Die fliegende Untertasse

Es war an einem der letzten angenehmen Herbstabende vor drei Jahren. Ich hatte den ganzen Abend Laub geharkt, bis es dafür zu dunkel wurde, und saß dann auf der Terrasse und dachte über meinen Nachbarn nach.

Das war ein unsympathischer, etwas dickerer Kerl mit einer kleinen Brille und einer durchdringenden, hohen Stimme, und seit ich damals jene Tanne pflanzte, ärgerte er mich mit tausend Gemeinheiten, und ich hatte Mühe, ihm das alles heimzuzahlen.

So saß ich also da und dachte, daß seine Gladiolen wohl diesmal dran glauben müßten.

Da sah ich das Ding heranfliegen. Es hatte tatsächlich die Form einer Untertasse, oben noch flacher als unten, und es schimmerte nicht metallisch, sondern sah eher weiß aus, als es anscheinend direkt auf mein Haus zuflog.

Ich war unfähig, den Blick davon abzuwenden. Hatten mich die telepathischen Kräfte seiner weitgereisten Insassen bereits in ihrer Gewalt?

Als das Flugobjekt bei mir ankam, fühlte ich mich auch schon getroffen, ob von einer Laserkanone oder einer anderen außerirdischen Waffe, konnte ich nicht sagen. Es war mir aber auch völlig egal in dem Moment, als ich mitsamt meinem hölzernen Gartenstuhl nach hinten umkippte.

Nach kurzer Zeit erwachte ich wieder. Blut rann mir das Gesicht herunter und der Geschmack im Mund erinnerte mich schmerzlich an andere Niederlagen, die ich hatte einstecken müssen. So auf der Terrasse liegend, um mich herum die Scherben von Porzellan, wurde mir klar, daß mein Nachbar wieder einmal einen Punkt gemacht hatte.

05/1992


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