Schottlandfahne

Schottland 2014

Nachdem wir, wie an dieser Stelle erklärt, unsere große Motorradtour im Frühjahr haben verschieben müssen, sollte es im Juli nun doch losgehen. Zum Motorradfahren in Lederklamotten war uns das in Italien allerdings inzwischen jahreszeitlich zu warm geworden, aber jetzt konnte man ja auch ein nördliches Land besuchen. Und Schottland stand schon ganz lange auf meiner Liste der unbekannten und sehenswerten Reiseziele. Ulrike war in der 12. Klasse dort gewesen, aber das war ja nun auch schon wieder ziemlich lange her.

In den Schottischen Highlands Um nun mit unseren Motorrädern dort hinzukommen, brauchten wir erstmal eine Fährpassage nach England. und das war schon einmal ein Abenteuer für sich. Früher, im Jahre 1998, konnten wir noch von quasi zuhause aus losfahren. 2004 mussten wir dafür schon nach Cuxhaven fahren. Dann wurde die Linie dort auch eingestellt. Die klassischen Abfahrtshäfen nach England liegen alle in den Niederlanden, aber wir scheuen die weite, uninteressante Anfahrt und insbesondere das Risiko, unterwegs wegen Stau auf der Autobahn womöglich noch lange aufgehalten zu werden. Deshalb sind wir 2010 von Esbjerg aus gefahren, und so sollte es auch diesmal wieder sein. Die Verbindung von Esbjerg nach Newcastle war allerdings inzwischen auch eingestellt worden, und die nach Harwich soll wohl Ende dieses Jahres das gleiche Schicksal erleiden. Also sollte es noch ein letztes Mal Esbjerg - Harwich werden. Harwich liegt zwar reichlich weit von Schottland weg, aber dann würden wir halt noch eine Strecke durch England touren, das ist auch ok. Nach Newcastle, was schon sehr weit im Norden Englands liegt, gab es eine Verbindung ab Amsterdam, aber da sollten uns die Tickets ca. 1400 € kosten, das war uns zu teuer, schon unsere Verbindung sollte mit ca. 850 € nicht wirklich ein Schnäppchen werden.

Dann war da noch das altbekannte Problem, dass man über das Internet immer nur ein Fahrzeug mit x Personen in einer Kabine buchen kann, aber niemals zwei Fahrzeuge in einer Kabine, Motorradfahrerpaare mit zwei Maschinen sind da einfach nicht vorgesehen. Also am Montag in der Mittagspause zum Reisebüro. Und bis dahin waren die günstigen Kabinen auf unserer Verbindung jetzt alle weg. Neuer Preis: 1250 €, mit außenliegender habe-mir-den-Namen-nicht-gemerkt-Suite. Also noch einmal nach Alternativen gefragt, und siehe da: Es gab auch noch eine Linie von Rotterdam nach Hull. Von Hull ist das nicht mehr sehr weit hoch nach Schottland, und dann musste es eben doch in die Niederlande gehen. Dieses Schiff fuhr aber immerhin täglich. Das mit den zwei Fahrzeugen bei nur einer Kabine machte aber offenbar noch große Probleme, denn nach der Bestellung dauerte es noch ganze 5 Tage, bis ich wenigstens eine telefonische Bestätigung bekam, und eine weitere Woche, bis ich für 709 € die Tickets für Hin- und Rückfahrt in den Händen hielt.

Sa, 12.07.2014

Nachdem der Tag weniger mit einem üppigen Frühstück als vielmehr der Vernichtung der letzten verderblichen Lebensmittel begonnen hatte, kamen wir nach letzten Handgriffen am Reisegepäck um 1030 Uhr los. Noch am Dienstag hatte es sintflutartige Regenfälle gegeben, und mir war im Kollegenkreis vorgeworfen worden, daran schuld zu sein, weil ich auf diese Weise offenbar schon einmal auf das zu erwartende Wetter eingestimmt werden sollte, aber danach ist es trocken und richtig warm geworden, und dieses Wetter sollte sich anscheinend auch heute fortsetzen. Und auch unsere Befürchtungen hinsichtlich Stau sollten sich nicht bewahrheiten, bis wir Amersfoort erreichten, wo ein Stück Autobahn gesperrt war. Da wir bis hierhin gut im Zeitplan lagen, fuhren wir dann ein Stück über Land. Da kamen wir zwar nur recht langsam voran, weil die Gegend doch sehr dicht besiedelt ist, aber weil die Niederländer ja ganz allgemein ein Faible für hübsch gestaltete Häuser haben, war das ganz nett.

In Rotterdam wurde noch einmal für die Fährfahrt eingekauft bei einem Lidl, den Ulrike als "fest in muslimischer Hand" beschrieb: "5 Kassen, davon drei besetzt mit verschleierten Frauen, und zwei mit Typen, die so aussahen, als legten sie Wert darauf, dass ihre Schwestern sich verschleierten". Dann ging es weiter ca. 40 Kilometer weit durch den Hafen. Zuerst sagte das Navi alle Minute "bleiben Sie links oder "bleiben Sie rechts", was bedeutete, dass sich die Autobahn teilte, dann folgten etliche Abfahrten, die nicht immer einen Ortsnamen hatten, aber immer eine Angabe wie "Häfen 5500 bis 5600", und geradeaus ging es weiter bis Hafen 9900.

Um 1720 Uhr erreichten wir den Fährhafen. Die Abfertigung gestaltete sich äußerst zügig, und das Schiff war auch schon da. Über eine schmale gewundene Rampe ging es zu einem recht kleinen Eingangstor in der Seitenwand des Dampfers. Drinnen war für Motorräder eine Spur in Zweierreihen vorgesehen, wo in bestimmten Abständen Gurte mit Ringen darin quer über den Boden verspannt waren. Da sollte man die Maschine mit der Sitzbank genau darüber abstellen und dann mit einem Gurt über den Sitz in rechts und links je einen Ring des Gurtes eingehakt das Mopped festzurren.

An Bord sollte abends noch das WM-Spiel um den 3. Platz gezeigt werden, aber wir beschränkten uns darauf, nach der Abfahrt um 1930 Uhr die frisch gekaufte Verpflegung zu essen, die Tour für morgen ins Navi zu hacken und früh zu Bett zu gehen, denn morgen sollten wir bereits um 800 Uhr ankommen.

Tagesstrecke 562 km, km 24679 (los bei km 24117)

So, 13.07.2014

Um 600 Uhr wurden wir per Lautsprecher geweckt, aber zum Glück war das nach englischer Zeit und somit eine Stunde später als in Deutschland. Die Überfahrt war richtig ruhig gewesen, wir haben keinerlei Schiffsbewegungen bemerkt unterwegs. Allerdings hatte Ulrike sich noch die Ohrstöpsel herausgeholt und meinte, dem Lärm nach hätten wohl die Holländer gestern gegen Brasilien gewonnen. Wenn ich hingegen erst einmal schlafe, bekomme ich so etwas meistens auch nicht mehr mit. Das Verlassen des Schiffs und die Abfertigung beim Zoll ging recht zügig, lediglich das Abnehmen der Helme wurde bei der Passkontrolle von uns verlangt. An Bord war noch durchgesagt worden, dass Bürger von Nicht-EU-Staaten ein spezielles Dokument auszufüllen hätten, welches an der Rezeption erhältlich gewesen sei. Da ist es doch ganz angenehm, dass die Engländer auch (noch) Mitglied in der EU sind.

Die Motorradtour begann mit der Suche nach einer Tankstelle und einem Geldautomaten. Der Fährhafen lag ja nicht wie in Rotterdam oder Harwich außerhalb, sondern wir kamen sofort direkt in die Stadt. Dabei entstand bei mir (wieder einmal) der Eindruck, englische Häuser sähen entweder richtig schick oder aber total heruntergekommen aus.

Ein "warmes" Willkommen Sicher bedingt durch die zentrale Lage fehlten hier jegliche Hinweise auf den Linksverkehr, wie wir sie von Harwich noch kilometerweit gewohnt waren. Da war es vielleicht ganz gut, dass die Landschaft zunächst nicht so ansprechend war, recht flaches Ackerland, da konnten wir uns die ersten Kilometer ganz auf das Fahren konzentrieren. Später wurde es zwar hügeliger, aber gleichzeitig auch feuchter. Schon gestern Nachmittag hatte sich der Himmel zugezogen, und heute war alles grau. Die Bushaltestelle, an der wir die Regensachen herausholten, lag passenderweise gegenüber eines Gasthofes mit der Aufschrift "A warm welcome".

Dieses Willkommen war zeitweise ganz schön ergiebig, aber gegen Mittag wurde es langsam wieder trocken, und die Sonne kam sogar zaghaft hervor. Nun konnten wir die Fahrt wieder richtig genießen, im Laufe des Nachmittags wurde das Wetter immer besser. Unser Plan sah vor, zwischen Newcastle und Carlisle nach Norden zu fahren und dann nach Westen zu schwenken. Besonders gut hat uns unterwegs die B6277 gefallen, die lange Zeit ganz einsam entlang eines kargen, aber reizvollen Tales auf Alston zuführt. Bei Dumfries schwenkten wir dann auf die Tour Nr. 2 aus [1] ein. Und die dort vorgeschlagene Route auf der A 712 über New Galloway war noch ein Volltreffer, ganz einsam in vielen Kurven durch schöne Natur, einfach traumhaft.

Schottland begrüßte uns trocken Eigentlich wollten wir nun weiter Richtung Stranraer, aber so langsam wurde es auch Zeit, eine Unterkunft zu suchen. Ulrike sah einen diesbezüglichen Hinweis nach Wigtown und bog dahin ab, nicht wissend, dass a) es bis dorthin noch relativ weit war, und b) der Ort als die nationale Buchladenstadt angepriesen wurde. Aber wir bekamen problemlos ein Zimmer für 60 GBP im Wigtown Ploughman Hotel, und beim anschließenden Gang durch den Ort stellte sich heraus, dass die Buchläden hier nun doch nicht so verlockend aussahen, als dass ich als bekennender Bücherwurm morgen früh noch extra Zeit für einen Besuch darin einplanen musste (außerdem ist die Kapazität meiner Koffer leider sowieso begrenzt).

Nach dem Abendessen (Lammkoteletts) gingen wir noch auf ein Bier in den Pub nebenan, wo das Finalspiel um die Weltmeisterschaft gezeigt wurde. Das Interesse daran war mehr als mäßig: 4 junge Männer, von denen einer eine große Brasilienflagge als Cape trug (es war jedoch Argentinien, das heute gegen Deutschland spielte), gingen in der Halbzeitpause. Nach einer weiteren Viertelstunde fühlte Ulrike sich zu bettschwer, und als es zum Ende der regulären Spielzeit immer noch 0:0 stand, ging auch ich und ließ die Bedienung, die schon aufzuräumen begonnen hatte, Feierabend machen.

Tagesstrecke 466 km, km 25145

Mo, 14.07.2014

Die Dusche hatte ein Gerät zur Warmwasserbereitung an der Wand hängen, dem Design nach aus den Siebzigern. Dieses hatte nur zwei Regler und einen Knopf zum ein- und ausschalten. Und wenn man da draufdrückte, erhob sich ein Höllenlärm, eine Mischung aus Generatorbrummen und Staubsaugerheulen. Aber es kam passend warmes Wasser, und das war ja die Hauptsache.

Während wir beim Frühstück saßen, kam ein Paar mit einem großen schwarzen Hund und setzte sich an den Nachbartisch. Als die Bedienung erschien, fing das Tier an, kräftig zu knurren. Freundliche Worte von ihr fruchteten genauso wenig wie Ermahnungen der Herrchen, und einen gehorsamen Eindruck machte der Hund schon vorher nicht. Das Tier hörte damit aber schlagartig auf, als die Bedienung fragte, was die Herrschaften denn frühstücken möchten. Das erinnerte uns stark an die Erzählung von Freunden von uns, die mit ihren zwei Labradoren (die ja nicht völlig zu Unrecht als gefräßig gelten, aber diese sind Blindenführhunde, somit leidlich erzogen) im Zug saßen, und auf die Lautsprecherdurchsage "Verehrte Fahrgäste, in wenigen Minuten erreichen wir die Stadt Essen" hätten die Hunde freudig mit dem Schwanz gewedelt, weil sie offenbar den Namen des Bahnhofes verstanden, das Wort aber in anderem Zusammenhang gekannt hätten.

Einsame Straßen Bei der Abfahrt war der Himmel bedeckt, zeigte aber nur leichtes Grau. Da ging es dann erstmal schön über kleinere Straßen Richtung Westen, später kamen wir kurz auf die A 75 und nach Castle Kennedy. Ulrike machte sich etwas Sorgen wegen der Tankstellendichte in Schottland und wollte die Intervalle verkürzen, also wurde hier aufgefüllt. Als sie vom Bezahlen wiederkam, fragte ich sie, ob sie drinnen auf einer Zeitungstitelseite gesehen hatte, ob denn gestern Argentinien oder Deutschland Weltmeister geworden ist, aber sie hatte nicht darauf geachtet. Und mir war es nicht wichtig genug, um noch einmal hereinzugehen. Wichtiger schien uns, den Reifendruck zu prüfen (in Großbritannien in der Regel per Münzautomat für 50 Pence) und dann auch, die Regensachen anzuziehen.

Mull of Galloway Lighthouse Nun wurde auf kleinen und kleinsten Straßen die Halbinsel "The Rins" erkundet, zuerst in südlicher Richtung. Als wir am Mull of Galloway ankamen, hatte der Regen kurzzeitig aufgehört, aber sehr windig war es. Hier am südlichsten Punkt Schottlands war nicht viel los, es gab einen alten Leuchtturm und ein Café. Von hier aus wollte ich eigentlich versuchen, auf kleinen Straßen entlang der Westküste nach Norden zu kommen, bei der Planung gab es jedoch ein Stück nördlich von Port Logan, wo das Navi keine Straße kannte, es sah allerdings auf der Karte so aus, als ob dort eine verlaufen könnte. Dem war aber nicht so, beide Enden waren als Sackgasse ausgeschildert. Inzwischen regnete es auch wieder, teilweise heftig, und eine Weile lang hatten wir den Eindruck, als seien die Wolken bis auf Meereshöhe hinabgesunken.

Als auch das gerade eben wieder aufgehört hatte, erreichten wir das nördliche Ende der Halbinsel. Das letzte Stück zum Corsewall Lighthouse war frisch erneuert und sollte eigentlich Asphalt sein, sie hatten aber so viel Rollsplitt darauf verteilt, dass es aussah und sich auch so anfühlte wie eine Schotterpiste. So wartete Ulrike an der Abzweigung auf mich, während mich die Neugier weitertrieb, damit ich feststellen konnte, dass die 2 Meilen lange Strecke zur Hälfte war wie gerade beschrieben, und zur anderen Hälfte in einem so schlechten Zustand war, dass man sich wünschte, sie wäre wenigstens so, wie gerade beschrieben. Und der Leuchtturm war umgewandelt in ein Hotel, so dass ich mich dort gar nicht weiter lange aufhielt.

Hinter Stranraer gingen wir auf die A 77, um etwas Strecke zu machen. Damit muss man allerdings vorsichtig sein, denn dies war einer der Abschnitte, wo alle Autos per Kamera ähnlich wie bei Toll Collect erfasst werden und dann ermittelt wird, ob man eine bestimmte Distanz so schnell zurückgelegt hat, dass man dabei unmöglich die zulässige Geschwindigkeit eingehalten haben kann. Ob diese Geräte allerdings auch Motorradfahrer von hinten erfassen können, habe ich nicht versucht zu beobachten.

In Ardrossan war Schluss für heute, denn für die als nächstes vorgesehene Überfahrt auf die Insel Arran war es schon zu spät. Als Vorbereitung wurden die Tanks noch einmal gefüllt, und hier kam Ulrike von der Kasse zurück mit den Worten "Wir sind Weltmeister".

Im Hotel Lauriston checkten wir ein Zimmer für 65 GBP und bekamen auch eine leckere Lasagne mit Rotwein (den allerdings nur aus Übersee) im hauseigenen Restaurant. Zuvor musste Ulrike aber erstmal ihre Stiefel trocknen, die bei der Regenmenge heute leider Wasser gezogen hatten. Das ist inzwischen fast schon Routine, und meistens hatten wir auf Tour noch die Wochenendausgabe des Hamburger Abendblattes mitgenommen und dann zum Ausstopfen der nassen Stiefel zweckentfremdet. Diesmal haben wir das bewusst nicht getan, um den Regen nicht auf diese Weise heraufzubeschwören. Aber mit den Seiten der Zeitschrift "Der Spiegel" ging das auch, wenn das Papier davon auch nicht ganz so saugfähig ist. Zum Ausgleich gab es hier kostenloses WiFi, und im Internet konnten wir dann sehen, dass morgen das Wetter besser werden sollte.

Tagesstrecke 283 km, km 25428

Di, 15.07.2014

Die heutige Tour ging erst einmal nur ein ganz paar Kilometer, nämlich zur Fähre nach Arran. Die Tickets kosteten für 2 Motorräder hin und zurück 92,70 GBP, das Schiff fuhr ab um 945 Uhr und die Überfahrt dauerte 55 Minuten. Und hatte es beim Aufladen noch leicht getröpfelt, so konnten wir während der Fährfahrt tatsächlich an Deck in der Sonne sitzen. Interessant war zuvor noch die Methode des Verladepersonals, die Motorräder zu sichern: Ich sollte die Tenni neben einer Wand auf dem Hauptständer parken, dann wurde dort ein Kälberstrick befestigt, über meine Sitzbank gezogen und an dem Griff festgebunden, an dem ich die Maschine zum Aufbocken anheben kann. Das war alles.

Ein Fischerdorf an der Küste In Brodick angekommen, herrschte zuerst wie oft bei solchen Gelegenheiten leichtes Chaos auf der Straße, denn die meisten frisch angekommenen Fährgäste mussten sich anscheinend erst einmal orientieren. Und gerade, als ich dachte, die Planlosen endgültig hinter mir gelassen zu haben, nahm mir jemand, der aus einem Golfresort auf die Straße wollte, die Vorfahrt. Es musste wohl mal wieder an der Zeit gewesen sein, den japanischen Ingenieuren einen stillen Dank zu leisten für gute Bremsen und ein tadelloses ABS.

Zunächst sollte die Insel gegen den Uhrzeigersinn einmal umrundet werden. Die Straße verlief dabei zwar meistens, aber nicht immer entlang der Küste. Ziemlich zu Anfang wurde einmal ein großer Berg abgeschnitten, hier war die Landschaft nun zum ersten Mal so, wie ich mir Schottland vorgestellt habe: Grüne Wiesen mit selten mal einem Busch dazwischen. Aber weite Teile der Route verliefen direkt am Wasser mit schönen Ausblicken auf das Meer. Uns begegneten nicht besonders oft andere Fahrzeuge, und diejenigen, die in gleicher Richtung fuhren, schienen ausnahmslos Touristen zu sein, die sehr langsam unterwegs waren, zum Glück war ein Überholen immer einigermaßen zeitnah möglich. Die Qualität der Straße war aber stellenweise ziemlich schlecht.

Pladda Lighthouse (auf einem Inselchen südlich von Arran) Ungefähr in der Mitte der Runde passierte es dann, dass ich im Graben landete. Dies aber zum Glück nicht mitsamt dem Motorrad. Vielmehr hatte ich angehalten, um ein Foto zu machen, war abgestiegen und wollte drei Schritte entlang der Fahrbahn zurückgehen, weil sich von der Stelle aus der beste Blick bot. Den ca. einen Meter tiefen Graben hatte ich wegen hoch wucherndem Kraut nicht bemerkt, fand mich aber unversehens mit dem rechten Bein eine Etage tiefer wieder. Im Graben stand zum Glück nur wenig Wasser, und meine Stiefel sind noch dicht, aber ich nahm einiges an Schlamm mit nach oben. Ulrike lachte mich freundlicherweise nur einen kurzen Moment lang aus, meinte aber später noch, ich hätte doch jetzt keine Stollenreifen mehr auf meiner Enduro, solle mich also auch gefälligst vom Schlamm fernhalten.

Nachdem der Kreis um die Insel geschlossen war, nahmen wir nun noch die Straße unter die Räder, die durch die Berge auf die andere Seite führte. Viel mehr weitere Möglichkeiten gab es auch gar nicht mehr, schon hier mussten wir die gleiche Strecke hin und zurück fahren. Landschaftlich war das noch einmal vergleichbar mit dem Bergabschnitt auf dem Anfang des Rundkurses. Zum Zweitenmal wieder in Brodick angekommen hatten wir einmal mehr richtig Glück, denn wir bekamen gerade noch die Fähre, die uns um 1350 wieder zurück nach Ardrossan brachte, sie hatte wohl leichte Verspätung.

Für den Nachmittag galt es nun, wieder etwas Strecke zu machen, nämlich zwischen Glasgow und Edinburgh hindurch weiter nach Norden zu kommen. Das geschah recht unspektakulär auf größeren Landstraßen, sogar ein kurzes Stück Autobahn war dazwischen. Als wir dann langsam wieder in weniger dicht besiedelte Gegenden kamen, rückte auch die Zeit der Zimmersuche näher. Fündig wurden wir im Woodside Hotel für 75 GBP. Auf dem Hof standen schon zwei Motorräder. Die beiden Besitzer aus Bristol erzählten, sie seien gestern noch irgendwo in England bei einer Militär-Flugveranstaltung gewesen und hätten dort keinen Tropfen Regen abbekommen. Aber immerhin hatten wir das heute im Prinzip auch nicht.

Tagesstrecke 270 km, km 25698

Mi, 16.07.2014

Der Blick aus dem Fenster vor dem Frühstück belehrte uns darüber, dass hier die Vegetation während des Sommers keinesfalls die Gelegenheit bekommen sollte, gelb zu werden. Die beiden Motorradfahrer aus Bristol meinten, gegen 1400 Uhr solle das besser werden, sie würden sich solange das hiesige Schloss angucken. Aber wir wollten solange nicht warten, zudem aus 1400 Uhr auch leicht mal 1600 Uhr werden konnte. So wurden die Regensachen gleich zur Abfahrt angezogen.

Dafür klangen die Ortsnamen in meinen Ohren jetzt schon richtig schottisch: Strathyre, Lochearnhead, Crianlarich. Und die Landschaft am Loch Lomond hätte schön aussehen können, leider waren die umliegenden Höhen von tiefliegenden Wolken verdeckt. Wir fuhren am Westufer entlang nach Süden, dort wurde es trocken und der Himmel heller, unten dann quer und auf der Ostseite wieder hoch (und zurück in den Regen), solange es ging. Diese Straße endete nämlich im Nirgendwo, genauer gesagt vermutlich an einer Jugendherberge, irgendwann war sie nur noch für Gäste derselben freigegeben. Und bis dahin war sie recht eng, einigermaßen kurvig, stellenweise auch schlecht und wartete mit ein paar stärkeren Steigungen auf.

Regen am Loch Lomond Nachdem wir am Endpunkt kurz die schöne Aussicht auf den See genossen hatten, erlebten wir das Ganze dann in umgekehrter Richtung, Strecke wie Wetter. Aber auf halbem Wege hoch am Westufer bogen wir dann links ab auf die A 83. Pünktlich zu 1400 Uhr bekamen wir in Arrochar noch einmal richtig die Schüttung. Danach verlief die Route in einem richtig schönen Tal, und auch die tiefliegenden Wolken wurden weniger. Und zum Tanken in Inveraray war es trocken, sah allerdings nicht so aus, dass man es schon wagen konnte, die Regensachen auszuziehen. Gegenüber der Tankstelle war ein Souvenirladen mit großem Parkplatz, und von dort klang Dudelsackmusik herüber. Weil wir gesehen hatten, dass sie um die Ecke herum eine Art Festzelt aufgebaut hatten, vermutete ich eine größere Veranstaltung und ging mal gucken. Aber es war nur ein einzelner Mann, der sich im Schottenrock auf dem Parkplatz aufgestellt hatte, dort für die Fahrgäste eines Reisebusses Musik machte und in einem geöffneten Koffer neben sich Geld dafür einsammelte.

Irgendwo unterwegs führte unsere Route auf eine Querstraße, wir mussten Vorfahrt gewähren, und tatsächlich kam gerade jetzt dort ein Auto. Im Vorbeifahren merkten wir, dass es sich dabei um einen Lautsprecherwagen handelte, der unentwegt und offenbar vom Tonband irgendwelche Texte in die Gegend hinausposaunte. Nur gab es außer uns und eben dieser Gegend hier nichts weiter, nicht einmal Bäume, geschweige denn Häuser mit Leuten darin, die sich dafür hätten interessieren können. Wahrscheinlich war die Besatzung einfach nur zu faul gewesen, zwischen den Ortschaften (die hier aber sehr weit auseinanderlagen) das Band anzuhalten.

Im weiteren Verlauf der Reise merkten wir, dass hin und wieder mal irgendwo für das "YES" geworben wurde, was wahrscheinlich auch hier der Fall war, aber wir konnten den Text rein akustisch nicht verstehen. Das ganze bezog sich auf das Referendum vom 18. September, wo es darum ging, ob sich Schottland von England lösen sollte oder nicht. Ich selber bin in dieser Frage ja sehr gespalten: Einerseits habe ich große Sympathie für jede Freiheitsbestrebung von Menschen, die sich von anderen Leuten fremdbestimmt fühlen, andererseits entspräche eine Trennung von England und Schottland nicht dem, was ich für den Europäischen Gedanken halte, nämlich dem Überwinden engstirnigen Nationalstaatentums.

Schließlich kamen wir nach Oban, wo wir wieder eine Fähre nehmen wollten, nämlich auf die Insel Mull. Wir sahen das Schiff auch einlaufen und wollten uns beeilen, den Dampfer noch zu kriegen. Das missglückte aber gründlich, weil wir durch eine rote Ampel getrennt wurden und ich dann weit vorne vor den Autodächern nur noch einen hellen Helm sehen konnte. Der fuhr dann aber an der Abzweigung, an der die Fähre ausgeschildert war, vorbei, und es dauerte eine Weile, bis ich ihn soweit eingeholt hatte, um zu erkennen, dass ich inzwischen ein ganz anderes Motorrad verfolgte.

So fuhr die Fähre um 1600 Uhr ohne uns, das nächste Schiff sollte um 1800 Uhr gehen, das erschien uns aber zu spät, um drüben noch eine Unterkunft zu suchen. Drum mieteten wir uns auf dieser Seite gleich für zwei Nächte ein, nämlich im Newhaven Guesthouse, einem B&B mit Zimmern für 70 GBP.

Tagesstrecke 313 km, km 26011

Do, 17.07.2014

Duart Castle Heute klappte die Fahrt zur Fähre natürlich tadellos. Beim Kaufen der Tickets (teuer mit 117,60 GBP!) hieß es allerdings zunächst, die 1000-Uhr-Fähre sei komplett ausgebucht, dann aber, für Motorradfahrer finde man immer noch ein Plätzchen. Und wir bekamen sogar die regulären zwei Motorradplätze zwischen den Fahrspuren.

Der Ankunftsort drüben auf der Insel (Craignure) war sehr überschaubar, es gab eigentlich nur ein paar Häuser entlang des Ufers. Entsprechend schnell verteilten sich auch die Ankömmlinge, und es konnte losgehen. Auch hier hatten wir wieder einen Rundkurs geplant, mit einem Abstecher Richtung Westen nach zwei Dritteln der Strecke. Und sehr bald bekamen wir echtes Schottland-Feeling geboten, denn unsere Route war fast ausschließlich als Single Track Road ausgebildet. Das bedeutet, die Straße war nur eine Fahrspur breit, und hin und wieder war an einer Seite noch eine Bucht hinzugefügt, wo sich zwei Autos begegnen konnten. Diese "Passing Places" gab es zwar sehr oft, aber gerade am Anfang (gegen den Uhrzeigersinn) ging es in vielen Kurven auf und ab durch die Hügel, dass man gar nicht weit vorausschauen konnte. Das machte die Fahrt dann doch recht anspruchsvoll.

Ein paar vereinzelte Tropfen zu Beginn der Runde (nicht genug, um die Regensachen hervorzuholen) konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Landschaft ganz toll war. Ein grüner Pflanzenteppich, meist Gras, manchmal Farne und Büsche, seltener Bäume, hatte sich mehr oder weniger sanft auf die Berge und Hügel, gelegt, hin und wieder brach sich braunes Gestein darunter Bahn. Und von dieser Landschaft gab es viel, Ortschaften waren selten und bestanden immer nur aus wenigen Häusern. Und zu allem Überfluss besserte sich auch das Wetter, es wurde und blieb trocken, der Himmel klarte langsam auf, und am Nachmittag schien die Sonne. So fuhren wir mal durch das Binnenland, mal am Ufer entlang, aber immer in schöner Umgebung und freuten uns des Lebens.

Die Straßen bleiben einsam Auch der Abstecher auf die A 849 nach Fionnphort war schön. Auf diesem Stück musste man aber besonders aufpassen auf Schafe, die frei und also manchmal auch auf der Straße herumliefen. Von den Tieren gab es prinzipiell zwei Sorten, die einen waren vor einer Weile geschoren worden, und die anderen hatten sich zu dem Zeitpunkt offenbar erfolgreich versteckt.

Vom Endpunkt des Abstechers aus hätte man jetzt nur noch eine Fähre auf die kleine Insel Iona nehmen können, wir sind lieber wieder umgekehrt, unmittelbar bevor dieses Schiff anlegte und eine Reihe langsamer Touristenwagen auf "unsere" Straße entließ. Mit einem Touristen hatte wir kurz vorher schon so eine Erfahrung machen müssen: Ein Mercedes mit englischer Nummer kam uns entgegen, hatte die Ausweichbucht auf seiner Seite, blieb aber auf meiner Fahrspur stehen, und erst als ich da war und unmittelbar vor ihm anhielt, fiel dem Fahrer wohl ein (oder er wurde von seiner Beifahrerin darauf hingewiesen), dass hier Linksverkehr herrschte. Ich wette, das war ein Mietwagen mit Insassen von Kontinent.

Nachdem wir auf den letzten 10 Meilen noch einige "Cattle Grids" (Gitter in der Fahrbahn, die verhindern sollen, dass das Vieh die Straße benutzt, um sich an Zäunen vorbeizuschmuggeln) überquert haben, kamen wir von der anderen Seite wieder nach Craignure. Bis zur Abfahrt der Schiffes zurück war es noch etwas Zeit, also setzten wir uns noch eine Weile vor den Pub in die Sonne. Die Motorräder parkten währenddessen neben einer älteren BMW GS, die den Aufklebern auf den Alukoffern schon in Neuseeland, Gibraltar und beim Elefantentreffen 2006 war, deren Besitzer aber nicht zu sehen war. Und vor der Auffahrt auf die Fähre warteten zusammen mit uns noch zwei Fahrradfahrer, von denen der eine ein T-Shirt trug mit der Aufschrift "Escape from Alcatraz Triathlon" mit einer schwarzen Gefängnissilhouette und einem Suchscheinwerferkegel.

Beim Abendspaziergang drüben in Oban lockten mich im Hafen die Masten einer Brigantine an. Aber von dem Schiff dazu war nichts zu sehen, weil es an einem fetten Restaurantschiff angelegt hatte. Von schräg vorne konnte ich immerhin noch den Bug mit Namen sehen, es war die Lady of Avenel.

Tagesstrecke 207 km, km 26218

Fr, 18.07.2014

Beim Aufstehen machte Ulrike mich auf das Quietscheentchen im Bad aufmerksam, was ich ohne Badewanne (es gab nur eine Duschkabine) schon für etwas überflüssig gehalten hatte. Aber es handelte sich um kein gewöhnliches Gummitier. Auf seiner Unterseite konnte man einen Schalter umlegen, dann leuchtete es variierend in blau, violett, rot, gelb und grün. Angesichts dieser High-Tech-Ausstattung war es natürlich jetzt völlig einleuchtend, dass dieses B&B etwas teurer war als die anderen vorher.

Auch heute schien die Sonne, und es versprach, ein schöner Tag werden zu wollen. Am Ortsausgang von Oban stand allerdings auf einer Anzeigetafel der Text "Heavy Rain Forecast". Aber das wollten wir erst einmal nicht glauben.

Zunächst fuhren wir auf großen Straßen nach Norden. Die boten uns durchaus schöne Landschaft, es war jedoch auch einiger Verkehr, der einen Teil meiner Aufmerksamkeit forderte. Trotzdem kamen wir gut voran, in Fort William wunderte ich mich, dass es erst 1018 Uhr war. Ein Stück später hielt ich kurz an einem Parkplatz an der Straße, dem Glengarry Viewpoint, von dem aus man eine schöne Aussicht auf das Tal hatte. Hinter uns hielt ein Passat, dessen Fahrer mir auffiel, weil er schottische Tracht trug. Das war aber nicht seine Alltagstracht, sondern er baute sich vor einem Felsen auf und fing an, Dudelsack zu spielen, dieselbe Melodie, die ich schon neulich auf dem anderen Parkplatz gehört hatte.

Eilean Donan Castle Die weitere Strecke führte uns auf der A 87 entlang des Loch Duich, an dessen Ende das Castle Elian Donan in Sicht kam. Diese Burg ist wohl die bekannteste Burg des ganzen Landes, und natürlich musste auch ich hier einen kurzen Halt einlegen. Es gab eine spezielle Stelle zum Parken für Motorräder, ein Visitor Centre mit Souvenirshop und natürlich wieder einen anscheinend obligatorischen Dudelsackspieler. Ulrike fragte: "Spielen die hier eigentlich immer dasselbe?" Na klar, das war "Scotland the brave", eine der inoffiziellen Nationalhymnen Schottlands.

Da wir der Meinung waren, so langsam vielleicht doch genug Geld für Fährfahrten ausgegeben zu haben, nahmen wir die Brücke auf die Insel Skye. Von dieser Insel hieß es, sie sei herber als die Insel Mull, und das war auch so. Die Vegetation schien gelber zu sein, es gab nicht so viele Bäume, dafür verteilten sich hier vielmehr weißgestrichene Häuser in der Landschaft. Auch Touristen schien es hier mehr zu geben, die sich aber nicht zu verteilen, sondern vielmehr in der Stadt Portree zu konzentrieren schienen, hier war viel Betrieb, was uns aber recht sein konnte, wir fuhren nach einer kurzen Pause einfach weiter. Aber auch sonst war hier, wo nun wieder die Single Track Roads begannen, etwas mehr los. Von der Felsformation "The Storr" zum Beispiel habe ich keine Fotos gemacht, weil wir gerade zuvor einen Bus und ein Wohnmobil endlich überholen konnten und ich befürchtete, bei einem wie kurzem Halt auch immer diese Bremsklötze auf Rädern wieder vor uns zu haben. Je weiter wir nach Norden kamen, umso mehr verteilte sich das dann aber doch.

An einer Ausweichstelle, wo wir dann doch mal wieder Gegenverkehr durchlassen mussten, stellte ich mir innerlich die Frage, ob man denn diesen gelben Felsen da direkt neben dem Asphalt nicht noch hätte entfernen können oder ob ich etwa darauf den linken Fuß würde absetzen müssen, als sich der "Felsen" bewegte. Es war ein Schaf, was da lag, und zwar von der Sorte, die sich 3 Jahre lang erfolgreich versteckt gehalten haben musste.

Aussicht von der Trumpan Church Unsere Route führte uns oben im Bogen an der Küste entlang, wieder herunter und machte dann einen Abstecher nicht in eine Sackgasse, sondern zu einer Stelle, an der der Weg einmal um eine alten Friedhof herumführte. Der Friedhof selbst schien noch in Benutzung zu sein, von der Kirche standen jedoch nur noch Mauerreste. Und die schienen sehr alt zu sein, das Fenster hinter dem Altar hatte die Form einer Schießscharte.

Im Ort Dunvegan schließlich wurde es neben dem Tanken auch langsam Zeit, eine Unterkunft zu suchen. Schon vorher war uns aufgefallen, dass die B&Bs unterwegs, von denen es durchaus einige gab, alle das Schild "No Vacancies" zeigten. Bei der Frage im ersten Hotel nach einem Zimmer erfuhren wir auch den Grund dazu: Der Clan McLeod halte hier ab morgen eine Woche lang sein Clanparlament ab, alles sei ausgebucht, und wenn wir ein freies B&B finden würden, sollten wir sofort zuschlagen. Gleich ein paar Häuser weiter war es aber schon so weit. Ulrike kam zurück mit der Info: "Ein Vorteil und zwei Nachteile: Es kostet nur 50 GBP, teilt sich aber das Bad mit dem anderen Zimmer und hat keine Stehhöhe." Ok, für sie nur ein Nachteil, für mich deren zwei. Unsere netten Wirtsleute Martina und Al meinten, der Clan veranstalte dieses Parlament alle 4 Jahre und habe eben vor 4 Jahren alle Unterkünfte gebucht, ihr B&B sei aber ganz neu und deswegen nicht betroffen. Das Haus war ein kleines Cottage mit Küche, Wohnraum und Bad unten und oben zwei Zimmern mit Dachschräge nach beiden Seiten und dazwischen 1 Meter Decke mit 175 cm Höhe. Das Gebäude war möglicherweise an die 500 Jahre alt, so genau wussten die Besitzer das auch nicht, und hatte so dicke Wände, dass es möglich war, im Badezimmer das Waschbecken vollständig in die Fensterbank einzubauen.

Vor dem Abendessen gingen wir noch ein Stück spazieren. Hinter der Tankstelle rechts ab, über den Bach und ein kleines Stück den Berg hoch standen zwei Bänke, von denen aus man auf die Bucht und über den Ort hinweg schauen und die Stille genießen konnte. Dann gingen wir zurück zu den Hotels. Im ersten, das uns von den Wirtsleuten empfohlen worden war, gab es kein Essen, und im zweiten zögerte der Wirt auch einen Moment, bis er uns doch an einen Tisch setzte. Hier gab es babylonische Vielfalt unter den Gästen - eine Gruppe Engländer, eine Familie Franzosen und zwei Italiener, da passten wir als Deutsche perfekt dazu - und dieselbe einheitliche Speisekarte wie in den Häusern, in denen wir zuvor auf dieser Reise gegessen hatten. Aber der Lachs schmeckte.

Tagesstrecke 377 km, km 26595

Sa, 19.07.2014

Nach dem gewohnt üppigen Frühstück hieß es packen, aufladen, sich verabschieden, Helm aufsetzen und losfahren. Doch während Ulrikes Bandita, die normalerweise immer beim Kaltstart eine halbe Minute braucht, bis sie sauber Gas annimmt, heute sofort voll da war, wollte die Tenni gar nicht. Der Anlasser drehte zwar den Motor prima durch, aber die Maschine wollte partout nicht anspringen. Schon nach kurzer Zeit merkten wir am Geruch, dass das gestern frisch getankte Benzin dabei durchaus präsent war. Auch mehrfaches längeres Warten zwischen den Versuchen brachte keine neuen Ergebnisse. Unser Wirt Al, der gestern bei unserer Ankunft gerade an dem Radlager des Autos eines Nachbarn schraubte, brachte eine Flasche Start-Pilot. Aber wir fanden keine Stelle, an welcher die Luft in den Luftfilter eintreten konnte und an der wir die Spraydose hätten ansetzen müssen. Auch die Zündkerzen schienen bei der Tenni nicht erreichbar, ohne dabei das halbe Motorrad auseinanderzunehmen. Und das Handbuch für die Maschine, in dem das eventuell beschrieben steht, hatte ich nicht dabei, der Platz unter der Sitzbank ist so begrenzt, dass ich eine Ersatzbrille an der Stelle für wichtiger gehalten habe. Als letzte Maßnahme schoben wir die Kiste auf die Straße und den Berg hinunter, um auf diese Weise den Motor einen längeren Moment lang und vielleicht auch schneller zu drehen. Aber es war erfolglos. Unten kam ein Guzzi-Fahrer dazu, der zwar seine Hilfe anbot, unter diesen Umständen aber auch nur in das "Give me an old vintage classic bike, and i'll repair everything" unseres Wirtes einstimmen konnte. Immerhin bekamen wir die Tenni mit vereinten Kräften wieder zurück.

So beschlossen wir um 1130 Uhr, dass das jetzt doch mal ein Fall für unseren 14 Jahre alten und bisher unbenutzten ACE-Schutzbrief war. Dort kam ich auch einigermaßen schnell dran, man nahm meine Daten auf und versprach, diese sofort an die Partnerorganisation in England weiterzuleiten, dann würde sich jemand bei mir melden. Da das sicher eine Weile dauern würde, fuhr Ulrike alleine los auf den nächsten geplanten Abstecher, der in 350 Yards von hier beginnen und nicht sehr weit führen sollte.

Kurz vor 1300 Uhr kam der Rückruf von einem gewissen Mike, der noch viermal anrufen musste, weil die Verbindung immer wieder unterbrochen wurde, und dann versprach, "in 75 Minutes" sei jemand da. Und mehr als pünktlich um 1400 Uhr erschien dann auch ein Abschleppwagen aus Portree vor dem Hof, ein junger Mann stieg aus, ließ sich von mir den Sachverhalt erklären und meinte, da könne er im Moment auch nichts machen. Seinen Worten meinte ich entnehmen zu können, dass er gehofft hatte, es handele sich um ein Problem aus der Kategorie "Killschalter vergessen" oder "kein Benzin mehr", und außerdem habe man ihm gesagt, es handele sich um eine 125er statt einer 1200er. Er meinte, er müsse die Maschine nicht unbedingt jetzt mitnehmen, das könne sich vor Montag doch niemand, der etwas von Motorrädern versteht, ansehen. Also vereinbarten wir, dass er Montag um 900 Uhr wiederkommen würde. Ich gab ihm schon einmal meine Fahrgestellnummer mit, dann könnte er parallel Erkundigungen einholen, in Inverness sollte es einen Yamaha-Händler geben.

Kurz nachdem er wieder weg war, erschien Ulrike zurück, und wir bezogen wieder unser altes Zimmer. Da wir nun alle Zeit der Welt hatten, konnten wir jetzt auch einen Blick in das "Giant Angus MacAskill Museum" direkt gegenüber werfen. Ich hatte mich schon etwas über den Namen amüsiert, da es sich um ein keineswegs gigantisches, sondern sehr kleines reetgedecktes altes Haus handelte, Aber den Name erklärte sich dann dadurch, dass der Namensgeber bereits als junger Erwachsener eine Größe von 2 Metern und 33 Zentimetern erreicht hatte. Neben etlichen Informationstafeln, einem Bett, einem Stuhl, einer Jacke und einem Paar wollener Strümpfe von beeindruckenden Abmessungen hatte man eine Reihe Gegenstände aus alter Zeit anscheinend wahllos zusammengetragen, das meiste in schlechtem Zustand und alles fürchterlich eingestaubt - wir fanden nicht, dass sich die 2 GBP Eintritt pro Person gelohnt hatten.

Die älteste Bäckerei auf Skye Auf dem Rückweg vom anschließenden Spaziergang machten wir Halt bei Jann's Cakes, wo Ulrike neben einem Kaffee einen Kuchen orderte, der sich "Rocky Road" nannte und aus Schokoladentalern, Marshmallows, kandierten Kirschen, Rosinen und kleinen Keksen bestand, die durch erstarrte Schokolade zusammengehalten wurden, das Werk zeigte seinem Namen entsprechend eine ausgesprochen unregelmäßige Oberfläche. Ich nahm nebst einer Tasse Kakao einen Apple Pie und ein Stück Talisker Whisky Fudge, der hier nach Gewicht verkauft wurde. Später begann es dann, wieder mal zu regnen, so dass wir den Gang zu Abendessen und anschließendem Bier unter einem Regenschirm antreten mussten. Aber immerhin war es windstill, nach Aussage unserer Wirtin Martina benutzt man hier auf der Insel gar keine Schirme, weil sie einem normalerweise sehr schnell kaputtgeblasen würden.

Tagesstrecke 0 km

So, 20.07.2014

Da auch heute die Ténéré nicht zünden wollte, sollte es ein ganz ruhiger, erholsamer, um nicht zu sagen fauler Tag werden. Ulrike schwang sich auf ihre Maschine, um die Abstecher in der Nähe, die wir uns noch so ausgeguckt hatten, abzufahren, aber ich hatte wenig Lust, mich dazu auf die kleine Bandit zu falten, zudem war die Luft draußen auch relativ feucht. Also fuhr sie alleine und ich verbrachte den Tag damit, Wäsche zu waschen, diesen Reisebericht auf Stand zu bringen und zu lesen. Beim Gang die Treppe hoch fiel mir ein Buch "Teach yourself Irish" ins Auge, welches in einer ganzen Reihe anderer Bücher dort auf dem Absatz stand, und weil mich Sprachen immer interessieren und ich zudem meinen Krimi schon zu ¾ durchgelesen hatte, beschäftigte ich mich auch eine Weile lang damit. Relativ schnell wurde klar, dass das irische Gälisch keine Sprache ist, in die man mal schnell eintauchen kann. Die Ausspracheregeln sind komplex, es gibt nicht nur kurze und lange Vokale, sondern auch "schlanke" und "breite" Konsonanten, viele Kombinationen von Konsonanten mit dem Buchstaben H und Vokale, die nicht geschrieben werden. Dazu hieß es, diese Regeln seien "fairly regular", was ich so interpretiere, dass es durchaus Ausnahmen gibt, wenn auch nicht ganz so häufig. Dann gibt es nicht nur Formen wie den Plural, die ein Wort am Ende abwandeln, sondern wenn man beispielsweise das besitzanzeigende "mein" davorsetzt, kann es sich auch am Anfang verändern. Es gibt kein "ja" oder "nein", sondern man muss zur Bestätigung den Umstand noch einmal wiederholen oder sagen "das ist es." Und dass man nicht sagen kann "Sheila mag Musik", sondern etwas sagt wie "Musik ist gut mit Sheila", finde ich schon wieder lustig. Und, und nur deshalb berichte ich hier so ausführlich darüber, das Irisch-Gälische und das Schottisch-Gälische sollen sich sehr ähnlich sein.

Am Nachmittag kam wieder Regen auf, aber Ulrike hatte ihre Tour noch einigermaßen trocken zu Ende bringen können. Für den Abend hatten wir diesmal einen Tisch im Old School Restaurant reserviert, hier bekamen wir richtig gutes Essen, allerdings auch zu guten Preisen. Und sie hatten hier eine Whisky-Karte. Der einzige Whisky, den ich bisher kennen- und schätzen gelernt hatte, ist ein Laphroaig von der Insel Islay mit einer sehr torfigen Note. Der Talisker jetzt stammte hier von dieser Insel und war etwas milder, gefiel mir dabei auch richtig gut. Auf dem Rückweg konnte man über die Flussmündung hinweg auf den gegenüberliegenden Bergen die Sonne scheinen sehen, während auf unserer Seite alles unter dunklen Wolken lag.

Abendstimmung in Dunvegan mit besserem Wetter in Aussicht

Tagesstrecke 0 km

Mo, 21.07.2014

Nach dem Frühstück mussten wir gar nicht lange warten, bis der Abschleppwagen wieder kam, diesmal nicht mit dem Boss, sondern zweien seiner Schrauber. Wir probierten wieder, ob die Tenni nicht doch noch anspringen wollte, auch mit dem Ersatzschlüssel, falls es an der Wegfahrsperre liegen sollte. Die beiden hatten eine mobile Batterie zum Überbrücken mitgebracht, damit drehte der Anlasser inzwischen zwar etwas schneller, aber mehr passierte auch nicht. Also kam die Tenni auf den Schandwagen und wurde zu Firma Morrison nach Portree gebracht, Ulrike fuhr mit ihrer Maschine hinterher. Dort trafen wir den Boss Stephen von Sonnabend früh wieder. Der klemmte sich ans Telefon und organisierte einerseits die Kostenübernahme des Transportes und andererseits die Reparatur der Yamaha. Von der Werkstatt in Inverness bekam er jedoch die Auskunft, man könne die Maschine zwar reparieren, aber nicht vor Ende der Woche. Ein weiterer Yamaha-Händler befand sich in Perth. Das war zwar weiter, aber dort sagte man, man könne sich des Problems widmen, solange die Maschine noch vor 1800 Uhr dort eintreffen würde. In der Zwischenzeit hatte ich noch einmal bei meiner Werkstatt in Hamburg angerufen und von dort den Tipp bekommen, zu versuchen, die Maschine mit richtig Vollgas zu starten, dann würde die Einspritzanlage nicht mehr einspritzen und das würde manchmal funktionieren, ansonsten wären es wahrscheinlich die Zündkerzen. Auf meinen Einwand, dass die Zündkerzen doch hoffentlich gerade erst bei der Inspektion im April bei ihm ausgewechselt worden seien, bekam ich eine Antwort, die im Prinzip einem Schulterzucken gleichkam. Gerade aufgelegt, wurde ich von Mike von der englischen Pannenhilfsorganisation angerufen und um Hilfe gebeten, Er hätte versucht, vom Deutschen ACE die Freigabe für den Transport nach Perth zu bekommen, würde dort aber niemanden erreichen. Also rief ich die Hotline an und bat darum, die Freigabe zu übermitteln, und mir wurde zugesagt, sich darum zu kümmern. Dann raus zum Motorrad und den Start mit Vollgas versucht, leider ebenso ohne Erfolg. Inzwischen hatten die Männer sie schon von dem Pritschenwagen in einen Van verladen für den längeren Transport. Schon klingelte wieder mein Handy, dran war Mike, der mir eröffnete, der ACE habe die Kostenübernahme für Perth abgelehnt, weil zu weit entfernt. Meine spontane Reaktion konnte zum Glück niemand hören, denn aus dem Van neben mir kam gerade ohrenbetäubender Lärm. Die Jungs hatten nach meinem Versuch noch einmal die Überbrückungsbatterie angeschlossen und es selbst versucht, und jetzt kam sie, wenn auch mit Qualm und lautem Husten, das von dem Wagenkasten noch um ein Vielfaches verstärkt wurde.

Nachdem die Maschine nun rund und sauber lief, war der Plan klar: Nicht wieder ausmachen, runter vom Wagen, aufsitzen und versuchen, die Werkstatt in Perth aus eigener Kraft zu erreichen, vollgetankt war sie ja. Bezahlen musste ich nichts, Stephen meinte, der Papierkram sei klar, und wünschte mir viel Glück. Und los ging es auf die Straße über die Südinsel und über die Brücke. Natürlich ist es mit der Sorge wegen einer unzuverlässigen Maschine im Hinterkopf nicht ganz einfach, die Landschaft zu genießen, aber es gelang mir doch irgendwann einigermaßen. Zuerst auf dem Festland gab es viel Wald, wir kamen wieder am Eilean Donan Castle und am Glengarry Viewpoint vorbei, später dann links ab auf die A 86. Dort mussten wir dann doch einmal anhalten, weil Ulrikes Navihalter zerbröselte (kurz zuvor hatte ihre Bandita 100.000 Kilometer auf dem Tacho, aber das Foto davon hatte sie schnell alleine gemacht, während ich derweil langsam weitergefahren bin). Das war jetzt so langsam richtig ärgerlich, denn der Halter an meinem Motorrad hatte schon länger aufgehört, das Gerät mit Strom zu versorgen, so dass wir dazu übergegangen waren, uns nicht tageweise mit dem Vorfahren abzuwechseln, sondern jetzt meistens ich mit über Nacht vollgeladenem Akku damit begann, bis das Gerät akuten Strommangel anzeigte, und wir dann tauschten. Nun würde die Sache spannend werden, denn einen kompletten Fahrtentag hielt der Akku inzwischen einfach nicht mehr durch. Wir würden uns also in Zukunft damit behelfen müssen, den Tomtom auf langen Geradeausstrecken zwischendurch mal abzuschalten.

Da ich bei diesem kurzen Halt dann auch noch so blöd war, versehentlich den Seitenständer auszuklappen und damit den Motor abzuwürgen, er aber ohne Mucken sofort wieder ansprang (puuh!), schien das Problem mit dem Starten wenigstens offenbar nur den Kaltstart zu betreffen. Weiter ging es auf recht einsamer Straße durch ein weites Tal, eingerahmt von baumlosen Bergen, auf denen sich oben in geschützten Ecken sogar noch etwas Schnee befand. Wir hatten uns schon vorher gewundert, wieso hier hohe Stangen zur Markierung der Straßenränder aufgestellt waren wie in den Alpen. Schließlich führte uns die Route auf die A 9, eine große Straße, die immer mal wieder zweispurig in jede Richtung ausgebaut war, und wir kamen so gegen 1700 Uhr nach Perth.

Nachdem uns das Navi eine hohe Steinmauer zeigte und behauptete, wir hätten unser Ziel erreicht, fuhren wir die Straße ein Stück weiter und fanden Drysdale Motorcycles. Das war wohl in erster Linie eine Werkstatt für KTM, aber es stand auch Suzuki, Yamaha und einiges sonst dran. Sie erinnerten sich an den Anruf vom Morgen, schoben die Tenni sofort auf die Bühne und nahmen sie auseinander. Um an die Zündkerzen zu kommen, bedeutete das: 4 Seitenverkleidungen ab, Tank trennen, lösen und hochklappen (da gibt es hinten ein Scharnier, und sinnigerweise läuft so auch kein Benzin aus) und Luftfilterkasten ab. Jetzt weiß ich auch, wo man das Start-Pilot-Spray ansetzen müsste, aber um die Öffnung im Normalzustand zu treffen, müsste man das Zeug durch einen etwa anderthalb Handspannen langen Schlauch dorthinpusten. Und die Zündkerzen hatten sie natürlich nicht da, könnten aber versuchen, sie zu morgen früh zu besorgen.

Sie waren auch so nett, für uns herumzutelefonieren wegen einer Unterkunft. In 4 oder 5 B&Bs war schon alles voll, es finde irgendein Festival in der Stadt statt, aber in einem (allerdings nicht ganz billigen) Hotel um die Ecke sei noch etwas frei. So wurde also schnell das Gepäck umgepackt, meine Koffer blieben ja mit der Tenni hier, und ich setzte mich auf den Fahrersitz der Bandit. Mit Ulrikes Vorgängermaschine, einer kleinen Zephyr, bin ich ganz gerne mal gefahren, mit dieser hier so gut wie nie, und ich wusste sofort wieder, warum. Tiefergelegt, Gabel durchgesteckt, tiefgestellte Sitzbank, ich musste mich ziemlich falten auf dem Ding. Und bei der Auffahrt auf den Hotelparkplatz gingen auch prompt die vorderen Federn auf Block.

Im Parklands Hotel war tatsächlich für 119 GBP noch ein schönes und großes Zimmer zu bekommen. Hier waren die Seiten der Fensternischen mit Holz ausgekleidet, das war etwas, wo ich mich schon manchmal beim Tapezieren gefragt habe, warum das bei uns nicht genauso gemacht wird. Das ist nämlich die Stelle, die am ehesten feucht und grau wird, und mir scheint, das wäre in Holz leichter sauberzuhalten. Aber hier war die Sache offenbar besonders clever gemacht: Man konnte die Seitenverkleidungen aus- und zu einem Fensterladen aufklappen.

Zum Abendessen gingen wir in die Stadt und fanden im Salutation Hotel ein Restaurant, wo ich einmal das schottische "Nationalgericht" Haggis, Tatties and Neeps probieren konnte. Der Haggis, so etwas wie eine Grützwurst, schmeckte mir sehr gut. Dass dieser kräftig gewürzt war, fand ich auch ok, bei den Tatties (gestampften Kartoffeln) war das schon eher gewöhnungsbedürftig, die Neeps (gekochte und zerkleinerte Steckrüben, denen mittels Karotten rote Farbe zugefügt wurde) hätten gerne etwas süßer sein dürfen. Auch eine Whiskykarte gab es hier, als Digestif kostete ich heute einen 10 Jahre alten Glengoyne, der als rich beschrieben wurde, die vielfältigen Aromen hätten "Gelegenheit, sich ungehindert auszudrücken". Auf mich wirkte das in Summe eher nur medizinisch, wahrscheinlich sagt es mir besser zu, wenn eines der Aromen klar die Richtung vorgibt (und die muss mir dann natürlich auch noch gefallen). Ulrike kommentierte das mit: "Also Torf. Dann beiß' doch in einen Komposthaufen" Sie mag dieses Aroma eben überhaupt nicht.

Auf dem Rückweg gingen wir noch in den Park neben dem Hotel. Hier schien es gar keine Wege zu geben, die Bänke standen mitten auf dem Rasen. Offenbar braucht man, wenn alle kreuz und quer gehen dürfen und das auch tun, keine festen Wege, weil sich alles verteilt und der Rasen das dann aushält. Später haben wir gesehen, dass es in diesem Park doch Wege gibt, aber nur zwei, die sich in der Mitte kreuzen.

Tagesstrecke 319 km, km 26914

Di, 22.07.2014

Nach dem Frühstück ging es wieder zurück zur Werkstatt. Aber natürlich waren wir zu früh, die Kerzen waren noch nicht eingetroffen. Also wanderten wir ziellos durch den Laden, guckten uns endlose Reihen von "echten" Geländemotorrädern an und ebenso lange Kleiderständer mit zugehörigen Klamotten, vorwiegend in den Farben weiß und orange. Irgendwann kamen tatsächlich die Kerzen, und meine Maschine wurde wieder zusammengesetzt. Der Mechaniker meinte, es könne durchaus an schlechtem Sprit gelegen haben, und durch seine Rede klangen deutliche Vorbehalte bezüglich der Benzinqualität "auf den Inseln" durch. Abgesehen davon, dass ich mir nicht vorstellen konnte, dass das Zivilisationsgefälle hier so groß sein sollte, fragte ich mich doch, was denn wäre, wenn ich stattdessen vorhätte, mit der Ténéré zum Beispiel nach Wladiwostok zu fahren? Die Frage gab ich weiter und bekam zur Antwort, ich solle es bleiben lassen oder einen guten Schrauber mitnehmen. Ich blieb skeptisch, hatte ich doch erst kürzlich ein Buch gelesen von jemand, der mit einer Ténéré kreuz und quer durch Nord- und Südamerika gereist ist [6], ohne von derartigen Problemen zu berichten. Wie auch immer, am Ende bezahlte ich für 4 Zündkerzen à 9,99 GBP plus 2 Stunden Arbeit insgesamt 172 GBP, und wir konnten unserer Wege fahren.

Da diese ganze Aktion unsere Routen- und Zeitplanung ja nun vollständig durcheinandergebracht hatte, mussten wir nun quasi von vorne anfangen (und Edinburgh beispielsweise wurde gleich komplett gestrichen). Für den Anfang hatte Ulrike eine Route angelehnt an Tour Nr. 5 aus [1] entworfen. Diese sollte uns natürlich nicht schnurgeradeaus, sondern schon etwas im Zickzack an schöne Ecken führen. Ein solcher Schlenker brachte uns zuerst nach Westen an die Seen Loch Tay und Loch Rannoch. Nachdem wir letzteren beinahe komplett umrundet hatten, ging es wieder zurück Richtung Osten, diesmal entlang des Nordufers vom Loch Tummel. Am Queen's View fuhren wir vorbei, weil wir ja gerade kurz davor Pause gemacht hatten und es so aussah, als ob man vom Parkplatz noch ein Stück laufen musste. Heute wie schon gestern schien aber schön die Sonne und es war richtig warm, da hatten wir keine Lust auf lange Wege in Leder. Also fuhren wir ohne Halt weiter über die A 924 von Pitlochry nach Kirkmichael und dann auf die A 93 in den Cairngorms National Park. Die Landschaft hier sah aus wie irgendwo in den Alpen oberhalb der Baumgrenze, und sogar ein Ski-Resort (Glenshee) gab es kurz hinter der Passhöhe, aber die Straßenführung war deutlich mehr straightforward (es gab keine Serpentinen, sondern nur leichte Schwünge). Bei Wikipedia kann man lesen, dass das früher einmal anders gewesen ist.

Im nächsten Ort wurde erst getankt, und weil einerseits der Akku des Navis in seinen letzten Zügen lag und andererseits jetzt wahrscheinlich lange Zeit kein weiterer Ort kommen würde, fuhren wir ein paar hundert Yards zurück, um im Braemar Lodge einzuchecken. Hier bekamen wir statt eines Zimmers ein Cabin, also eine Hütte auf dem Gelände für 88 GBP, in der wir richtig viel Platz hatten incl. Aufenthaltsraum mit Küche und Sofaecke. Also eigentlich war das ja viel zu viel Platz, das haben wir alles gar nicht genutzt.

Statt dessen sind wir (nach einem kleinen Spaziergang durch den Ort) rüber in den Gasthof gegangen. Hier bekamen wir nicht nur etwas zu Essen, sondern auch Bier namens "Sheepshaggers Gold" von der Cairngorm Brewery. Diese Brauerei hatte die Gastwirtschaft auch mit kleinen Deckchen für den Tresen ausgestattet, darauf hieß es: "Brewed to be wild in the Mountains", und daneben war ein Schaf auf einem Motorrad abgebildet. Das fand ich ganz passend, obwohl wir ja nun nicht besonders wild unterwegs gewesen waren, aber der Stoff schmeckte prima, da nahmen wir doch glatt noch ein Pint mit nach draußen, um auf einer Bank im Garten den Tag langsam ausklingen zu lassen.

Tagesstrecke 233 km, km 27147

Mi, 23.07.2014

Den Stangen nach scheint hier im Winter durchaus Schnee zu liegen Eigentlich war ich der Meinung, wir hätten uns inzwischen hinreichend an den Linksverkehr gewöhnt, aber heute Morgen ging Ulrike beim Losfahren doch auf die falsche Seite, und ich musste sie von hinten erst einmal durch Hupen "zurechtweisen". Wie gestern schon erwartet war die Strecke zu Beginn sehr einsam. Im Verlauf der A 939 wurden wir mehrfach darauf hingewiesen, dass wir gerade den Don überquerten. Der war hier so weit im Westen sehr klein, und eigentlich hätten wir am Don ja auch Kyrillische Buchstaben erwartet, so kann man sich täuschen. Und nachdem wir die letzten Höhen erreicht hatten und zu Tal auf Inverness zufuhren, kam Nebel auf. Da war dann endgültig klar, dass wir uns nicht etwa in Russland befanden, und alle schottischen Wetterklischees waren komplett. Hinter Inverness Richtung Norden kam eine Gegend, in der viel Getreideanbau betrieben wurde, das war für Schottland eher ungewöhnlich. Lustig fanden wir auch den Hinweis zu einem Unternehmen namens Highland Deepwater, wohnte dieser Bezeichnung doch ein krasser Gegensatz inne.

Nachdem wir neulich schon den südlichsten Festlandspunkt von Schottland besucht hatten, stand für heute der nördlichste auf dem Programm, nämlich Dunnet Head. der lag etwas abseits der Straße, war aber auf asphaltiertem Weg zu erreichen. Die Publikumsdichte schien diesen Ausbauzustand allerdings heute in keinster Weise zu rechtfertigen, wir waren beinahe alleine hier. Das kann am bewölkten Himmel, vor allem aber am Wind gelegen haben, der eiskalt über die karg bewachsenen Kuppen pfiff. Da hatten wir gar keine Lust, zur Pause auch nur unsere Jacken aufzumachen, und beim Bedienen der Kamera für die obligatorischen Fotos fingen die Finger schnell an, klamm zu werden.

Auf der Weiterfahrt längs der Küste kamen wir in die kleine Stadt Thurso, und weil es schon später Nachmittag war und die Gelegenheit gerade günstig, dachten wir, wir könnten ja schon einmal anfangen, nach einem Zimmer zu fragen. Und das war gut so, denn wir probierten mehrere Hotels und B&Bs, jedoch ohne Erfolg. Am Ortsausgang im Weigh Inn klemmte sich der sehr hilfsbereite Mann hinter dem Empfangstresen sogar ans Telefon und fragte bei gefühlt etwa 10 weiteren Häusern im Ort und entlang der Straße nach, aber es schien alles voll zu sein. Bei diesen Aussichten beschlossen wir, unsere Route für heute erst einmal nicht weiter zu verfolgen, sondern lieber nach Süden zu schwenken, zuerst die A 9, dann die A 882. Notfalls mussten wir bis nach Inverness zurück, aber dort sollte ja wohl etwas zu finden sein. Im nächsten Ort namens Watten gab es ein Gasthaus an der einzigen Kreuzung, aber auch die hatten keine Zimmer. Aber am Ortsausgang sollte es ein B&B geben. Dort, es war das Loch Watten House, dasselbe Spiel, alle Zimmer schon vergeben. Aber auch hier griff die Dame zum Telefon, und siehe da, beim Nachbar-B&B konnten wir unterkommen. Das Bilbster House lag etwa vier Kilometer entfernt, links einen Weg hinein, quasi über einen Bauernhof hinweg, nämlich zwischen zwei Scheunen hindurch und durch einen aus Kletterpflanzen bestehenden Torbogen hindurch kamen wir zu einem alten Herrenhaus. Darin bekamen wir auch tatsächlich ein passend stilvoll eingerichtetes Zimmer. Da ich allerdings so etwas überhaupt nicht gewohnt bin, stieß ich mir an einer etwas hervorstehenden Verschnörkelung so doll den Fuß, dass ich noch mehrere Monate lang einen blauen Zeh davon hatte. Auch der Wasserhahn war gewöhnungsbedürftig. Ulrike kam zu mir: "Ich kriege das Warmwasser nicht auf!" Ok, sowas kennt man(n) ja. Also herzhaft zugegriffen, aber verdammt, das ging ja tatsächlich nicht, mit aller Gewalt nicht. Irgendwann habe ich, schon etwas vergrätzt ("das muss doch gehen!") daran gerüttelt, und auf einmal ging das ganz leicht, nur in die andere Richtung! Und das war offenbar bei dieser alten Garnitur wirklich so gedacht, das kalte Wasser gegen, das Warmwasser jedoch im Uhrzeigersinn aufzudrehen.

Bilbster House Zum Abendessen setzten wir uns zu zweit auf die Ténéré (so konnte wenigstens Ulrike ein Bierchen trinken) und fuhren das kurze Stück nach Watten wieder zurück zum Brown Trout, wo wir vorhin schon nach Zimmern gefragt hatten. Drinnen in der Gaststube saßen als einzige andere Gäste vier Leute an einem Tisch und vertrieben sich die Zeit mit etwas, was Ulrike und ich abschätzig "Party" nannten. Das geht zurück auf eine Veranstaltung des Kollegiums meiner Firma vor zwei Jahren: Jedes Jahr werden mehrere große Wochenendhäuser angemietet in Dänemark bei Hvide Sande, rund 30 Leute fahren hoch für ein Wochenende plus zwei Urlaubstage. Weil die Häuser aber eine ganze Woche gemietet sind, gibt es die Option auf Verlängerung, und ab dann sind auch Angehörige zugelassen. In jenem Jahr fiel der Maifeiertag auf den Mittwoch danach, so kam Ulrike Dienstagabend hoch, um am Feiertag gemütlich mit mir noch eine Tour durch Dänemark zu machen. Nachdem sie angekommen und ausgepackt hatte, hieß es, wir gehen jetzt alle rüber in das Haupthaus, und auf ihre Frage, was denn dort los sei, hieß es: "Party". Das größte der Häuser wird nämlich als Partyhaus deklariert, wo alle abends zusammenkommen (können), und diejenigen, die darin wohnen, wissen, dass es da nicht ganz so ruhig zugehen wird wie anderswo. Dort angekommen fanden wir einige meiner Kollegen um einen großen Tisch versammelt vor, und fast jeder guckte auf sein Smartphone, und die, die mit uns gekommen waren, setzten sich dazu und machten dasselbe. Irgendwann wurden dort die Geräte dann zwar beiseitegelegt, und es wurde noch ein netter Abend, aber der Moment hatte doch einen bleibenden Eindruck hinterlassen und zu einem geflügelten Wort bei uns geführt. Und hier war es uns natürlich herzlich egal, wie unsere Nachbarn sich die Zeit vertrieben, solange wir in Ruhe vernünftiges Essen genießen konnten, und das konnten wir dann auch.

Tagesstrecke 438 km, km 27585

Do, 24.07.2014

Heute Morgen war beim Aufstehen bestes Wetter, klarer blauer Himmel, und die Sonne schien. Unser Wirt meinte dazu nach dem Frühstück, vor wenigen Stunden sei noch dichter Nebel gewesen, dass er den Baum dort drüben kaum habe erkennen können. Über die Frage nach unserer weiteren Reiseroute kamen wir ins Klönschnacken. Er meinte, auch von Edinburgh gab es früher mal eine Fähre in die Niederlande, die aber wegen finanzieller Probleme irgendwann eingestellt, bald mit einem neuen Betreiber wieder aufgenommen und erneut eingestellt wurde. Sowas hatten wir auch schon in Italien erlebt, im Internet einen Fahrplan recherchiert und zwei Monate später vor Ort erfahren, dass die Linie nicht mehr existierte. Und unter diesem Stichwort "reliable Ferries" erzählte er dann folgendes: Es habe in Schottland mal eine Fähre gegeben über die Mündung des Firth of Kyle-irgendwas (den Namen habe ich mir nicht merken können, eine Art Fjord jedenfalls), die irgendwann durch eine Brücke ersetzt werden sollte. Am Tag der Eröffnung dieser Brücke sei er mit seiner Familie dorthin gefahren, um noch ein letztes Mal die alte Fähre zu benutzen. Deren Kapitän habe aber dann unterwegs das Schiff angehalten, die Brücke von innen abgeschlossen und sich betrunken. Die Mannschaft habe die Tür aufbrechen müssen, bevor die Fähre ihre letzte Fahrt vollenden konnte.

Unsere ursprünglich geplante Route wollten wir natürlich erstmal weiterverfolgen, weshalb es jetzt wieder zurück nach Thurso ging, dann weiter auf der A 836 entlang der Küste. Die Landschaft war zunächst unspektakulär bis hinter Reay, ab dort dann aber schön und einsam. In Tongue schwenkten wir dann nach Süden. Schon lange waren wir wieder viel auf Single Track Roads unterwegs, die uns durch sehr einsame Gegenden brachten. Zwei Fahrradfahrer vor uns waren offenbar so entrückt von der Wirklichkeit, dass Ulrike sie durch einen kurzen Tipp auf die Hupe wecken musste, damit sie uns vorbeiließen. Eine Karawane von 4 alte Minis aus der Schweiz, die wir vorgestern in Braemar schon gesehen hatten, machte hingegen freiwillig Platz. Später konnte ich von hinten deutlich sehen, wie ein weiterer einzelner Radfahrer zusammenzuckte, als er von Ulrike überholt wurde. Das kommt davon, wenn man "vernünftig" ist und seinen Serienauspuff an der Maschine belässt.

In Lairg wurde es wieder zivilisierter, es gab sogar eine Tankstelle, die wir so langsam auch mal gebrauchen konnten. Eine Fahrradfahrerfamilie, Vater, Mutter und beinahe erwachsene Tochter, tankte hier Kaltgetränke auf, und wir kamen ins Gespräch. Sie waren Italiener, und der Vater wollte so gerne sein Deutsch an den Mann bringen, dass ich keine Chance hatte, mit meinem Italienisch gleiches zu versuchen. Ein Stück weiter, inzwischen wieder mitten in der Wildnis, mussten wir erkennen, dass auch auf den einsamen Single Track Roads Staus möglich sind. Ursache war ein kleiner LKW, der offenbar eine Panne hatte und mitten zwischen zwei Passing Places liegengeblieben war. Mit den Motorrädern kamen wir allerdings immer noch daran vorbei, und danach versuchten es auch die PKWs, aber wir mochten uns nicht so gerne vorstellen, dass nachher der Abschleppwagen womöglich eine gute Strecke hierher würde rückwärts fahren müssen, weil es in der Nähe keine richtige Wendemöglichkeit gab.

Am Loch Ness Schließlich führte uns die Route wieder an Inverness vorbei und auf der A 82 am Loch Ness entlang. Natürlich hielten wir zu unserer nächsten Pause an einem Viewpoint am Seeufer an, und ich machte Fotos. Ulrike meinte, von Nessie sei ja nun nicht viel zu sehen, aber ich hätte doch im letzten Winter diesen Lehrgang in digitaler Bildbearbeitung gemacht, vielleicht könne ich das mit dem Monster zuhause "noch etwas verdeutlichen", was ich aber ebenso natürlich nicht getan habe. In Drumnadrochit machten wir nach rechts einen kurzen, aber schönen Abstecher nach Cannich und wieder zurück. Das fanden wir lohnend und abwechslungsreich, ausnahmsweise gab es nämlich viel Wald hier beim Caledonischen Graben.

Die Ruinen von Urquhart Castle Der nächste Stopp war beim Urquhart Castle, wieder ein großer Parkplatz mit viel Betrieb. Ich erinnere mich zwar nicht explizit an einen Dudelsackspieler, aber eigentlich muss auch hier einer gewesen sein. Vielleicht beim Castle selbst, aber der Eintritt sollte 7,90 GBP pro Person kosten, und da wir von der Straße aus nur Ruinen gesehen hatten, hatten wir beschlossen, dass sich das nicht lohnt. Ulrike ging also nur kurz auf die Suche nach Toiletten, die gab es aber wohl nur für zahlende Besucher, und sie setzte hinzu: "So riecht es hier auch." Also schnell weiter. Nun gab es viel Verkehr auf großer Straße, und wir sahen mehrere Unfälle: Einer war links die Böschung hinuntergerutscht, die Feuerwehr war schon da, ein LKW lag rechts im Graben, aber auch da liefen schon eine Menge Leute drumherum. Schließlich erreichten wir Fort William. Hier meinten wir, dass es für heute genug war und fanden im West End Hotel ein Zimmer für 80 GBP.

Mein Bordthermometer hatte vorhin 30°C angezeigt. Ich weiß zwar, dass diese Zahl zu hoch gegriffen ist, aber warm war uns dennoch. Also als erstes ab unter die Dusche. Bald hörte man mich rezitieren: "Walle, walle, manche Strecke, dass zum Zwecke Wasser fließe", aber es floss nichts, sondern tröpfelte nur. Sie waren hier offenbar europäisch genug, Wassersparduschköpfe zu installieren, was die Erfrischung leider spürbar entschleunigte. Zu warm für einen Gang in Stadt war uns indessen nicht, solange wir nicht die Ledersachen wieder hätten anziehen müssen. Die vielen Bergsteiger, die sich sicherlich wegen des nahen Ben Nevis hier in der Stadt tummelten, brauchten sich hingegen nicht umzuziehen, auch in der Fußgängerzone waren etliche mit Wanderstöcken unterwegs. Wir fanden eine Bar, in der man auch etwas zu Essen bekommen konnte, was sich ein wenig von der üblichen Speisekarte abhob, nämlich Quesadillas. Die waren hier gut gewürzt und somit eine wirkliche Bereicherung. Ich fragte den Barmann, ob ich hier eventuell auch das Sheepshaggers Gold Bier von neulich bekommen könne. Er verneinte das indes, hatte zwei ähnliche Biere zur Auswahl, von denen er mir je ein kleines Glas zum Probieren eingoss. Nach dem Essen machten wir noch einen Abstecher an den See und haben noch eine Weile auf den Mauern des alten Forts gesessen und die Wärme genossen.

Tagesstrecke 388 km, km 27973

Fr, 25.07.2014

Fort William und der Ben Nevis Ein kleines bisschen Zeit hatten wir noch, also gönnten wir uns noch eine kleine Rundtour nach Nordwesten, die wir wieder mal dem Buch [1] entnommen hatten. Zunächst über den River Lochy und auf der A 830 Richtung Küste, gefiel uns der Abschnitt hinter dem Loch Eil schon mal richtig gut. In Lochailort bogen wir dann links ab auf die A 861, um so einen Kringel gegen den Uhrzeigersinn einzuleiten. Als wir durch Glenuig fuhren, wurde neben der Straße ein Aerius-Faltboot von einem Parkplatz in Richtung Wasser getragen. Während ich noch überlegte, ob es nicht doch irgendwie möglich wäre, mein Faltboot mit dem Motorrad zu transportieren, tauchte auf der Straße vor mir ein Schwung Schafe auf und mahnte mich, mich erst einmal auf diese Tour hier zu konzentrieren, statt jetzt schon Pläne für die nächste zu machen. Eine ganze Weile später wurde durch einen vor uns herfahrenden Mercedes weitere Dynamik aus unserer Fahrt genommen. Denn hier auf den schmalen Straßen war an ein Überholen nur zu denken, wenn man vorbeigelassen wurde, und den Gefallen tat sein Fahrer uns nicht. Aber ganz so schlimm war das auch wieder nicht, denn einerseits fuhr er nicht so langsam, dass es gar nicht auszuhalten gewesen wäre, und andererseits war es nun an ihm, zu gucken, ob keiner entgegenkommt und man den schmalen Abschnitt bis zum nächsten Passing Place befahren konnte, ohne Ärger auszulösen. So konnten wir also ganz gemütlich hinterherzockeln und die Landschaft etwas intensiver genießen. Diese verstärkte Wahrnehmung der Umgebung lohnte sich auch, sowohl in den kargen Hügeln wie auch nachher am Loch Linnhe, wo wieder viele Bäume standen. Und irgendwann bog der Daimler natürlich auch mal ab und überließ die Strecke wieder ganz uns. Am nordöstlichen Ende vom Loch konnte man gegenüber die Stadt Fort William sehen, bevor Ufer und Straße nach Norden schwenkten und wir unseren Rundkurs vollenden konnten. Um 1300 Uhr waren wir auch wieder in Fort William.

Nun galt es aber endgültig, die Heimfahrt Richtung Fähre anzutreten. Dazu wollten wir jetzt überwiegend die großen Straßen nutzen, um jetzt etwas Strecke zu machen. Der Nachteil davon war natürlich, dass viele andere ähnliches vorhatten, und teilweise hatten die auch noch einiges an Krempel dabei. So mussten wir etliche LKW überholen, was uns aber selten vor größere Probleme stellte. Die Krönung war dabei ein Transport eines kleinen Hauses auf einem LKW, mit Überbreite und nun doch auch reichlich langsam. Das erinnerte mich stark an einen alten Werner-Comic, wo sehr schön von "Holzhütte auf Wanderdüne" die Rede war. Aber je langsamer das fuhr, desto schneller kam man ja eigentlich an sowas vorbei. Nur fuhr davor noch ein Polizeiwagen, der mit rhythmisch blinkenden Scheinwerfern den Gegenverkehr warnen sollte, was Ulrike im Rückspiegel eine Weile lang so verunsicherte, dass sie sich nicht traute, angesichts der "Rennleitung" mal richtig Gas zu geben. Aber bald ließen wir das alles hinter uns. Um 1500 Uhr machten wir eine Pause am Strathyre Inn, und ab hier wurde das Land dann auch wieder flach.

Auf der Brücke über den Firth of Forth herrschte Stau. Das wunderte mich nicht, denn rechts waren die Pfeiler einer weiteren Brücke im Entstehen begriffen, links zeigte sich ein schönes eisernes Fachwerk der Eisenbahnbrücke, dahinter lag ein Kreuzfahrtschiff, da musste es ja fast zwangsläufig zu Verzögerungen durch Gaffer kommen. Aber auch im weiteren Verlauf hatten wir noch mehrfach mit kleinen Staus zu kämpfen, schließlich war Freitagabend, und Edinburgh lag ganz in der Nähe. In Dalkeith bekamen wir im County Hotel ein Zimmer für 75 GBP, und wir konnten hier auch zu Abend essen. Der Ort selbst zeigte sich beim nachfolgenden Spaziergang ohne große Besonderheiten, aber es gab einen Park mit einem alten Herrenhaus und einer Kirche, auf deren warmen Stufen wir eine Weile saßen und mit einer kleinen pechschwarzen Katze spielten.

Tagesstrecke 432 km, km 28405

Sa, 26.07.2014

In der Nacht hatte jemand an den Moppeds herumgefummelt, meine Heizgriffe standen auf high, der Fernlichtschalter stand nicht in seiner Ruheposition, bei Ulrike war der Warnblinker an und der Killschalter aus (was sich aber alles natürlich erst bei eingeschalteter Zündung auswirken würde), und neben den Maschinen lagen die Scherben eines zerbrochenen Trinkglases. Das kommt davon, wenn man die Moppeds auf der Straße vor mehreren Pubs am Freitagabend abstellt, aber wir hatten keine andere Wahl. Immerhin sind sie nicht geklaut worden, wie es den anderen Frauen von Ulrikes Motorradstammtisch nur wenige Wochen zuvor geschehen war. Die Gruppe war mit zehn Maschinen unterwegs und musste in Edinburgh auf der Straße parken, weil das Hotel keine Garage hatte. Am nächsten Morgen standen da nur noch sieben Motorräder, drei Africa Twins waren weg. Deshalb hatten wir eine fette Kette dabei, und die Tenni wurde jeden Abend mit der Bandit aneinandergekettet. Ähnliches hatten die beiden Engländer in Doune übrigens auch getan, und neulich in Braemar war uns aufgefallen, dass sogar die kitschigen Statuen im Vorgarten des Hotels mit einer Kette gesichert waren.

Schließlich musste Schottland wieder verlassen werden Kurz nach der Abfahrt führte die Route noch einmal durch ein ganz kleines Tal mit typisch schottischer Landschaft, bis die Gegend dann immer englischer wurde (was die Fahrt ja immer noch nicht unausstehlich machte). An der Grenze zwischen England und Schottland, die Stelle hieß hier Carter Bar, war in jeder Fahrtrichtung ein großer Parkplatz errichtet, und da man hier einen schönen Ausblick hatte, hielten auch wir an. Es herrschte allerdings sehr viel Betrieb mit mehreren Reisebussen. Da war das gar nicht so einfach, ein Foto vom Grenzstein und meinem Motorrad so zu machen, dass darauf keine anderen Fahrzeuge zu sehen waren und keine Leute durch das Bild liefen. Darum fuhren wir auch bald wieder weiter.

Noch vor den Ort Otterburn mussten wir nach rechts abbiegen, um denjenigen Abschnitt der Straße A 68 zu erwischen, der im Buch [1] mit dem Text "Diese Landstraße ist nicht besonders kurvig. Ihren Reiz zieht sie aus einem ständigen Auf und Ab, das bei entsprechender Geschwindigkeit den Magen ganz schön in Wallung bringen kann. So manche Portion Fish&Chips, so wird heute immer noch gern erzählt, kam auf der A 68 viel früher wieder zum Vorschein als vorgesehen" beschrieben wurde. Nun ja, die Strecke zeichnete sich tatsächlich dadurch aus, dass sie schnurgerade über die Hügel gebaut war und dabei etliche Kuppen zeigte. Aber da hätte man meiner Meinung nach schon um einiges schneller als die generelle Höchstgeschwindigkeit von 60 mph (97 km/h) fahren müssen, lediglich an zwei, drei Stellen kam ein kleiner Hauch von Achterbahn-Feeling auf.

Ein ganzes Stück später, wir hatten Newcastle längst links liegen gelassen, musste getankt werden. Dazu steuerten wir die Toll Bar Garage an. Diese lag total einsam auf freier Strecke. Dieser Eindruck der Abgeschiedenheit wurde noch verstärkt, als, gerade als wir die Helme wieder aufsetzen wollten, jemand auf einem Fahrrad mit Hilfsmotor vorbeigeknattert kam. Dieses Fahrzeug war nicht etwa so etwas wie ein Velosolex, sondern bestand aus einem ganz normalen Fahrrad ohne ersichtliche Rahmenverstärkungen, an das jemand einen kleinen Motor montiert hatte. Das wirkte so, als wäre mit einem Fingerschnippen die Zeit um viele Jahrzehnte zurückgedreht worden.

Später im Verlauf der A 1079 legten wir noch einmal eine Pause ein. Dazu steuerten wir einen Parkplatz links von der Straße an, wo man früher sogar hatte einkehren können. An dem Gebäude prangte auch noch groß ein Schild "Cafè open", das war aber eine Lüge, alles war verrammelt und sogar der Parkplatz beinahe verlassen. Außer uns war da nur noch eine Frau mit Enkeltochter da, die ein Auto mit niederländischer Nummer fuhr, aber aus Deutschland stammte. Mit ihr klönten wir eine Weile, während wir ein paar Kekse aßen und das Mädchen (ca. 8 Jahre) über den ansonsten leeren Parkplatz hüpfte.

Mit beruhigender Zeitreserve erreichten wir schließlich Kingston upon Hull, wo wir wieder auf die Fähre mussten. Zuvor konnten wir noch unsere Maschinen volltanken und in einem Supermarkt etwas zum Abendessen einkaufen (und unser letztes englisches Geld auf den Kopf hauen). Zur letzten Check-In-Zeit um 1900 Uhr standen wir bereits umgezogen an Deck und beobachteten das Treiben unten am Kai. Auch nachdem der Minutenzeiger den Zenit überschritten hatte, nahmen sie dort offenbar noch Fahrzeuge an, aber nach der berühmten akademischen Viertelstunde war Schluss, und wir legten ab. Bei dem schönen Wetter war es zwar so voll, dass man keinen Sitzplatz mehr bekam, aber wir fanden eine Stelle, wo wir uns etwas abseits auf das mit einer dicken Plastikmatte belegte Deck setzen konnten. So holte ich uns noch zwei Bier (in € bezahlt), und wir genossen die Fahrt Richtung Kontinent, die Abendsonne im Rücken.

Tagesstrecke 372 km, km 28777

So, 27.07.2014

Die Schiffsfahrt war zurück ebenso ruhig wie auf dem Hinweg. Als wir zum Frühstücken die Kabine tief im Inneren des Dampfers verließen, herrschte draußen Nebel, richtig dicke Suppe. Ein überholtes Frachtschiff tauchte an Backbord recht plötzlich auf und verschwand ebenso bald wieder. Später im Hafen hob sich der Nebel etwas, nur noch die obersten Spitzen der Windkraftanlagen (von denen wir in Schottland und auch England übrigens kaum welche gesehen haben) blieben noch darin verborgen. Zum Ausgleich gab es später, nachdem wir auf einer dem Sonntagmorgen entsprechend richtig schön leerere Autobahn die Stadt Rotterdam weit hinter uns gelassen hatten, ganz vereinzelt ein paar Tropfen Regen.

Diesmal kamen wir auch an Amersfoort ohne Hindernisse vorbei, und bald wurde die Niederländisch-Deutsche Grenze erreicht. Ulrike vor mir nahm die Ausfahrt, die mit "Douane" bezeichnet war. Ich legte mir schon einen Text für das Zollbüro zurecht: "Wir beabsichtigen, folgende Dinge aus dem Vereinigten Königreich nach Deutschland zu importieren: Ein Aufkleber mit schottischer Flagge, vier Untersetzer mit schottischen Motiven, eine Packung Pausenkekse und 500 Gramm gemischter Insekten, verteilt auf die Frontseiten zweier deutscher Motorräder." Denn wir hatten drüben nirgendwo einen dieser Eimer gesehen, die bei uns an den Tankstellen bereitgestellt werden, um die Scheiben zu reinigen, und in den Niederlanden hatten wir der hohen Benzinpreise wegen auch keine Tankstelle angesteuert. Natürlich gingen wir nicht ins Zollbüro, es gab hier aber Parkplätze für die wohlverdiente Pause.

Die Fahrt durch Deutschland ging erstaunlich gut von statten, nur wenige Male mussten wir kurz zur Bremse greifen, weil es sich zu stauen drohte, einmal aufgrund einer Verengung von drei auf zwei Fahrspuren, einmal wohl einfach nur so. In Gegenrichtung schienen sie hingegen zwischen Osnabrück und Bremen fast nur zu stehen.

Tagesstrecke 554 km, km 29331

Gesamtstrecke 5214 km

Nachspiel

Jetzt, wo ich gerade letzte Hand an diesen Text lege, fällt mir wie Schuppen von den Augen eine Erklärung ein für die Startprobleme der Ténéré auf der Insel Skye:

Die Yamaha XT1200Z scheint eine Macke zu haben dahingehend, dass sie, wenn man sie kalt startet, dann nur ganz kurz laufen lässt und danach gleich wieder ausmacht, sich das Motormanagement offenbar irgendwie "verschluckt" und sie dann nur schwer bis gar nicht wieder anspringen will. Und ich meine, mich zu erinnern, sie am Freitag Abend noch einmal umgeparkt zu haben, um beide Motorräder mit der Kette zusammenschließen zu können.

Eigentlich ist das ein bekanntes Problem, genaueres kann man in diesem Thread im XTZ-Forum nachlesen, aber ich hatte es schlicht vergessen.

Immerhin bin ich jetzt einigermaßen erleichtert, mit meiner Tenni wahrscheinlich doch zur Not auch nach Wladiwostok fahren zu können, ohne mir der Benzinqualität wegen große Sorgen machen zu müssen.

Nach-Nachspiel

das Etikett der Whiskyflasche Ein Jahr später hielt ich eine kleine Flasche Talisker-Whisky in der Hand und las auf dem Etikett einen Text, der mir dann ebenfalls eine Erklärung lieferte:
"From the western shores of the Isle of Skye, in the tall shadows of the Cuillin Hills, comes a single malt like no other. An alluring, sweet, full-bodied spirit with a warming afterglow, so easy to enjoy yet, like Skye itself, so hard to leave."

Literatur

[1] Hülsmann, Andreas: "Schottland", Highlights Verlag, 3. Auflage 2011

ISBN-13: 9783933385291

[2] Smallman, Tom, Cornwallis, Graene: "Scotland", Lonely Planet Publications, 1. Auflage 1999, ISBN 9780864425928

ISBN-10: 0864425929

[3] Ohff, Heinz: "Gebrauchsanweisung für Schottland", Piper Taschenbuch Verlag, 11. Auflage 2002,

ISBN-10: 3492275109

ISBN-13: 9783492275101

[4] Routeplanner Map Great Britain 1:625000, Ordnance Survey, Southampton

ISBN-10: 031923021X

[5] "The Little Green Book", Bed & Breakfasts in the UK & Ireland, 2014, www.bedandbreakfastnationwide.com

Diese Broschüre lag auf der Hinfahrt an Bord der Fähre aus zum Mitnehmen, enthielt jedoch nur wenige Unterkünfte, hat sich somit als nutzlos erwiesen.

[6] Heerwagen, Mathias: "Ende Gelände", 55.000 Kilometer von Alaska bis Feuerland, 2013

ISBN-13: 9781494305079


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