten hatten wir natürlich keine. Auf einem Parkplatz hielt ich an, um das anhand der Karte zu überprüfen, und es schien sich tatsächlich überall um "normale" Landstraßen gehandelt zu haben.

Unmittelbar danach gab es dann das nächste Problem. Auf dem Display von dem Gerät konnte ich sehr schön sehen, was es zusammen mit der häuslichen Routenplanersoftware schönes für uns ausgeheckt hatte: "Nehmt hier die Ausfahrt, fahrt unter der Brücke durch auf die andere Seite, holt dort drüben auf dem Feldweg einen Wegpunkt ab, fahrt unter der anderen Brücke wieder zurück, die gleiche Abfahrt wieder hinauf und weiter!" Das tat ich natürlich nicht, sondern hielt vielmehr wieder an einem Parkplatz, denn dieser Wegpunkt musste ja dann immer noch "abgeholt", also gelöscht werden. Dabei prüfte ich dann noch gleich den weiteren Verlauf und fand eine Masse weiterer Stellen, das Ganze war eigentlich fast unbrauchbar. Der Teil, den wir heute noch fahren würden, ließ sich noch bereinigen, und er wurde ergänzt durch eine Straße, die auf der Karte als landschaftlich reizvoll gekennzeichnet war.

Die Kathedrale St. Jacob in Szczecin Und mit der Landschaft war es hier eigentlich schon jetzt gar nicht schlecht. Zwar verlief die Straße, die sich bald wieder zu einer normalen Landstraße gewandelt hatte, auf weiten Strecken schnurgeradeaus, aber es ging öfters mal durch Wald, gab auch sonst viele Bäume und nicht zu häufig Ortschaften, ich hatte schon langweiligere Landstriche gesehen. Positiv auffallend war auch, dass man sich hier anscheinend einige Mühe gab, auch den öffentlichen Raum neben der Straße zu pflegen. Immer wieder sahen wir Arbeiter, die mit Rasentrimmern bis hin zu schwerem Gerät die Grasflächen neben Straßen und Wegen mähten. Bei uns zuhause hingegen hat sich die Freie und Hansestadt Hamburg nämlich völlig von diesem Gedanken verabschiedet. Auf dem meterbreiten Grasstreifen zwischen Fahrbahn und Fußweg vor unserem Haus wuchert das Kraut kniehoch, auf dem Dreieck vorne an der nächsten Straße ebenso, und an der Schule um die Ecke wachsen die Büsche in den Gehweg. Vor unserem Haus bin ich schon selber mit dem Rasentrimmer beigegangen, aber bis zum Dreieck reicht meine Kabeltrommel nicht mehr.

In Słupsk bogen wir dann ab auf die vorhin frisch ausgewählte Strecke, und die war richtig schön. Obwohl die Straße eine Nummer trug (213), war sie recht schmal, hatte keinen Mittelstreifen auf der Fahrbahn. Und dann führte sie entweder durch Wälder oder als Allee mit alten Bäumen leicht gewellte grüne Gegend und hatte auch hin und wieder mal Kurven zu bieten. Manchmal kamen kleine Dörfer, die nicht allzu verfallen und verlassen aussahen, in denen aber einige bewohnte Storchennester zu sehen waren - genau so hatte ich mir Polen vorgestellt!

Abendstimmung an der Mierzeja Helska Hinter Wicko wurde die Straße dann wieder etwas größer. So langsam wurde es auch Zeit, eine Unterkunft zu suchen. Aber das schien eine machbare Aufgabe zu sein, denn die Mierzeja Helska, eine weit in die Ostsee hineinragende Landzunge und unser nächstes Ziel, war offenbar eine Badegegend. In Wladyslawowo sahen wir eine ganze Reihe Hotels von offenbar eher gehobener Klasse, es folgten ein paar Kilometer mit Campingplätzen wie Perlen auf der Schnur, dann fanden wir in Chalupy im Hotel 77 ein schönes Zimmer für die Nacht zusammen mit einem abgeschlossenen Parkplatz für die Motorräder.

Vor dem Abendessen hackte ich noch die weitere Route zu den Masurischen Seen neu in das Navi, auch wenn das bedeuten würde, dass ich auch morgen wieder vorwegfahren müsste. Und nach dem Abendessen beim Spaziergang zeigte sich, dass diese Landzunge hier ganz schön schmal war. Wir standen am Ufer, guckten über das spiegelglatte Wasser zum Festland hinüber und hörten auf der anderen Seite die Brandung rauschen. Natürlich gingen wir dann auch noch einmal kurz dort hinüber, und das war gar nicht weit.

Tagesstrecke 445 km, km 51937

Di, 07.06.2016

Heute früh war wieder Kaiserwetter! Beim Bezahlen des Zimmers rief Ulrike mich dazu, denn sie wollten 340 PLN haben und nicht, wie ich gestern zu verstanden haben meinte, 240 (und die Verhandlung fand in englischer Sprache statt). Da sich der heute genannte Preis jedoch auch auf ihren gedruckten Listen wiederfand, haben wir ihn denn auch bezahlt. Trotzdem will ich nicht völlig ausschließen, dass sie mir gestern die niedrigere Summe genannt hatte in der Annahme, ich hätte sonst abgelehnt und weitergesucht (berechtigt, denn in Szczecin hatten wir 215 PLN bezahlt). Als Konsequenz beschlossen wir, zukünftig unsere Unterkünfte möglichst sofort zu bezahlen, auch wenn uns das natürlich immer noch nicht zuverlässig vor Nachforderungen am nächsten Morgen schützen würde. Die ganze restliche Reise ist uns so etwas dann auch nicht wieder passiert, allerdings war dies hier auch mit Abstand die teuerste Unterkunft in ganz Polen. Fortan sprach Ulrike von dieser Ecke stets als dem "Sylt Polens".

Nach der Abreise fuhren wir zuerst noch die Landzunge weiter bis ans Ende, dem Ort Hel. Die Fahrt war wirklich lohnend, die letzten 10 Kilometer ging es superschön durch Kiefernwald, der Ort hingegen supertouristisch ohne die Möglichkeit, die Fahrzeuge außerhalb von kostenpflichtigen Parkplätzen irgendwo stehen zu lassen. Aber die Rückfahrt war dann natürlich wieder genauso schön wie die Hinfahrt.

Vorbei an Gdynia und Gdansk ging es wieder auf autobahnähnlich ausgebauten Schnellstraßen. Der weitere Verlauf der Straße Nr. 7 blieb unerfreulich, denn man war dabei, die Schnellstraße fortzuführen, was für uns Baustellen fast ohne Ende bedeutete, gefüllt mit vielen LKW. Schon gestern sind wir hinter einem Sattelschlepper hergezockelt, der zwar polnische Nummernschilder hatte, aber eine niederländische Firmenadresse und die Aufschrift: "Transporte unter Gefriertemperatur durch Europa". Vermutlich von einem Ende bis zum anderen, schönen Dank auch.

Schöne Holzkirche, zufällig unterwegs entdeckt Hinter Elblag bogen wir ab auf eine Nebenstrecke, auf unserer Karte [1] nur noch gelb eingezeichnet, und schlagartig war die Welt wieder in Ordnung. Die LKW waren weg (die Baustellen schon seit einer Weile vorher), und man konnte wieder frei und leicht kurvig durch nette Landschaften fahren, auf die man zuvor einfach nicht hat achten können bei dem ganzen Trubel. Es gab wieder Dörfer mit Storchennestern. In einem Ort habe ich bei sieben Stück aufgehört zu zählen, Ulrike sprach später von zehn. Und in Godkowo fiel mir eine Kirche aus Holzschindeln auf, rechtzeitig genug, um davor anhalten zu können für eine kleine Pause. Laut russischer Inschrift (die Ulrike im Gegensatz zu der polnischen entziffern konnte) gehörte sie einer griechisch-katholischen Gemeinde und schien noch recht neu zu sein. Früher könnte hier auch mal eine evangelische Kirche gestanden haben, es gab nämlich auch noch eine Gedenktafel in polnischer und deutscher Sprache, die auf hier begrabene Menschen evangelischen Glaubens hinwies.

Auf unangenehmen Straßen durch angenehme Landschaft Weiter ging es in äußerst angenehmer Weise, und ich fing schon an, mir vorzunehmen, die weitere Streckenplanung noch einmal daraufhin zu überprüfen, ob man nicht die großen roten Straßen komplett vermeiden kann zugunsten genau solcher schönen Abschnitte wie hier. Doch schon bald, nämlich hinter Orneta, merkten wir, dass der Grat der angenehmen Routen hier möglicherweise nur recht schmal war. Denn nun wurden wir auf einen Abschnitt gelotst, der auf der Karte nicht mehr gelb, sondern nur weiß eingezeichnet war, und der Spaß hörte auf. Die Straße wurde schmal (das war kein Problem bei quasi nicht vorhandenem Verkehr), sie bleib asphaltiert und der Belag war auch meist nicht direkt kaputt, aber doch unglaublich uneben. Schneller als 45 km/h mochte ich bei dem Gehoppel nicht fahren, und das gerne in den Fußrasten stehend, da bin ich auf richtig unbefestigten Stücken schon angenehmer unterwegs gewesen. Und das ging so über viele Kilometer und etliche Abbiegepunkte hinweg, so dass man meinen musste, das wäre so üblich hier in der Gegend. So zog ich dann irgendwann die Notbremse und führte unsere Route auf kürzestem Weg hinüber zur 512, und von da an kamen wir dann auch wieder annehmbar vorwärts.

In Kętrzyn sollte es dann genug sein für heute, und per Navi fand sich hier recht schnell das Hotel Agros, wo wir zu annehmbarem Kurs Zimmer und Abendessen bekamen.

Tagesstrecke 366 km, km 52303

Mi, 08.06.2016

Auch heute fanden wir beim Aufstehen kaum ein Wölkchen am Himmel vor, es versprach, wieder ein richtig heißer Tag zu werden. Der Tag unserer Abfahrt zuhause war genauso, fast schon zu warm. Die anderen beiden Tage dazwischen blieb es etwas kühler und somit rundum angenehm. Aber wir wollen ja nicht meckern.

Dieses Hotel hier schien sich von seiner Zielgruppe her auf Geschäftsreisende ausgerichtet zu haben, Frühstück gab es zwischen 700 und 900 Uhr, und so waren wir kurz nach halb zehn schon wieder unterwegs. Zuerst weiter auf der 592 bis kurz vor Gizycko, dort wurde getankt und abgebogen nach Süden auf die 643, unten auf die 16 nach Orzysz, dort auf der 63 wieder hoch und somit fast einmal um den Niegocyn-See herum.

In Miłki sahen wir das Schild von einem Agriturystyka, und da wir gerne auch einmal eine Runde auf den Masurischen Seen mit dem Kajak fahren wollten, hielten wir an und fragten, ob das hier möglich ist. Die Wirtin sprach zwar nur ein sehr holperiges Englisch, bejahte aber meine Frage, und so mieteten wir uns für zwei Nächte hier ein. Für 100 PLN pro Nacht (+ 20 PLN pro Person für Frühstück) bekamen wir eine kleine urige Dachkammer, wenn auch mit den falschen Fenstern (vor 15 Jahren habe ich mal für Velux gearbeitet, und wir wurden damals konfrontiert mit einer Kopie aus Polen, die zwar billiger war, aber auch qualitativ nicht mithalten konnte). Also wurde ausgepackt und umgeplant.

Denn um wie ursprünglich gedacht weiterzufahren Richtung Suwalki, dann aber wieder hierher zurückzukommen, reichte die Zeit heute nicht mehr. Aber eine Runde um die Puszcza Piska war allemal noch drin. Deren deutsche Bezeichnung "Johannisburger Heide" schien uns übrigens sehr irreführend. Denn insbesondere das erste Stück von Pisz nach Jablon und darüber hinaus führte ausnahmslos durch (sehr schönen) Wald, später kamen dann landwirtschaftlich genutzte Flächen, aber echte Heide haben wir nirgends gesehen. Ab Rozogi auf der 59 und 58 kam wieder dichter Tann, insgesamt war das eine äußerst lohnende Runde.

Das Schild spricht für sich selbst, wenn auch nicht ganz klar ist, in welcher Sprache Irgendwo dort machten wir Halt bei einem Imbiss, dessen großes Werbeschild uns "Bratfish" versprach. Der Mann hinter dem Tresen nickte auf meine Frage, ob er Deutsch spräche, sprach dann zwar nur Polnisch mit uns, verstand aber immerhin unsere Bestellung und malte die Zahlen auf ein Stück Papier. Und so konnten wir gemütlich unter einem Sonnenschirm an einem Seeufer sitzen, unsere Pause und eine ordentliche Portion Pannfisch genießen.

Auf dem Rückweg wurde in Orzysz noch etwas eingekauft, denn heute Abend würde es ja kein Restaurant geben. In dem Lebensmittelgeschäft standen die Alkoholika (mit Ausnahme des Bieres) allesamt auf einem Regal hinter der Fleisch-, Wurst- und Käsetheke, und der Rotwein, den ich mir geben ließ, stammte aus Kalifornien.

In der letzten Stunde hatte der Himmel angefangen, sich zuzuziehen, und vorhin meinte ich doch auch schon, einen Blitz durch die Bäume des Waldes zu sehen. Da war es vielleicht ganz gut, heute zeitig wieder bei unserer Unterkunft anzukommen. Und auf den letzten zwei Kilometern trafen uns tatsächlich auch ein paar Regentropfen. Aber das war erst einmal nichts Ernstes. Nach der Ankunft setzte ich mich an einen Tisch unter das Vordach, schrieb Reisetagebuch und kraulte die Hofkatze, und der Himmel wechselte stets von aufgeheitert zu etwas dunkleren Wolken und zurück, mal fielen ein paar vereinzelte Tropfen, aber es blieb erträglich.

Tagesstrecke 285 km, km 52588

Do, 09.06.2016

Diese leichten atmosphärischen Störungen müssen spätestens in der Nacht über uns hinweggezogen sein, denn der Morgen begrüßte uns wieder mit schönstem Sonnenschein. Allenfalls ein paar Flockenwolken gab es hier und da, und es ging ein durchaus frisches Lüftchen.

Was unsere für heute geplante Kajaktour anging, so stellte sich nach dem Frühstück heraus, dass der See, der hier gleich hinter dem Hof begann, nicht sehr groß war und keine Verbindung zu anderen Gewässern hatte. Aber unsere Wirtin empfahl uns, ein paar Kilometer weiter nach Marcinowa Wola zu fahren, beim Pensjonat Teresa gäbe es auch Boote zu mieten, und von dort aus könne man ganz weit fahren. Also sattelten wir die Motorräder, fuhren da hin, zogen uns vor Ort um und packten die Moppedklamotten in die leeren Koffer.

Das Zweierkajak, das wir für 10 PLN pro Stunde bzw. 40 PLN pro Tag bekamen, war allerdings keine Schönheit und bot auch keinerlei Komfort. Immerhin hatte es ein Fußsteuer, dieses jedoch krumm wie eine Banane, damit hatte jemand wohl mal übel aufgesetzt. Und die Beinlänge war nicht verstellbar auf eine Person in Zwischengröße ausgerichtet, entweder Ulrike setzte sich nach hinten und konnte die Steuerpedale nur mit ganz ausgestreckten Beinen bedienen, oder ich tat es mit den Knien in beinahe luftiger Höhe, da störten sie mich aber beim Paddeln. Wir probierten beides, und eigentlich war es egal. Bei den Paddeln setzte sich die Einfachheit fort, konsequenter Schwerbau in Holz, vor vierzig Jahren wohl mal lackiert gewesen, aber immerhin mit Tropfringen ausgestattet. Und bei den ersten Schlägen merkten wir, dass die Blätter nicht gedreht, sondern gerade waren, da mussten wir uns erstmal umgewöhnen.

Aber wir hatten nun ein Boot unter uns, prima Wetter über uns und ein genügend großes Revier vor uns, und wir stellten fest, dass wir auch mit suboptimalem Material gegen den Wind ganz brauchbar vorankamen. Gegen den Wind, das hieß nach Norden. Wir fuhren bis zum Ende dieses Sees, dann mussten wir die Durchfahrt im Schilf einen Moment lang suchen. Dort hatten wir dann leichte Strömung mit uns, würden uns also bei der Rückfahrt etwas mehr anstrengen müssen. In dem glasklaren Wasser sahen wir viele kleine Fische flitzen, während uns in der Luft etliche dicke Libellen umschwärmten.

Im Kajak auf den masurischen Seen Der nächste See war wie der erste - umgeben von leichten Hügeln, die Ufer meistens baumbestanden. Hier waren wir allerdings nicht mehr ganz alleine unterwegs. Von einem Anleger links kam eine richtige Segeljacht, ein Boot von der Größe, wo man drauf schlafen und drinnen zu viert an einem Tisch sitzen kann. Sie setzten ein Stell roter Segel mit aufgedrucktem Langnese-Logo und kreuzten mit uns gegen den Wind. Mit der Zeit holten wir etwas auf und konnten erkennen, dass tatsächlich vier Menschen im Cockpit saßen und das Schiff sehr modern war.

Am nördlichen Ende des Sees fanden wir dann den zugehörigen Jachthafen (Kleszczewo), wo noch mehr solche Schiffe lagen. Auch wir fanden hier eine Stelle zum Aussteigen und beschlossen, dass es Zeit für eine Pause, wenn nicht gar zur Umkehr sei. Denn die schweren Paddel und die unbequeme Sitzposition machten uns mit der Zeit doch etwas zu schaffen. Und ich stellte fest, dass ich in der Beuge zwischen Daumen und Zeigefinger eine Blase bekommen hatte, und zwar genau neben der Stelle, wo sich von meinem eigenen Paddel längst eine Schwiele gebildet hat. Das kam vermutlich vom anderen Schaftdurchmesser oder der fehlenden Drehung oder auch von beidem. Also wurde eine Packung Kekse ausgepackt und eine lange Rast eingelegt.

Auf der Rückfahrt hatten wir dann zunächst den Wind mit uns, was sehr angenehm war, konnten wir es doch jetzt ruhig angehen lassen. In der Durchfahrt zwischen den Seen hatten wir dann jedoch die Strömung gegen uns, was nicht mehr sehr angenehm war. Stellenweise wurde es auch recht eng, da störten uns die Steine am Ufer oft beim Paddeln. Andererseits konnte man sich an denen teilweise auch sehr effektiv mit dem Paddel abdrücken, aber letztendlich wäre ein breiterer Kanal doch problemloser zu meistern gewesen. Zum Ausgleich haben wir auf dem anderen See dann für eine Weile lang die Paddel senkrecht in die Luft gestellt zum "Segeln" und sind auch damit noch spürbar vorwärts gekommen. Schließlich haben wir den Rest dann doch wieder mit Muskelkraft bewältigt und waren gegen 1500 Uhr zurück am Ausgangspunkt. Und trotz meinem Geschimpfe über das Material hatte uns die Tour Spaß gemacht, und wir würden das so auch noch einmal machen. Landschaftlich war das vergleichbar mit einer Fahrt auf den Mecklenburgischen Seen, nur einsamer und möglicherweise auch etwas hügeliger.

Im Pensionat hatte das Restaurant geöffnet, man sprach gutes Deutsch, und da es heute Abend ja nichts Richtiges zu Essen geben würde, haben wir hier gut gespeist (Zander mit Klößen und Salat in einer Rosinen-Sahnesauce, sehr lecker!), bevor wir wieder nach Miłki gefahren sind und den Rest des Tages mehr oder weniger mit Faulenzen verbracht haben.

Tagesstrecke 9 km (mit dem Kajak), 13 km (mit dem Motorrad), km 52601

Fr, 10.06.2016

War der Himmel beim Aufstehen noch nur von einem leichten Schleier überzogen, verdichtete sich das während des Frühstücks, und beim Aufbruch war die Sonne schon nicht mehr zu sehen. Die Wettervorhersage gestern hatte uns für hier und heute auch schon ein Symbol mit einem Regentropfen präsentiert. Trotzdem hielten wir an unserem Plan fest, zuerst noch einen Kringel in der äußersten nordöstlichen Ecke Polens zu drehen, bevor es dann nach Süden Richtung Karpaten gehen sollte.

Unbefestigtes Wegstück Irgendwo unterwegs war die 665 kurzfristig gesperrt worden, voraus sah man Blaulichter blinken, und ein Feuerwehrmann erklärte mir (auf Englisch), ich müsse hier jetzt links abbiegen, gleich danach wieder rechts, offroad etwa einen Kilometer, dann käme ich wieder auf die Route. Aber erstens traute ich der Kilometerangabe nicht so ganz, und zweites sah das "offroad" so aus, als ginge es tatsächlich quer über den Acker, und das wollte ich Ulrike nicht zumuten. Also fuhr ich weiter in das nächste Dorf und bog da rechts ab, wo ein anderer Ort ausgeschildert war. Ja, Fleitjenpiepen, diese Straße war zwei Biegungen später auch unbefestigt, dafür aber mindestens 3 Kilometer lang! Immerhin war das hier anständiger Schotter und schlängelte sich schön die Hügel hinauf und hinunter. Ich fand das, auch wenn ich hier auch nicht schneller vorankam, doch angenehmer zu fahren als das Gehoppel von neulich, und Ulrike teilte im Nachhinein diese meine Meinung.

Im Verlauf der 65 zwischen Olecko und Gołdap wurde getankt und bei der Gelegenheit auch gleich das Regenzeug angezogen. Die weitere Fahrt war nun nicht mehr so fröhlich, was alleine der Farbe des Himmels zuzuschreiben war, die Natur blieb weiterhin herrlich grün. Und auch die Kurven, wovon es im ganzen Masurenland hinreichend gab, wollten nicht mehr ganz so genossen werden bei der jetzt nassen Fahrbahn.

Holzhäuser in verschiedensten Pflegezuständen gab es in ganz Polen Zwischendurch wurde es auch wieder trocken, wir kreuzten gerade die Fernverkehrsstraße Nr. 8. Vorhin waren wir ein Stück lang ganz dicht an der Grenze nach Russland entlanggefahren, hier war nun Vilnius ausgeschildert, nach links waren es keine 10 km mehr bis nach Litauen. Auffällig war schon, dass es hier hinten jetzt öfters mal Häuser gab, die ganz aus Holz gebaut waren, teilweise reichlich verfallen und verwahrlost, teilweise in prima gepflegtem Zustand. Und an der Straße nach Krasnopol, auf die unser Navi uns lotste und die auf der Karte gar nicht verzeichnet war, stand ein Schild, dem man entnehmen konnte, dass sie von EU-Mitteln gebaut oder zumindest erneuert worden war. Auch die Puszcza Augustowska war übrigens voller Wald, an einer Stelle wurde sogar vor Elchen gewarnt, und im letzten Drittel kam auch wieder Wasser von oben.

Da zog ein echtes Unwetter auf Das hörte zwar am Ortsende von Augustow wieder auf, und es kam sogar die Sonne heraus, dafür wurde die Verkehrssituation jetzt unerfreulich. Denn nun waren wir auf einer kleinen, auf unserer Karte jedoch rot klassifizierten Fernverkehrsstraße (der 67, die ging irgendwie auch Richtung Warszawa), und hier waren LKW am laufenden Band unterwegs. Zudem sah ich kurz vor Grajewo von rechts weiteres Unheil in Form einer grandios aussehenden Unwetterfront nahen. Die Regensachen hatten wir zwar noch an, aber es blitzte und donnerte, bald konnte ich das Gerumpel auch während der Fahrt vernehmen. Also hielt ich beim nächsten Buswartehäuschen, und wir ließen die Schüttung über uns hinwegziehen. Immerhin wurden dabei die Moppeds gewaschen. Dies zumindest im Rahmen des Möglichen, Ulrikes rechter Koffer beispielsweise hing schützend über dem hinteren Teil des Auspuffs, und den Unterschied sah man dann auch ganz deutlich.

Was man mit etwas Farbe doch aus schlichten Fassaden alles machen kann In der Zwischenzeit war es spät geworden, und wir bogen ab von der Route und fuhren nach Ełk, wo uns das Navi das nächstgelegene Hotel anzeigte. Das war zwar schon voll, aber gleich daneben im Faust fanden wir ein schönes Zimmer mit Blick auf den See für 200 PLN incl. Frühstück. Beim obligatorischen Gang durch den Ort besuchten wir als erstes die Kirche, die passenderweise wieder direkt gegenüberlag. Hier war sie offen, umsonst zu betreten und schön eingerichtet, und uns fiel auf, dass hier im Gegensatz zu Madeira und Lissabon nicht Maria, sondern wie von zuhause gewohnt Jesus im Vordergrund stand. In Portugal hatte der anscheinend maximal einen Platz irgendwo auf der Seite bekommen, wenn überhaupt.

Während der anschließenden Suche nach einem Abendessen stellten wir zwar fest, dass die Restaurants hier alle die Speisekarten exklusiv in polnischer Sprache anboten, aber wir behalfen uns mit Pizza, und das Bierchen dazu konnten wir auch auf Englisch bestellen. Danach schrieb ich noch diesen Text hier und nutzte das in jeder unser bisherigen Unterkünfte kostenlos angebotene WiFi, um ein paar Dinge nachzuschlagen. Dabei klärte sich ein Umstand auf, der bisher bei mir schon für einiges Befremden gesorgt hatte. Denn an schon öfters sind mir Warnschilder "Doppelkurve" aufgefallen an einer Stelle, von der man auf einen Straßenabschnitt kam, der lange geradeaus ging, und ich wollte schon irgendwann einmal anhalten und ein Foto dieser Kuriosität machen. Aber nun sah ich: Das Wort, das oft unter vielen verschiedenen Schildern stand und das ich immer ignoriert hatte, weil ich es nicht verstand, bedeutete "Ende".

Tagesstrecke 323 km, km 52924

Sa, 11.06.2016

Gebetsstätte groß Angesichts des starken LKW-Aufkommens gestern hatten wir entschieden, unsere ursprünglich geplante Route zu verwerfen und diesmal darauf zu achten, nicht mehr auf die ganz großen Überlandstraßen zu geraten. Wegen der somit jetzt fälligen Neuplanung kamen wir heute erst spät los, nämlich um 1030 Uhr. Dies bei wolkigem Himmel, der stellenweise blaue Flecken zeigte. Das klarte im Laufe des Tages spürbar auf, sehr windig blieb es jedoch die ganze Zeit über. Und einmal trafen uns tatsächlich noch einige Regentropfen. Wir jedoch befanden, das müsse ein Irrtum sein, und fuhren einfach weiter. Zwar hörten wir das oben gemurmelte "Pardon, stimmt natürlich" nicht, aber unmittelbar danach hörte es wieder auf.

Landschaftlich blieb es schön, wenn auch die Straßen bald weniger kurvig und die Gegend flacher wurde. Aber die Farbe Grün überwog bei weitem, relativ selten kamen wir durch meist etwas abgelegen aussehende Ortschaften. Immer noch gab es überall bewohnte Storchennester, und wir sahen auch hier viele Häuser aus Holz. Charakteristisch für in altem Stil gebaute Holzhäuser schien zu sein, dass die Giebel gerne annähernd diagonal getäfelt waren, also mit Brettern rechtwinklig zur Dachkante, in der Mitte aber, insbesondere wenn dort ein Fenster oder eine Luke war, verliefen die Planken dann meist wieder waage- oder senkrecht.

Unterwegs in Mittelpolen Mit der Nr. 19 gelangten wir dann doch wieder auf eine kleine rote Route. Mit dieser wollten wir unser Glück wieder einmal probieren, da sie in Nord-Süd-Richtung verläuft und am heutigen Sonnabend hoffentlich nicht ganz so viel Schwerverkehr unterwegs sein würde. Und dieses Kalkül bewahrheitete sich dann auch weitestgehend. Auf dieser Straße überquerten wir bald den Bug, und ein Seitenblick von der Brücke offenbarte einen großen, naturbelassen aussehenden Fluss. Ich konnte mehrere Inseln sehen, das schien auf den ersten Blick ein geeignetes Gewässer für eine mehrtägige Gepäckfahrt mit dem Kajak zu sein, mit wildem Camping, Lagerfeuer und allem, was so dazugehört.

In Lublin war es dann an der Zeit, den Tag abzuschließen, denn danach würden wieder abgelegenere Regionen kommen. Am Ortsanfang guckte Ulrike, die heute wieder vorwegfuhr, in das Navi und fand 12 Hotels auf der Route. An einem fuhr sie vorbei, weil sie es zu spät gesehen hatte und gedacht hatte, es kommen ja noch elf. Das nächste sah ihr zu schrapelig aus, und die anderen sind uns entgangen. Aber es gibt ja noch eine Masse Hotels, die das Gerät nicht kennt, so zum Beispiel am Ortsausgang das Przysań, wo wir für 180 PLN ein Zimmer bekommen konnten. Allerdings war im Haus eine Hochzeitsgesellschaft mit 80 superschnieke gekleideten Gästen. Wir mussten unser Abendessen in einem leeren Saal an einem einzeln und verloren dastehenden Tisch einnehmen. Und während wir das taten, spielte drüben die Musik - offenbar eine Sängerin am Mikro zu Playback - den Song "One way ticket to the blues", was ich nun wirklich nicht für eine gelungene Titelwahl bei einer Hochzeit halten würde. Oder war dies das Lied für den anderen, der sich auch in die Braut verliebt, sie ihn jedoch verschmäht hatte?

Tagesstrecke 367 km, km 53291

So, 12.06.2016

Freundlicher Himmel mit ein paar weißen Wolken und vielen leichten Schleiern. Der Wind hat stark nachgelassen, nur in wenigen Momenten wurden wir heute noch spürbar zur Seite gedrückt.

Südlich von Lublin ging es wieder auf gelben Straßen weiter. Storchennester gab es weiterhin, wenn auch weniger als im Norden. Gleiches galt für die Holzhäuser, und hier waren sie auch nicht mehr in dem gleichen Stil gebaut wie gestern beschrieben (hier im Süden scheint es eher üblich zu sein, die Giebelbretter vom Mittelpunkt der Hypotenuse aus strahlenförmig ausgehen zu lassen). Dafür fielen uns öfters mal Häuser auf, wo offenbar während der Bauzeit das Geld ausgegangen ist und die dann nicht mehr fertiggestellt wurden. Und es gab auch solche, die anscheinend bewohnt waren (angelegter Garten, Auto daneben, Gardinen in den Fenstern), die aber nicht verputzt waren und die keine Balkongeländer hatten. Aber von den Proportionen her gefielen mir sehr viele, egal in welchem Bauzustand. Die Polen können schöne Häuser bauen, wenn sie die finanziellen Mittel dazu haben.

Solche geschmückten Kreuze gab es überall Der heutige Sonntag muss wohl ein kirchlicher Feiertag gewesen sein. In einem Ort strömten um 1130 Uhr eine Masse Menschen aus der Kirche über die Fußgängerüberwege, dass der Verkehr stockte. Zwei Stunden später hielt ich auf dem Parkplatz einer anderen Dorfkirche zur Kekspause, da öffnete sich deren Tür, und das gleiche Spiel begann, so dass wir schleunigst das Weite suchten. Wir sahen auch weiterhin Kirchen, deren Umgebung voll mit geparkten Autos waren, und welche, neben denen man Tische und Bänke und sogar Hüpfburgen für die Kinder aufgebaut hatte. Und eine kleine Prozession trafen wir auch, ein Priester in weiß trug ein Kreuz, gefolgt von vielleicht 60 Leuten aller Altersstufen in Sonntagskleidung. Und schon seit unserer Ankunft in diesem Land sind uns viele Kreuze oder kleinste Kapellen an Ortseingängen oder zentralen Plätzen aufgefallen, die allesamt mit farbenfrohen Bändern und/oder bunten (Plastik-)Blumen verziert waren. Möglicherweise waren das auch alles Vorbereitungen für den heutigen Tag.

Sw. Paraskeva in Radruż Aber auch für uns stand noch ein Kirchenbesuch auf dem Programm. Ich hatte mir nämlich am Ende der Puszcza Solska (wieder viel Wald) eine der bei Wikipedia aufgelisteten Holzkirchen ausgeguckt, nämlich die Kirche Sw. Paraskeva in Radruż. Für 8 PLN pro Person konnte man sie besichtigen, und sie war sehr beeindruckend, wenn auch gar nicht so eingerichtet, wie man Kirchen so kennt. Denn sie bestand aus einem sehr kleinen Raum und hatte vorne auch gar keinen Altar, sondern nur eine Wand, die mit vielen Bildern bemalt war, zwei Altäre standen rechts und links an der Seite. Es roch drinnen sehr stark nach altem Holz, und man hörte von irgendwo ganz laut irgendwelche Insekten brummen. Eine Empore gab es über dem Eingang auch, und wenn man da hinaufging, dann knirschten die Bodenbretter noch viel stärker, als das unten der Fall gewesen war. Neben der Kirche stand noch ein Turm, der wohl nicht für Menschen gebaut sein konnte, die größer als anderthalb Meter waren. Und auf dem Friedhof nebenan hatten die meisten Grabsteine kyrillische Inschriften.

So langsam wurde die Gegend wieder etwas hügeliger, und bald konnten wir in der Ferne die Waldkarpaten sehen. Aber zuerst mussten wir noch den Fluss San überqueren und die Stadt Przemysl hinter uns lassen. Dann jedoch waren wir drin, und es wurde auch aus Motorradsicht wieder schön. Zuerst schlängelte sich eine kleinere Straße wunderschön in schwingenden Kurven durch den Wald, danach kamen wir auf die kleine rote 80 und überquerten einen Pass, dessen Serpentinen anscheinend auch von den lokalen Motorradfahrern für Fahrübungen genutzt wurde, denn oben sahen wir ein paar davon vor uns wenden und umkehren, und unterwegs stand ein Typ mit der Kamera in der Hand hinter einer Leitplanke und wartete auf seine Kumpels, wohl um dann supertolle Schräglagenfotos von ihnen zu machen.

In Sanok bekamen wir beim ersten Versuch im Hotel Jagielónski ein Zimmer für 170 PLN, und für einen Aufpreis auch ein leckeres Abendessen (Forelle). Um 2100 Uhr sollte das Fußballspiel Deutschland-Ukraine stattfinden (für unseren ursprünglichen Plan hatte ich mir auch die Termine der französischen Mannschaft noch notiert), aber vom polnischen Fernsehen wurde das offenbar nicht übertragen.

Tagesstrecke 342 km, km 53633

Mo, 13.06.2016

Der morgendliche Blick aus dem Fenster zeigte einen bedeckten Himmel, der jedoch nicht bedrohlich wirkte. Am Frühstücksbüffet sah Ulrike, dass es auch hier wie schon nur löslichen Kaffee gab, daraufhin entschied sie sich, lieber gleich einen ehrlichen Schwarztee zu nehmen. Beim Aufrödeln merkten wir, dass wir die Motorräder gestern unmittelbar neben einem Vogelnest abgestellt hatten, in dem jetzt die Jungen nach Futter schrien. Danach wurde getankt, jetzt sollte es erst einmal wieder in etwas einsamere Gegenden gehen. Denn nun wollten wir uns die hinterste südöstlichste Ecke des Landes angucken, wo unsere Karte einige Straßen als landschaftlich schön gekennzeichnet hatte.

Die Waldkarpaten Als erstes fuhren wir dazu ein Stück zurück und die Serpentinenstrecke von gestern wieder hoch. Heute am Montag war hier natürlich nichts zu sehen von anderen Motorradfahrern. Dafür gab es oben einen Aussichtspunkt, der laut Infoschild sogar videoüberwacht war.

Bald danach wurde rechts abgebogen in Richtung der ukrainischen Grenze, zu der wir dann parallel auf der 897 nach Süden fuhren. Und das war wieder einmal eine hervorragende Wahl. Es wurde immer einsamer und schöner, je weiter wir kamen, und das bei guter Straßenqualität. Allerdings hat offenbar kürzlich irgendjemand mal spontan entschieden, dass sämtliche Brücken über jeden noch so kleinen Bachlauf jetzt plötzlich nur noch die halbe Tragfähigkeit besitzen, denn da fand sich ganz oft eine Geschwindigkeitsbeschränkung erst auf 60, dann auf 30 km/h, und die Brücken selbst waren dann mit rot-weißen Baken und Geländer auf eine Fahrspur verengt. Das betraf zwar doch nicht ganz alle, insbesondere die über den San (zu wenig Wasser, nicht paddelbar) war nicht betroffen, aber es gab davon bestimmt eine deutlich zweistellige Anzahl auf diesem Abschnitt.

Der Ort Ustrzyki Górne, wo wir vor der Grenze Richtung Westen schwenken mussten, war zwar eigentlich auch nur ganz klein, aber voll touristisch: Etliche Hotelanlagen und ein Platz voller Andenkenbuden. Die Ecke hier schien ein Wandererparadies zu sein.

Sw. Michała Archanioła in Turzansk Die weitere Fahrt war genauso schön wie bisher. Oft wurde hier auch noch traditionelle Landwirtschaft betrieben, wir sahen öfters mal richtige Heuhaufen auf den Wiesen. Als meine Eltern mit mir mit 14 Jahren aufs Land zogen und ich anfing, bei den Bauern zu helfen, machte das dort schon niemand mehr so. In Turzansk schließlich kamen wir zu der zweiten Holzkirche aus der Liste von gestern, die ich mir zum Besuchen ausgeguckt hatte (es gab hier noch viel mehr davon, wir hatten gestern wie auch heute etliche weitere Holzkirchen unterwegs gesehen, und das sollte auch noch morgen der Fall sein): Sw. Michała Archanioła. Diese war im Gegensatz zu der in Radruż gestern nicht als Museum ausgewiesen und somit auch geschlossen. Aber wir konnten sie von außen bewundern und uns dabei etwas die Beine vertreten.

Etwas unerfreulicher wurde die Fahrt erst dann wieder, als wir wieder auf kleine rote Straßen kamen. Es ging mir irgendwann ziemlich auf den Keks, mit 50 km/h durch als Ortschaften ausgewiesene Gebiete zu tüffeln, die nach deutschen Maßstäben gar keine richtigen Orte sind, weil die Häuser alle weit auseinander standen und oft auch ein Stück von der Straße entfernt lagen. Und von diesen "Ortschaften" reihte sich hier ein Stück lang wirklich eine an die andere. Aber da unsere Karte dazu keine wirkliche Alternative angab, mussten wir da wohl durch, bevor wir in Gorlice im Hotel Margot ein Zimmer für 190 PLN beziehen konnten, wo die Motorräder auf Anraten der Empfangsdame direkt neben dem Eingang im Sichtfeld der Rezeption abgestellt werden sollten, denn "it's more safe".

Heute haben wir übrigens kaum noch diese mit bunten Bändern geschmückten Kreuze am Straßenrand gesehen, das haben sie offensichtlich alles gestern noch wieder abgetakelt, was uns in unserer Vermutung bestärkt, dass da wohl ein kirchlicher Feiertag gewesen sein muss.

Tagesstrecke 366 km, km 53969

Di, 14.06.2016

Heute früh sahen wir einen bedeckten Himmel, der zudem so aussah, als könne er zwischendurch auch mal Regen bringen, aber das Hotelgebäude warf immerhin einen Schatten. Auf dem Frühstücksbüffet stand diesmal auch ein Topf, der mit "Żurek" beschriftet war und eine deftige Suppe enthielt. Das Packen der Motorräder wurde begleitet von Musik, die von der etwa 400 Meter entfernten Kirche zu kommen schien, aber nicht etwa aus Glockenspiel bestand, sondern von einem Saiteninstrument zu kommen schien, elektronisch verstärkt sicherlich, das klang ähnlich wie eine irische Harfe.

Richtung Hohe Tatra Unser Eindruck von der Wettersituation schien sich unterwegs nur in seinen positiven Seiten zu bewahrheiten, es kam immer mal kurz die Sonne durch, bleib aber zunächst trocken. Und es wurde immer gebirgiger. Die kleinen weniger positiven Dinge, mit denen man unterwegs immer mal zu tun hat, waren erst einmal von anderer Natur. Zunächst kannte die Navikarte einen Kreisverkehr nicht, und Ulrike vorne wählte von mehreren Möglichkeiten die falsche, machte dann das Zeichen zum Wenden. Beim Zurücksetzen merkte ich gerade noch rechtzeitig, dass ich drohte, mit meinem Hinterrad in einen von hohem Gras versteckten Graben abzusinken, konnte die Maschine noch gerade rechtzeitig mit der Vorderradbremse oben halten. Doch zum Glück habe ich einen Reifen mit Stollenprofil drauf, der auch für leichte Geländeeinsätze geeignet ist. Es dauerte zwar einen Moment, bis ich in dieser prekären Situation den Gang eingeschaltet hatte mit mehrfach Bremse und Standbein wechseln, aber dann war ich wieder oben, bevor Ulrike, die meinen Fluch gehört haben musste und mir zu Hilfe eilen wollte, da war.

Beim Tanken stellte Ulrike dann zufällig die Ursache fest für den Umstand, dass immer, wenn es regnete, ihr Gasgriff schwergängig wurde: An der Ummantelung des Gaszuges gab es eine schadhafte Stelle, wo dann offenbar Wasser eindringen und die Mechanik aufquellen lassen konnte. Das wurde dann gleich geklebt mit einer Lage Klebeband, was man ja immer zur Hand haben sollte. Während sie dann Richtung Toilette ging zum Händewaschen, wurde ich von einem Typen auf mein ausländisches Kennzeichen angesprochen. Er sprach nur ganz wenige Brocken Deutsch, erzählte mir auf Polnisch irgendetwas von Belgien. Da versuchte ich es mit Französisch und Niederländisch, das verstand er aber auch nicht. Wahrscheinlich hatte er auch nur gesagt, dass er vor drei Jahren mal zwei Tage dagewesen war, was auch immer das mit mir zu tun haben mochte. Er zog ab mit einer Dose Cola-Rum unter dem Arm, und ich hatte gleich zu Anfang schon den Verdacht, dass dies nicht seine erste sein sollte heute.

Bei Nowy Targ mussten wir dann schließlich doch die Regensachen hervorholen. Hier war eigentlich, bevor wir nach Zakopane wollten, noch ein Abstecher auf einer angeblich landschaftlich schönen Strecke geplant. Aber auf Höhe der Mitte des Czorsztyńskie-Sees sind wir wieder umgekehrt, denn die Strecke bis dahin fanden wir nicht so prickelnd, und voraus hatten wir auch wieder ein paar Blitze wahrgenommen. Aber auf dem Weg nach Zakopane konnte man in der Ferne durch Wolken und Regen die Berge sehen (mit Schneefeldern oben) und immerhin ahnen, warum das "Hohe" Tatra heißt.

In Zakopane waren die Holzhäuser natürlich sehr gepflegt Die Stadt war mindestens so touristisch, wie wir das erwartet hatten, heißt es doch auf Wikipedia, die Gegend sei in Polen die am besten "touristisch erschlossen". Aber im Hotel Gromada gab es für uns ein Zimmer, und die Moppeds konnten wir auf dem Hof an die Seite in eine Ecke quetschen, auf eine Art Bürgersteig, der gerade breit genug war für die Maschinen, aber sicher und zudem auch unter Dach. Trotz starkem Rummel machten wir dann natürlich einen Gang durch den Ort. Der war voll von Andenkenläden aller Art, aber es gab auch eine Menge Restaurants und zwischendrin immer wieder sehr schöne Holzhäuser der gehobenen Klasse. Als es auf dem Weg zurück zum Hotel anfing, luftfeucht zu werden, verzogen wir uns schleunigst in ein Steakhaus. Wie gut diese Entscheidung war, merkten wir, als es anfing, hier drinnen voll zu werden und uns zu diesem Zeitpunkt bereits ein ordentlicher Teller zu Essen und ein Grimberger Dubbel serviert wurden. Und als Verteiler auf Kosten des Hauses gab es zum Schluss noch je einen Soplica, einen hellgelben Schnaps, der ähnlich wie Aquavit und echt lecker schmeckte (möglicherweise ein Soplica Orzech Laskowy).

Tagesstrecke 298 km, km 54261

Mi, 15.06.2016

Dieser Morgen versprach auf den ersten Blick wieder, schön zu werden, aber schon beim Losfahren schoben sich wieder dunkle Wolken von der Seite in das Sichtfeld. Bei der gestrigen Planung der heutigen Route stand ich vor einem kleinen Dilemma, denn es gab für uns zwei Varianten, von Zakopane aus nach Slowakien zu kommen: Die Straße nach Westen war als landschaftlich schön gekennzeichnet, große Teile der Routen jenseits der Grenze waren es jedoch dann nicht mehr, und bei der Straße nach Osten war es genau umgekehrt. Schließlich hatte ich entschieden, beides zu machen: Die Weststraße solange fahren, wie es sich lohnt, und dann umzukehren, auch wenn das bedeutete, dass wir uns zweimal durch Zakopane wühlen mussten.

Zunächst wurden wir Zeuge einer nach meinem Geschmack ziemlich dreisten Methode von Bauernfängerei: Auf einer Kuppe, schon außerhalb der Stadt, standen zwei Männer in Warnwesten auf der Straße und winkten alle Autos, die aus Richtung Zakopane kamen, auf die Seite. Das geschah jedoch nicht aufgrund einer Sperrung, sondern weil die Parkplätze rechts und links umkränzt waren von Tinnefbuden mit dem üblichen Touristenramsch. Allerdings machte die Tatsache, dass hier, vermutlich aus Konkurrenz, die Leute gleichzeitig nach beiden Seiten gelotst wurden, das Manöver in meinen Augen recht leicht durchschaubar. Und die Route selbst lohnte sich, bot uns tolle Ausblicke auf die Berge, hier war die Kennzeichnung mit einem grünen Streifen allemal gerechtfertigt.

In der Hohen Tatra Nach der Umkehr und erneuten Durchfahrung der Touristenhochburg wurde irgendwo dahinter getankt und dann unsere letzten PLN in unterwegs allegewordene Drogerieartikel (Taschentücher, Deo) und Pausenkekse umgesetzt, bevor es wieder ins Gebirge ging und wir wieder schöne Landschaft zu sehen bekamen. An der Grenze zur Slowakei gab es dazu allerdings auch einen Stau. Der kam jedoch nicht wie von Ulrike befürchtet von Grenzkontrollen zur Suche von Flüchtlingen, sondern wegen einer Baustelle. Weiter vorne wurde offenbar die Fahrbahn neu asphaltiert, und der Bauarbeiter mit der Kelle meinte, das würde eine halbe Stunde dauern. Schon nach 10 Minuten ging es jedoch weiter. Wir hatten in der Zwischenzeit die Helme abgenommen und mussten uns nun beeilen, sie wieder aufzusetzen und hinterherzukommen. Das mit dem "hinterher" erwies sich jedoch als falsch, die fuhren auf der anderen Seite allesamt in eine Sackgasse, an deren Ende sich wohl der Startpunkt einer Wanderroute befinden musste, kilometerweit waren am Straßenrand Autos geparkt, und das Navi sagte: "wenden". Also fuhren wir wieder zurück, mussten uns dann in der Baustelle über Bürgersteige und Fahrbahnränder hinweg irgendwie durchmogeln und drüben dann noch auf einer einspurigen Brücke an den Lieferwagen vorbeiquetschen, die in Gegenrichtung auf die Durchfahrt warteten.

In der Slowakei war die Landschaft natürlich erst einmal genauso schön wie auf polnischer Seite, die Häuser allerdings schlagartig nicht mehr, die Gebäude machten allesamt eine recht ärmlichen Eindruck. Und auch mit dem Wetter ging es bergab, wir mussten bald die Regensachen wieder herausholen. Nach einer Weile schüttete das so stark, dass ich spontan entschied, die Anweisung des Navis zu ignorieren und geradeaus weiterzufahren in Richtung des helleren Himmels. Die Straße verließ bald das Gebirge und führte uns in die Ebene, und hier war es auch wieder trocken. Eigentlich war an dieser Stelle ein Kringel ostwärts auf einer wieder als schön gekennzeichneten Route geplant. Jetzt befanden wir uns auf der Rückroute davon, so probierten wir jetzt, entgegengesetzt der Planrichtung wieder in das Zielgebiet zu kommen in der Hoffnung, dass sich das Unwetter dort bis dahin verzogen hat. Aber bald hatten wir erneut finstere Wolken voraus, aus denen Blitze zuckten, das schien sich in dem ganzen Gebirgszug festgesetzt zu haben. Drum haben wir auch diesen Versuch abgebrochen, diesmal noch bevor wir wieder Wasser aufs Haut kriegen sollten.

Zwischen den Regengüssen Die 537 sollte jetzt 50 Kilometer lang am Südrand der Tatra entlangführen. Und das tat sie auch in schönster Weise, mit weit geschwungenen Kurven und wenig Verkehr bot sie uns öfters mal tolle Ausblicke auf die wolkenbehangenen Gipfel rechts oder das sonnenbeschienene Tal links. Und die ersten 17 Kilometer blieben wir dabei sogar ansatzweise trocken. Danach war es allerdings auch mit den Aussichten Essig bei so viel Wasser in der Luft. Erst unten in der Ebene wurde es wieder trocken. Auf der anderen Seite von Liptovský Mikuláš ging es dann mal wieder eine Stichstraße in ein sehr schönes Tal hinein. Ich hatte mir heute früh mit Tesafilm (was seit der Fahrt nach Prag zur Standardausrüstung gehört) einen Zettel hinter die Scheibe geklebt, weil ich (zu Recht) annahm, dass ich mir den Namen unseres hiesigen Zieles, der Tropfsteinhöhle Demänovská jaskyna slobody, sonst nicht würde merken können. Allerdings war es hier gut ausgeschildert, und viel mehr als ein paar Hotels und zwei Höhlen mit Parkplätzen direkt an der Straße gab es hier eh nicht. Jedoch war das Parken keineswegs umsonst. 5 Euro haben wir bezahlt, und der Parkwächter meinte, wir müssten uns beeilen, um 1600 Uhr wäre die letzte Führung. Und um dorthin zu kommen, mussten wir noch einen Serpentinenweg den Berg hinaufmarschieren, der uns mit steigendem Fortschritt immer länger vorkam. Das war auch kein Wunder, denn wir sind den Weg in einem Tempo hinaufgestratzt, die Deadline auf der Armbanduhr vor Augen, dass wir nur gut 5 Minuten gebraucht haben für etwas, wofür offiziell eine Viertelstunde veranschlagt war, immerhin 67 Höhenmeter, wenn auch auf einem Serpentinenweg. Das haben wir aber erst gesehen, als wir auf dem Rückweg unten vor einer diesbezüglichen Informationstafel standen.

In der Tropfsteinhöhle <I>Demänovská jaskyna slobody</I> Aber wir waren (gerade noch) rechtzeitig oben und konnten uns für 8 € pro Person einer Führung anschließen, die leider ausschließlich auf Slowakisch gehalten wurde. Auch wenn wir somit von den Erläuterungen unserer Führerin kaum ein Wort verstanden haben, fand ich die Ausgabe dennoch lohnend. Denn mir gefiel die Höhle richtig gut, es gab viele sehr schöne Tropfsteinformationen, die bei effektiver Beleuchtung oft wie geronnene Karamelsauce aussahen.

Als wir nach einer knappen Stunde wieder draußen waren, sind wir denn auch gar nicht mehr lange gefahren, sondern haben uns noch im Tal im Hotel Riverside ein Zimmer für 45 € genommen. Und das schien die richtige Entscheidung gewesen zu sein, denn beim Abendessen fiel draußen schon wieder einiger Regen.

Tagesstrecke 240 km, km 54501

Do, 16.06.2016

Der Regen des gestrigen Abends hatte sich in der Nacht verzogen, nun schien die Sonne, nur ganz vereinzelt sahen wir kleine weiße Wolken. Laut Internet bestand aber immer noch die Möglichkeit, nass zu werden, nur im Nordosten und Südosten von Europa sollte es dauerhaft gutes Wetter geben derzeit.

Slowakische Landstraße Zuerst mussten wir das Stück Straße im Tal der Höhlen natürlich wieder zurück, dann bogen wir auf die 18 nach Westen ab, die uns durch ein weites Tal führte, was uns jedoch auch nicht unattraktiv schien. Die 59 führte dann wieder nach Süden, das Tal dort wurde wieder viel enger und schöner, zwischendrin zeigten sich aber auch dicke Wolken. Ich dachte schon, jetzt werden wir wieder nass, aber kurz danach bog die Route wieder etwas nach Westen ab, und es blieb trocken und wurde hier auch wieder heller.

Schließlich bogen wir wieder links ab auf die 66 (auf jeder Strecke mit dieser Nummer gibt es offenbar Schilder, die an die berühmte "Route 66" in den USA erinnern), und nun ging es wieder nach Osten. In Brezno passierten wir ein auffälliges Gebäude, das wie ein Abbruchhaus wirkte, statt Fenster und Türen nur leere Löcher, und das offenbar von einer Gruppe Roma bewohnt war, Scharen dunkelhäutiger Jugendlicher saßen in den leeren Fensterhöhlen oder auf Balkonen ohne Geländer und ließen die Beine draußen herunterbaumeln. Schon kurz nach der Grenze hatten wir in ein paar Orten den Eindruck gehabt, dass diese überwiegend von indisch aussehenden Menschen bewohnt waren. Auf der ganzen Reise ist uns dieses Volk jedoch nur hier in der Slowakei aufgefallen.

"Slowakisches Paradies" (<I>Slowensky Raj</I>) Als nächstes hatte ich einen Abstecher geplant in eine Gegend, die "Slowakisches Paradies" genannt wird (Slowensky Raj). Die recht kleine Straße, die ich dafür ausgesucht hatte, war zuerst relativ schlecht asphaltiert, dann aber mit dem Wechsel der Gemeinde wurde der Belag super (laut einer Hinweistafel EU-finanziert). Das dauerte aber nicht lange, und es wurde wieder schlecht, und zwar schlimmer als auf dem ersten Abschnitt. Der grobe Asphalt sah aus, als ob er schon beim Bau mit Löchern, vor allem aber mit fiesen Längsrillen ausgebracht wurde. Ulrike, die zugegebenerweise mit ihrer Bandit über kein sehr schluckfreudiges Fahrwerk verfügte, verweigerte schließlich die Weiterfahrt mit der Bemerkung: "Das hier ist kein Paradies für Straßenmotorräder", worauf wir dann beide umgekehrt sind. Aber landschaftlich war die Ecke schön.

Aber hier gab es auch gute Straßen Das setzte sich fort auf der 526, nun wieder Richtung Westen. Vor allen Dingen war diese Route auch sehr schön kurvig, ein Schwung folgte auf den nächsten, aber letztlich auch etwas anstrengend, denn das ging so eine ganze Weile, und man musste natürlich immer auch noch ein Auge auf den Straßenzustand haben. Zum Ausgleich folgte danach die 50, die ein ganzes Stück lang als Schnellstraße (Kraftfahrtstraße mit durchgestrichenem Vignettensymbol) voll ausgebaut war. In Plesivec (unserem letztem größeren Ort in der Slowakei) waren die Beschriftungen der Läden schon zweisprachig.

An der Grenze nach Ungarn gab es lediglich ein verfallenes Haus, ein Schild mit den Höchstgeschwindigkeiten und einen anderen Straßenbelag. Im ersten Ort danach links einen Campingplatz und rechts die unvermeidlichen Geldwechsel- und Andenkenbuden. Die nächsten Kilometer gingen durch nettes Hügelland, und uns schien, dass hier wieder etwas mehr Geld für die Erhaltung der Häuser ausgegeben wurde.

In Kazincbarcika mieteten wir uns im Ambrózia Étterem és Panzió ein. Und nach dem Abendessen machten wir ausnahmsweise doch mal den Fernseher an, denn um 2100 Uhr gab es das Fußballspiel Deutschland-Polen zu sehen. Hier wurden die Spiele offenbar übertragen, im Restaurant hatten wir schon Teile des anderen heutigen Spieles gesehen.

Tagesstrecke 424 km, km 54925

Fr, 17.06.2016

Schon während der Nacht haben wir die Bettdecken von uns geworfen, und heute früh war das richtig warm mit kaum einem Wölkchen am Himmel. Und beim Aufpacken lief uns schon etwas der Schweiß, trotz des vielen Windes, der heute wehte. Schnell noch etwas ungarisches Geld geholt für Pausen unterwegs (die Zimmer konnten wir bisher immer und überall mit Karte bezahlen), und los ging es.

Ungarn war teilweise sehr platt zwischen den Gebirgen Zuerst ging es ein Stück wieder zurück und nach Aggtelek, wo unsere Karte uns wieder ein Stück landschaftlich reizvolle Strecke versprach (noch die Slowakeikarte [2], die Ungarnkarte [3] kannte so etwas gar nicht), was sich dann auch bewahrheitete. Dann sollte es weitergehen zum Mátra-Gebirge. Der Weg dorthin war leider relativ unspektakulär. Generell hatten wir heute den Eindruck, Ungarn bestehe aus Flachland, landwirtschaftlich intensiv genutzt mit Feldern bis fast zum Horizont, unterbrochen von ein paar einzeln stehenden Gebirgen zwischendrin. Und als wir dann da waren, schien mir zwar, ich hätte bei der Planung nicht ganz die richtigen Strecken erwischt, aber wir trafen dort auch auf dermaßen grottenschlechten Asphalt, dass wir das nach einer Weile dann abgebrochen haben. Insbesondere Ulrike fand, dass sich jedes ostdeutsche Kopfsteinpflaster angenehmer fahren ließe als dieser Straßenbelag hier, und sie stellte die grundsätzliche Frage, ob man in Ungarn sich überhaupt noch auf den kleineren Straßen bewegen sollte, bisher jedenfalls schien die Straßenqualität von Land zu Land schlechter geworden zu sein. Nun, dieser allerletzte Aspekt kam jedenfalls nicht völlig unerwartet, aber wir beschlossen, auf der Weiterfahrt Richtung Westsüdwest der Sache im Bükki Nemzeti Park noch eine letzte Chance zu geben.

Und stürmisch war Ungarn auch Aber erst einmal mussten wir dort hinkommen, was bedeutete, wieder eine ganze Weile lang auf großer Straße durch die langweilige Ebene zu fahren. Inzwischen ist auch noch ein kräftiger Seitenwind aufgekommen (sicherlich, um wenigstens ein spannendes Element in die Unternehmung einzubringen), da sind wir ganz gut durchgeschüttelt worden. Am Ende in Miskolc erforderte die Stadtdurchfahrt dann zwar mehr Aufmerksamkeit, war aber grenzwertig lang, für meinen Geschmack haben wir hier deutlich zu oft bei hohen Temperaturen vor roten Ampeln gestanden. Aber unsere Geduld wurde belohnt mit schönen Kurven durch eine schattige Waldgegend bei guten Straßenbelag, es lag lediglich eine Menge Zeugs auf der Straße, das von dem Wind von den Bäumen gerissen wurde.

In Eger sollte Schluss sein für heute, gleich unsere erste Anfrage bei einem B&B hatte Erfolg, und leckeres Abendessen bekamen wir hier auch.

Tagesstrecke 281 km, km 55206

Sa, 18.06.2016

Erstmalig auf dieser Reise übernahm Ulrike jetzt neben dem abwechselnden Vorwegfahren auch die Routenplanung, und sie wollte an die Donau nach Visegrád und Esztergom, wo ich vor 3 Jahren schon mit dem Kajak gewesen war. Dazu mussten wir den Fluss überqueren (aber das mussten wir ja in jedem Fall, wenn wir weiter nach Slowenien wollten). Brücken über den Fluss gab es in unserer Ecke aber nur in Esztergom oder im Norden von Budapest auf einer Schnellstraße, Visegrád liegt dazwischen. Budapest lag günstiger zu unserer Route, und wir hofften, auf dieser Schnellstraße einen Großteil des Stadtverkehrs dort vermeiden zu können. Aber als Ulrike in die Auffahrt dazu einbog, sah ich von hinten ein Schild mit Vignettensymbol und Hinweis auf Videoüberwachung, die Straße war ganz offenbar mautpflichtig, aber eine Vignette hatten wir natürlich nicht. Trotz wildem Gehupe meinerseits fuhr Ulrike weiter, an dem Punkt vorbei, wo sie (notfalls) noch hätte umkehren können und verschwand hinter der Kurve. Ich natürlich nicht hinterher, es folgte eine kurze Abstimmung per SMS. Da ja auch ich prinzipiell in diese Richtung weiterkommen musste, haben wir vereinbart, uns an der nächsten Ausfahrt zu treffen. Ich hatte zwar die Karte im Koffer, musste aber jetzt erst einmal gucken, wo ich denn hier überhaupt war (also fahren bis zum nächsten Ortsschild: Dunakeszi), wo ich hinmusste und wie ich dahinkommen konnte. Ohne Kartenfach im Tankrucksack musste ich für jeden Blick auf die Karte anhalten, schon nervig, und natürlich habe ich mich unterwegs auch noch mehrmals verfranzt. Schließlich kam ich zu einer Abfahrt, von der ich hoffte, dass sie die richtige war, aber da stand Ulrike nicht. Na gut, dann würde ich sie wohl anrufen müssen, um einen neuen Treffpunkt zu vereinbaren. Aber dazu wollte ich bei der Affenhitze unbedingt einen Platz im Schatten haben. Also fuhr ich in der Nähe zu einem Baumarkt und kurvte dort einen Moment herum (kein Schatten nirgendwo), da leuchtete plötzlich zwischen all den geparkten Autos eine blaue Suzuki! Und die Fahrerin derselben saß drinnen, wo es klimatisiert ist, und ihre SMS mit der Info, dass sie sich genau hier bei Bauhaus befindet, hatte ich unterwegs noch nicht gelesen.

Da wir nun große Zweifel hatten, ob wir hier überhaupt weiterkommen würden, haben wir nach einer Alternative gesucht. Damals beim Paddeln hatte ich nördlich von Budapest auch Fähren gesehen. So nahmen wir jetzt also eine neue Route, die mittels zweier Fährfahrten zunächst auf die Insel Szentendrei-Sziget und auf der anderen Seite wieder herunter führte. Die erste Fähre kostete 800 HUF pro Motorrad und bestand aus einen Fährponton, an dem eine Barkasse ganz sinnig befestigt war: Ein kurzes Seil führte vom Schiffsbug zur Mitte der Längsseite des Pontons, so dass sich das Schiff dabei um bis zu 180° drehen konnte.

Fähre über die Donau Auf der Insel lief die Straße zunächst auf einem kleinen Deich entlang, an einer Badestelle vorbei, und kurz danach habe ich unten am Ufer ein stilvolles Holzkajak liegen gesehen. Dann bog die Route ab durch den Ort, die Leute schienen hier nicht ganz arm zu sein, wenn man das nach dem Aussehen der Häuser beurteilen kann. Die Insel war hier auch breiter als gedacht, aber schließlich kamen wir doch an die zweite Fähre, für die wir je 630 HUF bezahlten.

Drüben führte die Straße an der Donau entlang, manchmal konnte man einen Blick auf den Fluss erhaschen. In Visegrád war zunächst einmal Tanken angesagt. Drinnen im Shop die Angestellten waren in ungarischen Farben gekleidet und geschminkt, offenbar sollte es heute Abend ein Fußballspiel geben. Ich mag ja die Ungarischen Farben grün-weiß-rot, die sich auch prima mit Blumen realisieren lassen: Rot und weiß blühende Blumen, das Grün kommt dann von den Blättern, solche Arrangements hatte wir unterwegs ein paarmal schon gesehen.

Dann fuhren wir hoch zur Burg. Auf den Wegweisern stand das Wort Fellegvár, aber ich war ja schon einmal hier gewesen und fand das somit leicht wieder. Damals wollte ich hier gerne mit dem Motorrad fahren, heute erschien mir die Strecke viel zu kurz. Oben hat Ulrike die Burg alleine besichtigt, während ich mir ein großes Eis gegönnt habe und dann kurz durch die obligatorischen Andenkenläden geguckt habe, wo ich immerhin einen Aufkleber für meine Motorradkoffer gekauft habe. Hier gab es natürlich auch japanische Reisegruppen zuhauf, und ein Typ davon interessierte sich für die Motorräder, war aber anscheinend sehr verwirrt durch meinen Aufkleber mit "Dies ist keine BMW" auf der Yamaha. Mangels gemeinsamer Sprachkenntnisse ließ sich das aber nicht auflösen.

Blick von der Kuppel der Kathedrale von Esztergom Ein paar Kilometer weiter in Esztergom suchten wir uns im Szent Kristóf Panzió ein Zimmer, denn hier wollten wir die Kathedrale besichtigen, die ich vor drei Jahren verpasst hatte. Die Tickets kosteten 700 HUF pro Person, und für den Gang auf die Kuppel mussten wir quer durch die Kirche gehen, in der gerade eine Trauung stattfand. Beim Aufstieg nach oben merkte Ulrike an, dass die Wendeltreppe hier nicht wie früher üblich im Uhrzeigersinn hochging, sondern entgegengesetzt. Bei einer früheren Burgbesichtigung hatten wir nämlich mal gelernt, dass dies so war, damit die rechtshändigen Verteidiger oben Platz hatten, um mit dem Schwert ausholen zu können, die von unten kommenden Angreifer jedoch nicht. Aber diese Wendeltreppe war neu, mit Warzenblech aus Edelstahl gebaut, drum lautete meine Antwort: "Dieser Turm wird auch nicht mehr mit dem Schwert verteidigt, sondern mit Barcode und Drehkreuz". Trotzdem hatten wir oben einen Ausblick, der meiner Meinung nach sein Geld wert war. Unten war bereits nie nächste Hochzeit im Gange, die Paare schienen sich hier wahrhaftig die Klinke in die Hand zu geben. Beim Aussuchen ihrer Hochzeitskutsche war man jedoch offenbar weniger wählerisch, wir sahen einen mit Blumen geschmückten Wagen auf dem Parkplatz, auf dessen Haube zwar auch ein Stern, auf dessen Türen jedoch die Werbung eines Autohauses in Štúrovo prangte.

Beim anschließenden Spazieren am Donauufer entlang wurden wir bei der Brücke von psychedelischen Klänge empfangen, die sehr merkwürdig anmuteten. Ulrike meinte dazu: "Zum Stimmen der Instrumente kann man die Lautstärke doch herunterregeln", und auch das Wort "Katzenmusik" kam in ihren Kommentaren vor. Ich hingegen äußerte die Vermutung, es könne sich um ein Künstlerprojekt handeln, welches die Beziehung zwischen den Städten Štúrovo und Esztergom bzw. Ungarn und der Slowakei am anderen Ufer symbolisiert, mit der speziellen Aussage: "Wir arbeiten dran, aber es läuft noch lange nicht rund." Ganz in der Nähe konnten wir im Restaurant Mediterraneo Vendégfogadó lecker essen, und auf dem Rückweg gönnten wir uns als Nachtisch noch ein Eis.

Wieder zurück im Hotel wollte ich noch ausnutzen, dass unser Zimmer einen Balkon mit Tisch und zwei Stühlen hatte. So setzte ich mich mit meiner kleinen Reiseschreibmaschine (Asus Eee PC 701) raus, um beim Schreiben des Reisetagebuches den schönen Sommerabend zu genießen. Das ging solange gut, bis a) es langsam dunkel wurde und b) gleichzeitig das Gerät nach Strom verlangte, der Akku war halt 9 Jahre alt und nicht mehr topfit. Eine Steckdose gab es hier draußen natürlich nicht, also zurück nach drinnen und dort ans Ladegerät damit. Und ich ging kurz ins Bad zum Entladen, damit alles sein Gleichgewicht hat. Als ich zurückkam, hielt Ulrike mein Ladegerät am Kabel mit spitzen Fingern wie eine tote Maus am Schwanz und berichtete, sie habe im halbdunklen Raum durch das geschlossene Plastikgehäuse die Elektronik darinnen blau leuchten sehen können. Und jetzt war das Ding mausetot. Also habe ich schnell mit dem Rest von der Akkukapazität noch den Text sowie die Bilder des Tages auf einem USB-Stick gesichert, fortan würde das Reisetagebuch wohl wieder nach alter Väter Sitte analog mit Schreiber auf Papier festgehalten werden müssen. Die Hardware für diese Fallbacklösung gehört glücklicherweise auch bei mir immer noch zur Standardausrüstung.

Tagesstrecke 222 km, km 55428

So, 19.06.2016

Weiter Richtung Balaton Der Morgen begann freundlich, aber relativ schnell zog sich der Himmel zu. Nach dem Frühstück konnten wir unsere Wäsche, die wir gestern noch zum Waschen abgegeben hatten, wieder einpacken und losziehen. Ein kurzes Stück fuhren wir noch an der Donau entlang, bogen dann aber ab in Richtung Balaton. Die Landschaft, durch die wir dann kamen, war zwar unspektakulär, aber nicht unbedingt langweilig. Für Abwechslung sorgten unter anderem auch die Ortsnamen, auf Wortungetüme wie Bakonyszombathely folgte ein paar Kilometer weiter: Gic. In dieser Region gab es an den Ortseingängen aber nicht mehr diese zusätzlichen Schilder in einer Schrift ähnlich wie Runen, die uns gestern auf dem Weg nach Budapest mehrfach aufgefallen waren.

Bei leichtem Nieselregen fuhren wir durch den Bakonywald. Dahinter kehrten wir bei einem Gasthaus ein, wo man überdacht draußen sitzen und leckeren gebratenen Käse schnabulieren konnte. Unsere Hoffnung, dass es in der Zwischenzeit wieder trockener werden möge, erfüllte sich aber leider nicht. Aber das Wetter war nicht besonders schlimm, so dass wir den Anblick von ein paar Lavendelfeldern durchaus genießen konnten, bevor wir den Plattensee erreichten und dort auf die Uferstraße einbogen.

Bei der Halbinsel Tihany verpasste ich die erste Abfahrt dorthin, so nahmen wir die zweite, die uns auf die Westseite führte. Am Ende der Straße gab es einen gebührenpflichtigen Parkplatz, aber für Motorräder kostenfrei. Daneben ein paar Gaststätten und den "Strand", für dessen Betreten unabhängig vom Anreisefahrzeug auch Eintritt erhoben wurde. Und das schien uns nur bedingt gerechtfertigt, denn das Areal bestand nur aus einem schmalen Streifen Rasen, zum Baden konnte man lediglich über ein paar Leitern am Ufer gelangen. Aber daran entlang und weiter entlang des bewaldeten Ufers führte auch ein kostenlos begehbarer Spazierweg, und weil es gerade wieder für einen Moment trocken geworden war, gingen wir diesen ein Stück, bevor wir uns wieder auf den Weg machten.

Der Balaton (Plattensee) Ulrike gefiel die Gegend hier überhaupt nicht, woran sicher das einnehmende Wesen der Strand- und Parkplatzwächter einen guten Anteil hatte. Aber auch der See selbst sah bei der herrschenden Wetterlage nicht besonders schön aus, das Wasser wirkte geradezu bleiern grau. Immerhin ließ es sich auf der Route einigermaßen fahren, es gab zwischen den Ortschaften immer wieder freie Abschnitte. Auch wartete die Landschaft mit einigen Hügeln in der Nähe auf, und an einer Stelle sahen wir sogar mal richtige Felsen. Und auch in Ungarn gab es an einigen Stellen Storchennester. Mittlerweile waren die Jungen richtig groß geworden, standen schlaksbeinig in den Nestern und guckten herunter, als würden sie denken: "Das mit dem Fliegen sollte doch wohl eigentlich funktionieren, die Erwachsenen können das doch auch, morgen nach dem Frühstück will ich das auch mal ausprobieren."

In dieser touristischen Gegend war es aber natürlich überhaupt kein Problem, Unterkünfte zu finden. In der Stadt Keszthely quartierten wir uns im Kristály Hotel ein. Hier im Haus selbst gab es zwar nur eine Bar, aber ein paar Gebäude weiter konnten wir auch etwas zu essen bekommen. Die Bedienung hier sprach sehr gut Deutsch, sie sagte, sie fahre im Winter immer nach Österreich zum Arbeiten. Bei der Rückkehr trafen wir vor der Tür auf den Besitzer einer Transalp, die schon auf dem Parkplatz vor der Bar stand, als wir ankamen. Der Typ sah recht verwegen aus mit sehr langem Bart, und er schien auch nicht besonders viel Englisch zu sprechen. Sein Nummernschild wies ihn als Finnen aus.

Tagesstrecke 295 km, km 55723

Mo, 20.06.2016

Ganz früh am Morgen wurde ich wach und stellte fest, dass draußen heftiger Regen niederging. Kurze Zeit später setzte das erste Vogelgezwitscher ein, es war also Zeit genug, sich noch einmal umzudrehen und weiterzuschlafen. Das schien jedoch wettertechnisch wenig zu ändern, beim Aufstehen bot sich mir noch die gleiche akustische Kulisse, die nach dem Zurückziehen der Vorhänge auch visuell bestätigt wurde. Bäh! Aber nach dem Frühstück (das von einem Feueralarm nicht unterbrochen wurde, weil sich darum einfach überhaupt niemand gekümmert hat), hatte der Regen aufgehört.

Weiter Richtung Slowenien Es sah jedoch nicht so aus, als könne dieser Zustand von Dauer sein, also zogen wir gleich die Gummiklamotten über. Und das war gut so, denn in Folge erlebten wir einen mehrfachen Wechsel von Dauerregen und Starkregen. Einer dieser heftigeren Abschnitte erwischte uns auch noch gerade in dem Moment, als wir tanken wollten (die letzten Forint wollten wir noch in Kraftstoff umtauschen), und natürlich hatte gerade diese Tankstelle überhaupt kein Dach, nicht einmal ein richtiges Kassenhaus. So hatte ich dann also große Schwierigkeiten, das Geld trocken herauszubekommen und den Zettel mit Kilometerständen und Tankmengen trocken wieder zu verstauen. Aber kurz vor der Grenze hörte der Regen dann doch wieder auf.

Nach dem Grenzübertritt Slowenien empfing uns mit gelben Wegweisern und Ortsschildern, wie wir es von Zuhause gewohnt sind. Zum Ausgleich dafür gab es sehr verwirrende Fahrbahnmarkierungen auf allen Kreuzungen. Hier malten sie nämlich jede Menge gestrichelte Linien für sämtliche Abbieger, jedoch nicht für die Geradeausfahrer, darauf mussten wir uns erst einmal einstellen. Auf die Landschaft hingegen konnten wir uns sehr gut einstellen, denn diese wurde immer schöner, je weiter wir kamen. Ungarn hatte uns diesbezüglich ja doch ein paar Durststrecken präsentiert. Hier war jetzt deutlich zu sehen, dass wir uns den Alpen näherten. Bald befanden wir uns im Tal der Drau. Diesen Fluss kannte ich bislang nur aus den Büchern von Herbert Rittlinger, dessen Berichte aber von den oberen Abschnitten in Österreich handelten, wo die Natur noch unberührter, das Wasser jedoch auch sicher deutlich wilder war. Hier unten hingegen war der Fluss zahm, man hätte gut mit Faltbooten eine längere Reise darauf machen können. Dafür folgte die große Straße dem Tal, was allenfalls zum Nachholen eines Autos am Ende der Tour von Vorteil gewesen wäre.

Da wir bisher zeitlich gut im Plan lagen, haben wir uns entschlossen, vor Dravograd nach Süden anzubieten und die Hauptstadt Ljubljana auf der den Alpen abgewandten Seite zu umfahren. Zwischenzeitlich hatte es mal wieder kurz geregnet, aber mit etwas Entfernung zu den großen Bergen wurde und blieb es trocken, und auch die Landschaft blieb schön.

Als es Zeit wurde, nach einer Unterkunft zu suchen, kamen wir am Aqua Roma vorbei und bekamen hier auch ein Zimmer. Von unserem Balkon aus blickten wir direkt auf einen riesigen Pool, der mit seinem azurblauen Wasser sehr einladend aussah, aber absolut leer und unbevölkert war. Wir rätselten einen Moment lang, ob das an den großen Tafeln mit einem Piktogramm lag, das für uns so aussah, als wurde es das Ertrinken verbieten, und wer will da denn schon ein Risiko eingehen. Trotz ihrer Leere wurde die Anlage per Lautsprecher beschallt mit einer slowenischen Radiosendung, die eine ganz gute Mischung aus lokaler und internationaler Popmusik bot. So ließ sich der Abend prima aushalten.

Tagesstrecke 316 km, km 56039

Di, 21.06.2016

In Slowenien wurde es alpiner Der Morgen begrüßte uns mit niedrig hängenden Wolken über den nicht besonders hohen Gipfeln umzu, aber das alles sah recht hell aus und machte Hoffnung, dass der Tag vielleicht noch schön werden würde. Zum Frühstück gab es auch hier wie schon in einigen Unterkünften zuvor Würstchen statt Bacon, insbesondere Ulrike hätte letzteren bei weitem vorgezogen. Aber das ist Jammern auf hohem Niveau, mit wohl gefüllten Mägen starteten wir, um unsere Hoffnungen bezüglich der Wetterentwicklung erfüllt zu finden. Und auch die Landschaft blieb eigentlich überall sehr nett. Einziger Wermutstropfen war, dass wir nach 10 Kilometern anhalten und für 4,90 € eine neue Scheinwerferbirne für Ulrike kaufen mussten.

Für eine Pause hielten wir gegenüber des Einganges zu einem Friedhof an (hier war ein Baum, der Schatten spendete), und neben dem Tor war ein Schild angebracht, das auf uns so wirkte, als wäre für Wölfe der Zugang verboten. Überhaupt hatten wir einigen Spaß mit lustigen Schildern auf dieser Tour. Sehr eindrucksvoll fand ich die Warnung vor den Schulen, die so aussah, als breche eine Horde Kinder aus dem Schild aus und laufe vor einem auf die Straße.

Die Verkehrslage blieb entspannt Am Nachmittag kamen wir in eine richtig tolle Gegend, sehr schön fanden wir beispielsweise einen Abschnitt auf der 102 zwischen Godovec und Idrija. Das war zwar mit Steigungen und Gefällen von 12 bis 15 % sehr fordernd, die Anstrengung wurde jedoch immer wieder mit grandiosen Ausblicken belohnt. Allerdings habe ich mir nicht immer die Zeit genommen, anzuhalten, denn ich wollte gerne noch heute das Tal der Sava Bohinjka erreichen. Dort hofften wir, eine Unterkunft zu finden, und hier schien es auf weite Strecken nämlich auch keine Möglichkeiten dafür zu geben.

Bohinjsko Jezero Dieser Plan ging auch ganz gut auf. Wir folgten der Stichstraße flussaufwärts, kamen an einem schönen Bergsee vorbei und gelangten am Ende in den Ort Ukanc, wo wir bei der Gostišče Erlah ein Zimmer für 75 € ergattern konnten. Hier befanden wir uns inmitten eines sehr malerischen Talkessels, nach beinahe allen Seiten umgeben von hohen Bergen, und wir genossen die Atmosphäre sehr auf einem langen Spaziergang. Gerne wären wir hier noch einen Tag geblieben, den wir gut mit Kanufahren auf dem See und Spazierengehen hier im Tal hätten ausfüllen können, aber unser Zeitplan ließ das inzwischen wahrscheinlich nicht mehr zu. Nach dem Abendessen gab es dann noch das Fußballspiel Deutschland-Nordirland, was aber mit dem vorhergehenden Erlebnis keinesfalls mithalten konnte, auch wenn das Spielergebnis durchaus auch erfreulich ausfiel.

Tagesstrecke 286 km, km 56325

Mi, 22.06.2016

Cerkev Sv. Duh in der Nähe von Ukanc Der Morgenhimmel zeigte einen leichten Schleier von Wattebauschwölkchen, also beste Voraussetzungen für die Weiterfahrt. Ab hier hat nun Ulrike die Routenplanung übernommen. Die führte uns natürlich zuerst zurück hinaus aus diesem Tal und weiter Richtung Westen auf großer Straße, dann aber bogen wir noch einmal ab in die Berge. Das ging hier ziemlich steil hoch und durch enge Kehren mit teilweise ganz schön verworfenem Kopfsteinpflaster. Oben stand ein Schild, das uns sagte, wir seien jetzt auf 1611 Meter Höhe angekommen. Natürlich ging das auf der anderen Seite in ähnlicher Weise wieder runter, insgesamt zählten wir 49 Kehren. Nun waren wir im Tal der Soča. Dieser Bach ist unter Wildwasserfahrern sehr beliebt, auch aus unserem Verein wird sehr gerne hierhergefahren, und nun konnten wir auch gut sehen, warum. Ein munterer Wildfluss in einem sehr schönen kleinen Tal, helltürkisfarbenes Wasser spült über fast weiße Steine. Allerdings kamen wir auch an mehreren Stellen vorbei, an denen mein persönliches paddlerisches Können für eine unfallfreie Fahrt wohl nicht ausgereicht hätte.

Diese hier (Richtung Nassfeld) jedoch war offiziell gesperrt In Bovec wurde noch einmal getankt, denn hier in Slowenien war der Sprit günstiger als in Italien, wo wir nun für ein kurzes Stück durchwollten. Danach sollte es nach Österreich weitergehen über einen Pass, über dessen Namen wir uns schon gestern bei der Planung leicht beömmelt hatten: "Sonnenalm Nassfeld". Doch die Straße dorthin war gesperrt. Neben der Absperrung arbeitete ein italienischer Bauer, und als wir die Helme abnahmen, um zu beraten und ggf. neu zu planen, kam er und meinte, wir sollten uns da nicht drum kümmern. Eventuell müssten wir ein Absperrgitter beiseiteschieben, aber wenn wir etwas vorsichtig führen, dann kämen wir durch. Und während wir noch mit ihm sprachen, kamen von oben drei Motorräder, darunter eine CB1300 mit Potsdamer Kennzeichen, und machten im Vorbeifahren ebenfalls entsprechende Zeichen. Also fuhren wir. Auf weiten Abschnitten war die Asphaltdecke nagelneu, aber an etlichen Stellen lagen auch viele Krümel auf der Strecke. Und an mehreren Tunneln schien gearbeitet zu werden, wir sahen allerdings keine Menschen, und die Absperrgitter standen bereits so, dass wir da durchkamen. Oben hinter der letzten Sperre machten wir eine Pause im Schatten zweier großer Gasthäuser. Ein Österreicher kam mit einer Viertelliter-Enduro angeknattert, wir klärten ihn auf über die Lage hinter der Sperre, und er fuhr weiter. Es folgte ein Mercedes aus Düsseldorf, dessen Fahrer stieg aber nicht aus seiner Dose aus, um mit uns zu sprechen, und so drehte er bald wieder um. Die Behauptung, als Motorradfahrer habe man es leichter, mit Einheimischen oder auch sonstwem zu kommunizieren, scheint somit nicht völlig verkehrt zu sein.

Oben am Nassfeld Nach der nächsten Ecke kam die Grenze zu Österreich mit weiteren großen Hotelbauten. Hier begegnete uns ein von einem Traktor gezogener, mit Touristen gefüllter Anhänger mit den Aufschriften "Express" und "Fun und Action", diese beiden Marketingaussagen schienen uns jedoch in einem sehr krassen Missverhältnis zum verwendeten Zugfahrzeug zu stehen. Nun ging es eine ganze Weile lang auf größeren Straßen weiter, was aber auch ok war, sie boten uns in weiten Tälern schöne Ausblicke auf die umliegenden Berge. Als wir dann irgendwann doch in ein Seitental geführt wurden und uns in netten Kehren in die Höhe schwangen, ahnten wir noch nicht, dass hier die nächste Überraschung auf uns warten sollte. Aber auf halber Höhe in einer Ortschaft hielt Ulrike vor einem Bahnhof und sagte, das Navi sei der Meinung, wir sollten nun den Zug nehmen!

Tatsächlich offenbarte der Blick auf die Karte, dass die Straße hier in Mallnitz endete und nur noch eine Bahnlinie weiter nach Norden führte. Mir war zwar gestern beim Blick auf Ulrikes Planung im Gerät der lange gerade Abschnitt aufgefallen, ich hatte das aber für einen Straßentunnel gehalten, und sie offenbar auch. Etwas ärgerlicher wurde es dann, als wir versuchten, das Navi zu überreden, uns eine andere Route vorzuschlagen. Nachdem wir den Menüpunkt zum Abschalten von Eisenbahntransporten (von dem wir bis dato gar nicht wussten, dass es ihn überhaupt gab) gefunden hatten, wurde uns eine Mautstrecke vorgeschlagen. Und nachdem wir das dann auch wieder ausgeschaltet haben, hieß es: "Keine Route möglich." Dass das nun geradewegs falsch war, war klar, denn wir waren ja auf einer solchen hierhergekommen, wenn auch über weite Umwege. Und von der alten Brennerstraße wussten wir, dass wir darauf mautfrei auch auf kürzerem Wege über die Alpen in Richtung Karlsruhe gelangen würden. Aber erst, nachdem wir noch einen Wegpunkt in die Richtung (wieder nach Italien) gesetzt hatten, erinnerte sich auch unser elektronischer Helfer wieder daran. Das waren dann 640 Kilometer und in den verbleibenden zwei Tagen durchaus machbar.

Während wir auf diese Weise hier vor dem Bahnhof mit dem Tomtom kämpften, fiel uns auf, dass immer wieder auch andere Motorradfahrer hier vorbeikamen, ratlos guckten und wendeten. Unter diesen waren auch zwei Spanier auf einer Harley Electra Glide, deren Fahrer nicht nur verwegen aussah mit wallenden grauen Haaren und ebensolchem Bart, sondern der auch verwegen unterwegs war, nämlich weder mit Karte noch mit Sprachkenntnissen ausgestattet. Seine einzige Orientierungshilfe war eine Tomtom-App auf dem Handy, und er wollte nach Heiterwang (kurz vor Füssen, aber noch in AT), und zwar heute noch. Mit unserem holperigen Spanisch, der Karte und Händen und Füßen brachten wir ihn auf den Weg, und in einem waren wir uns einig: "Tomtom loco!"

Landschaftsparadies Auch wir machten uns wieder auf den Weg, zunächst natürlich wieder zurück, aber so konnten wir die schön geschwungenen Kehren in diesem Tal noch einmal genießen. Danach fuhren wir jedoch im Gegensatz zu unseren iberischen Leidensgenossen nicht mehr weit, sondern suchten uns im Hotel Mölltalerhof ein Zimmer. Dieses war allerdings mit 100 € ziemlich teuer, aber Ulrike mochte heute nicht mehr weiter. Als dann zum Ende des Abendessens Almdudlermusik ertönte und Ulrike die Stirne kraus zog, konnte ich sie necken mit den Worten "Du wolltest hier übernachten." Aber natürlich konnten wir uns dieser akustischen Belästigung schnell entziehen mit einem Verdauungsspaziergang und danach Fußball im Fernseher auf dem Zimmer (Österreich verlor gegen Island).

Tagesstrecke 326 km, km 56651

Do, 23.06.2016

Der Morgen begann perfekt mit blauem Himmel und Sonnenschein, und genauso perfekt setzte sich das dann fort. Die Dusche lieferte richtig schön viel Wasser, das sich angenehm temperieren ließ, und beim Frühstück. gab es statt Earl Grey richtigen Schwarztee mit einem Teller, auf dem man den Beutel ablegen konnte, und scharfe Messer. Alles Dinge, die wir auf dieser Reise schon mehrfach anders erlebt hatten, insbesondere in Polen schien man im ganzen Land große Sorge zu haben, die Gäste könnten sich mit den Messern womöglich die Pulsadern aufschneiden, dabei war das Essen dort ja gar nicht so schlecht.

Längst hatte sich natürlich bei uns eine Reiseroutine eingestellt, welche das Packen der Sachen und Aufrödeln der Motorräder flott von der Hand gehen ließ, und so ließ sich die gute Stimmung über weite Teile des heutigen Tages erhalten. Unsere Geduld wurde zwar manchmal durch Staus hinter Radfahrern, Traktoren, LKW oder Bussen auf eine nicht ganz leichte Probe gestellt, aber die Alpen waren schön, und danach das Allgäu ebenso.

Nach einer ansonsten ereignislosen Fahrt steigen wir schließlich für 66 € im Bayrischen Hof in Leutkirch ab. Hier machte Ulrike nach dem Abendessen wieder den Fernseher an, weil heute der Tag der Abstimmung über den Verbleib Englands in der EU war. Aber die Wahllokale sollten erst um 2300 Uhr schließen, da war nicht mehr mit einem für uns rechtzeitigen Ergebnis zu rechnen.

Tagesstrecke 405 km, km 57056

Fr, 24.06.2016

Noch unter der Dusche erreichte mich die Nachricht von der Entscheidung der Mehrheit der Engländer zum Brexit. Nun bin ich ja einerseits Anhänger der Europäischen Idee von weniger Nationalstaatentum, andererseits aber auch Gegner von zuviel Bürokratie und Gängelei. Und in diesem letzten Punkt lief die Entwicklung ja nach meinem Geschmack eher in die falsche Richtung. Und ich befürchtete, dass sich das auch nach diesem Ergebnis nicht ändern wird, denn nun machte alle Welt sich erst einmal Sorgen um die Entwicklung der Wirtschaft, es schien, als würde es noch eine ganze Weile brauchen, bis aus diesen Ereignissen auch nur annähernd die richtigen Schlüsse gezogen werden.

So wandten wir unsere Aufmerksamkeit wieder den naheliegenderen Dingen zu, der Wettervorhersage. Es sollte heute noch schön bleiben, zum Wochenende dann allerdings gewitteriger werden. So blieb auch heute unsere Fahrt ohne besondere Vorkommnisse, die Regensachen konnten verstaut bleiben. Die Behinderungen durch langsam fahrende Transportfahrzeuge waren heute auch geringer, nachdem wir daran vorbei waren, konnten wir meistens mindestens eine Viertelstunde lang frei fahren. Und da unser Zeitplan es zuließ, fuhren wir noch ein paar sehr schöne Straßen im Schwarzwald. Vor 1800 Uhr abends in Karlsruhe anzukommen hatte ja keinen Sinn, denn unsere Verwandtschaft dort musste ja heute noch arbeiten.

Tagesstrecke 340 km, km 57396

Sa, 25.06.2016

Die Wettervorhersage hatte sich bewahrheitet, die Nacht war unruhig mit Regenrauschen, richtig lautem Donner und Kindertränen. Der Tag heute sollte unbeständig bleiben, deshalb fassten wir den Plan, das Schloss von Karlsruhe zu besichtigen. Das haben unsere Gastgeber in den achteinhalb Jahren, die sie hier wohnen, auch noch nicht gemacht. Auswärtiger Besuch hilft eben doch oft, seine (Wahl-)Heimat mal von einer anderen Seite kennenzulernen. Der Eintritt kostete 8 € pro Person. Es gab eine Sonderausstellung "Cowboys und Indianer", das war etwas, was auch die Kinder interessierte. Ich warf auch noch einen Blick in die Abteilung "Absolution und Aufklärung" und begeisterte mich dort an ein paar Möbelstücken von Abraham und David Roentgen. Diese waren nicht nur sehr schön gemacht, sondern hatten auch tolle Konstruktionen von versteckten Geheimfächern, und auch ein höhenverstellbarer Tisch gefiel mir sehr.

Die Entscheidung, einen guten Teil des Tages innerhalb von Gebäuden zu verbringen, war prinzipiell richtig, denn auf dem Rückweg standen wir vor der Wahl, entweder noch eine Weile zu warten oder aber nass zu werden. Wir erwachsenen Männer entschieden uns für letzteres, was immerhin für die anderen den Vorteil hatte, dass das Essen schon beinahe fertig war, als sie endlich kamen, und ganz trocken waren sie dabei auch nicht geblieben.

Der Nachmittag stand ganz im Zeichen des Fußballs. Meine Schwägerin ist ein wirklich begeisterter Fan, und sie hat mit den Kindern zusammen ein paar Länder ausgeguckt, mit denen sie sympathisieren: Schweden, weil dort weitere Verwandtschaft lebt, Frankreich als unser Nachbar, Island als "Außenseiter der Herzen". Heute Nachmittag spielte zwar niemand davon, aber es war trotzdem spannend: Kroatien unterlag gegen Portugal in der Verlängerung, und Polen siegte erst im Elfmeterschießen über die Schweiz.

Tagesstrecke ca. 4 km (mit dem Fahrrad ohne Hilfsmotor)

So, 26.06.2016

Beim Frühstücken machte blauer Himmel Lust auf Paddeln, zum Aufbruch zogen jedoch bedrohliche Wolken auf, weshalb statt der Fahrräder diesmal die Straßenbahn genommen wurde. Der Rhein hatte einen Wasserstand von über sieben Metern und war für alle Schifffahrt gesperrt. Wir konnten jedoch auf einem Altarm herumschippern und bleiben diesmal auch trocken.

Tagesstrecke 8,3 km (mit dem Canadier)

Mo, 27.06.2016

Um das Wochenende hier sein zu können, hatten wir uns auch noch den Montag als Urlaubstag gegönnt, aber nun mussten wir zurück. Und unsere Gastgeber mussten heute schon wieder arbeiten, aber so kamen wir immerhin schon um 800 Uhr los. Und angesichts der Tatsache, dass man ja keinesfalls davon ausgehen kann, dass man an einem Werktag eine solche Strecke auf der Autobahn komplikationslos absolvieren kann, kamen wir ganz gut durch. Lediglich bei Frankfurt war es recht voll, und bei Hannover war ein Laster umgekippt. Wie immer legten wir dazwischen von Marburg bis Rinteln ein Stück auf Landstraßen zurück, und diesmal fanden wir dank Baustelle mit Sperrung dabei noch eine recht schöne Kurvenstrecke über Bracht. Dafür haben wir aber in ganz Osteuropa keine Toilette gefunden, die so verdreckt war und so stank wie diejenige des Imbisses kurz vor Rinteln, wo wir bestimmt kein zweites Mal mehr einkehren werden.

Tagesstrecke 637 km, km 58033

Gesamtstrecke 6874 km

Karten und Literatur

[1] Polen 1:700.000, Michelin Cartes et Plans, Boulogne 2015, ISBN 978-2-06-717156-5

[2] Slowakische Republik 1:200.000, Marco Polo, Ostfildern 2015, ISBN 978-3-8297-4056-2

[3] Ungarn 1:300.000, Marco Polo, Ostfildern 2016, ISBN 978-3-8297-3849-1

[4] Slowenien 1:300.000, Marco Polo, Ostfildern 2016, ISBN 978-3-8297-3844-6

[5] Geser, Rudolf: Die schönsten Motorradtouren in Europa, Südwest Verlag, München, 1. Auflage 2003, ISBN 3-517-06699-0

[6] Walewski, Stanislaw: Sprachführer Polnisch, Langenscheidt Verlag Berlin, 7. Auflage 1980, ISBN 3-468-22260-2

Habe ich gekauft, als Anfang der Achtziger in Polen die Solidarność-Bewegung entstand, wir in der Schule Lebensmittel für Polen sammelten und im Gespräch war, dort auch damit hinzufahren (was jedoch nicht erfolgte). Damals war es das Beste, was ich kriegen konnte, jetzt finde ich es nicht mehr so gut, die Bücher der "Kauderwelsch"-Reihe sind besser:

[7] Simig, Pia: Ungarisch Wort für Wort, "Kauderwelsch"-Reihe im Reise-Know-How Verlag Bielefeld, 12. Auflage 2012, 978-3-89416-053-1


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