(Geschrieben 2016 anhand alter Notizen)
Nachdem ich jetzt nach meinen Erfahrungen zum Thema "Paddeln auf der Dordogne" gefragt wurde, habe ich mal diesbezüglich in meine alten Reisenotizen geguckt. Die geben zwar bzgl. Tipps zu Campingplätzen etc. nicht viel her, und von 1992 ist das zudem auch längst nicht mehr aktuell, aber sie erinnern mich wieder daran, wie abenteuerlich speziell die Hin- und Rückfahrt damals doch war:
Ursprünglich wollten wir auf der Loire paddeln ab der Stelle, wo wir im Vorjahr ein Boot verloren hatten und abbrechen mussten (alleine das war schon ein Abenteuer für sich). Aber in der Stadt Gien fanden wir Dauerregen vor mit keiner Aussicht auf baldige Besserung. Gerade als wir uns entschlossen hatten, in den trockeneren Süden auszuweichen, bemerkte ich, dass bei dem schon recht betagten Peugeot 104, den ich mangels eigenen Autos von meiner Mutter ausgeliehen hatte, ein Hinterrad unnatürlich schief stand. Ein prüfender Blick unter das Auto offenbarte ein durchgerostetes Fahrwerksteil, welches die Werkstatt natürlich erst bestellen musste, was mehrere Tage Warten im Regen bedeutete und zudem unsere studentische Reisekasse mit 1697 FF auch nicht unerheblich belastete.
Nachdem wir dann an die Dordogne fahren konnten und die in Gien nass eingepackte Faltboothaut dort in der Sonne erst wieder trocknen musste, bevor sich mein Plünnenkreuzer wieder aufbauen ließ, kamen wir endlich irgendwann auch aufs Wasser und hatten die nächsten 10 Tage zwei schöne Gepäckfahrten auf den Flüssen Dordogne und Vèzére (wenn auch nicht ganz ohne Regen). Aber auf der Rückfahrt fing das Auto dann wieder an, Schwierigkeiten zu machen, es spotzte und stotterte und wollte immer wieder ausgehen. Im Stau einer Straßenbaustelle konnte ich die Kiste schließlich nicht mehr am Leben erhalten und auch nicht wieder zu solchem erwecken. Aber wir waren gerade an einer Werkstatt vorbeigekommen, wir mussten nur etwa einen Kilometer wieder dorthin zurückschieben.
Jedoch war dort bald Feierabendzeit und die Reparatur bis dahin noch nicht fertig. Immerhin wir durften unser Zelt auf der Rasenfläche neben den Gebäuden aufstellen. So verbrachten wir also die Nacht neben der Werkstatt direkt an der Straße, wo uns ständig die LKW auf der Route Nationale quasi über den Schlafsack fuhren, akustisch jedenfalls.
Am nächsten Morgen galt es zunächst einmal, Geld zu holen, um das Auto überhaupt auslösen zu können. Ich weiß nicht, ob es damals schon EC-Karten gab, ich hatte jedenfalls keine, aber ein Postsparbuch. Davon konnte man auch in Frankreich Geld abheben, allerdings immer nur in Schritten von 200 DM, und mittlerweile waren auch nur noch exakt 200 DM darauf. Die konnte ich jedoch bekommen, es musste hier offenbar nicht, wie ich das aus Deutschland gewohnt war, mindestens eine Mark darauf bleiben.
So konnten wir dann also weiterfahren. Allerdings waren die Probleme damit nicht alle behoben, der Mechaniker hatte zwar Benzinleitung und Vergaser gereinigt, aber die Mühle hatte immer noch kein vernünftiges Standgas und musste immer mit dem Gaspedal bei Laune gehalten werden. Aber wenn sie ausging, sprang sie offenbar wenigstens wieder an. Kurz vor der Grenze wurden unsere letzten FF dann in Benzin umgesetzt und eingefüllt, etwas deutsches Geld hatten wir auch noch zurückbehalten. Weil ich dem Auto nicht mehr traute, wollte ich möglichst nicht weit von der Route abweichen, weshalb wir die nächste Nacht auf einem Autobahnrasthof bei Frankfurt verbrachten. Ich schlief dabei auf der Bank einer Sitzgruppe neben dem Auto, weil darin sowieso kein Platz für mehr als eine Person war. Am nächsten Morgen sah ich, dass mir eine mildtätige Seele ein Paket geschmierte Brote auf den Tisch gelegt hatte.
Auch diesmal startete unser Sorgenkind wieder und brachte uns schließlich zurück nach Hamburg, wo wir mit kaum mehr als 30 DM in der Tasche eintrafen.
Nachdem ich nun also schon einiges zur Autofahrt geschrieben habe (ursprünglich als Statusmeldung auf Facebook), kommt hier nun der eigentliche Bericht vom Paddeln:
Den fünften Tag waren wir jetzt unterwegs, und immer noch keinen Schlag gepaddelt. Es war die ganze Zeit über stürmisch mit einer Menge Regen. Meist haben wir uns die Zeit mit Kniffel vertrieben. Die Würfel dazu hatte ich in der Stadt gekauft, eine leere Chipsrolle (ähnlich wie Pringles) wurde zwei Finger über dem Boden abgeschnitten und diente als Würfelbecher (und mitsamt dem originalen Deckel als Behältnis für unterwegs), die Regeln kannten wir auswendig, und Papier zum Aufschreiben fand sich irgendwie. Zwischendurch haben wir mal versucht, Wäsche zu waschen, aber wo will man die Klamotten trocknen bei dem Sauwetter? Als es am Abend kurzzeitig aufklarte, hielt ich es nicht mehr aus, baute mein Faltboot auf und bin ca. 2 km stromauf und wieder zurück gepaddelt. Dabei bin ich einem nach alter Art gebauten Segelboot begegnet, von dem ich im Notizbuch eine kleine Skizze gemacht habe.
Paddelstrecke 4 km
Heute endlich das Auto zur Werkstatt gebracht. Die Werkstatt lag ein Ende draußen vor der Stadt, der Fußweg zurück erschien mir ganz schön weit, aber immerhin war es ausnahmsweise mal trocken. Unterwegs noch mal eingekauft, unsere ursprüngliche Reiseverpflegung hatten wir inzwischen aufgebraucht, und zum Friseur gegangen. Nachmittags zog es sich wieder zu. Wenn das Wetter jetzt besser geworden wäre, hätten wir der Loire noch eine Chance gegeben, aber so wurde das Faltboot schon mal wieder zerlegt. Um 1730 Uhr war ich wieder bei der Werkstatt, um das Auto abzuholen. Und das war keine Minute zu früh, denn schon auf der Rückfahrt begann wieder neuer Regen. Aber heute wollten wir dann doch nicht mehr weiterfahren, und vielleicht hätten wir ja morgen die Chance, das Zelt halbwegs trocken abzubauen.
Die Hoffnung bewahrheitete sich leider nicht richtig. Über Bourges, Limoges, Tulle nach Beaulieu gefahren, erst hier wurde das Wetter langsam besser. Der Campingplatz in Beaulieu war zwar schön, aber auch teuer. Die Dordogne hatte starke Strömung und anscheinend brauchbaren Wasserstand. Also wurden die Boote aufgebaut bzw. es versucht, aber mein Pouch-Einer (10 Jahre alt, der Aerius für Ulrike war neuer und nur geliehen) wollte nicht! Es schien ganz so, als sei die Bootshaut zu klein. Das lag wahrscheinlich daran, dass die Haut noch nass war, möglicherweise zieht sich der Stoff bei Feuchtigkeit zusammen. Oder es lag an der Kälte, denn richtig warm war es nicht. Wie auch immer, die Haut wurde zum Trocknen wieder ins Auto gelegt. Vor lauter Frust machten wir uns über den Weinvorrat her. Die Erfahrung hatte gezeigt, dass Rotwein für warme Sommer in Frankreich noch das geeignetste Alkoholgetränk ist, denn der schmeckt auch warm noch ganz gut. Und man bekommt hier einen passablen Landwein in Kanistern zu 5 Litern, das transportiert sich angenehmer als in Glasflaschen. Schließlich kam noch eine schöne Abendstimmung auf.
Richtig gut war das Wetter aber auch hier noch nicht, des Nachts ging ein starker Regenguss nieder. Und des Morgens kam noch ein leichter Kater sowie weitere Schauer dazu. Kurz vor Mittag hörte der Regen auf, aber das Boot passte immer noch nicht. In meiner Verzweiflung habe ich die Haut zum Trocknen wieder ins Auto geworfen, die Heizung voll aufgedreht und bin damit eine Weile durch die Gegend gefahren. Und jetzt kam auch die Sonne durch.
Während wir wieder unser Glück beim Bootsaufbau versuchten, fuhr ein Auto mit niederländischem Kennzeichen und drei Booten auf einem Anhänger vor, und die Kajaks kamen mir vage bekannt vor. Und in der Tat, vor zwei Jahren war ich alleine auf dem Allier unterwegs und hatte mich zwei Tage lang einer Gruppe von etwa 20 Paddlern aus Utrecht angeschlossen. Und jetzt standen Nico und Peter von damals hier, sie hatten noch einen dritten Kameraden Henk bei sich, der seinerzeit nicht mit dabei war. Endlich ließ sich jetzt auch mein Boot zusammenbauen, und es konnte losgehen. An der Mündung der Cère haben wir unmittelbar am Ufer wild gezeltet. Nico machte ein schönes Lagerfeuer, und die drei haben uns geholfen, den Weinkanister leer zu machen. Leicht entsetzt war ich allerdings, als unmittelbar danach der Plastikbehälter im Feuer landete, ehe ich es auch nur ahnen, geschweige denn verhindern konnte. Auch sonst schien der Wein die drei Männer ziemlich anzuregen, denn nachher fingen sie an, sich zotige Geschichten zu erzählen in der Annahme, unser Niederländisch würde nicht ausreichen, das mitzubekommen, was aber zumindest bei mir eine teilweise Fehleinschätzung war.
Um 900 Uhr aufgestanden, die Sonne schien, keine einzige Wolke stand am Himmel. So hatten wir das bestellt! Eine Sohlschwelle war problemlos fahrbar, es gab zwei Durchfahrten, eine rechts und eine halbrechts. Solche Informationen habe ich deshalb recht genau notiert, weil die Gewässerbeschreibungen des DKV auch immer nur auf irgendwelchen Beschreibungen beruhen und die Mitglieder aufgerufen sind, Abweichungen und Veränderungen zu melden. Zum Dank hat man dann die Ehre, im Buch [1] als Mitarbeiter genannt zu werden, und so steht auch mein Name in einigen dieser Werke.
Ein Wehr wurde rechts getreidelt, die Niederländer haben rechts umgetragen. Die Bootsgasse dazu war nämlich nicht befahrbar, denn darin lag ein Boot, völlig kaputt, das soll ein Unfall am Vortag gewesen sein. Um 1430 Uhr machten wir Pause in les Granges und abends Zeltlager kurz hinter Meyronne rechts auf dem anscheinend verlassenen Gelände eines Kanuverleihers. Dazu haben wir einen Angler gefragt (genau wie zu dem Wrack), er sagte, das wäre eine colonie de vacances, aber seit August sei schon niemand mehr da gewesen.
Als wir um 930 Uhr aufstanden, lichteten sich gerade noch die Reste von Morgennebel, keine Wolke am Himmel. Die Niederländer fuhren vor uns los, wir kamen erst um 1245 Uhr aufs Wasser.
Der Bach, der zur Grotte von Lacave führen sollte (schwieriges Kehrwasser, bei Hochwasser Strudel rechts), war sehr klar, hatte aber 400 Meter aufwärts eine flache Stromschnelle, die für unsere empfindlichen Faltboote nicht befahrbar war. Später (also weiter flussabwärts an der Dordogne) gab es eine kleine Höhle, in die wir mit unseren Booten direkt hineinfahren konnten. Etwa 20 Meter weit kamen wir, und dort war sogar das Wenden möglich. Die Höhle bog danach dann nach rechts ab. Da war es dann völlig dunkel, und unsere Lampe hatten wir natürlich nicht griffbereit.
Bei einer buvette Mittag gemacht. In Souillac wurde wieder einmal eingekauft, und Trinkwasser wurde auch gebunkert, denn vielleicht konnten wir ja wieder irgendwo wild zelten. Das ergab sich dann auch tatsächlich. Hinter der Brücke bei Flusskilometer 233 fanden wir direkt hinter einer Linkskurve links einen kleinen Platz im Wald, wo wir sehr schön unser Zelt aufbauen konnten. Gegenüber guckten wir auf einen steilen Berg, dort verliefen auch die Straße und eine Eisenbahnlinie, aber hier waren wir ungestört. Da konnten wir uns wieder den Luxus eines kleinen Lagerfeuers gönnen.
Die Nacht haben wir bei häufigem Geraschel fallender Eicheln verbracht hier im Wald. Bei der Abfahrt am späten Vormittag hatten wir wieder bedeckten Himmel. Bei St. Julien war Mittagspause, kurz danach haben wir die Niederländer wiedergetroffen. Diese haben sehr bald eine Insel angesteuert, vermutlich um dort zu zelten, aber uns erschien das jetzt noch zu früh. Hinter Château de Montfort mussten wir dann aber die Spritzdecken hervorholen, es gab wieder mal Regen. Da sind wir dann doch den nächsten Campingplatz angefahren, der hieß passenderweise "Soleil Plage" und war fast nur von Engländern bevölkert. In prasselndem Regen haben wir die Boote eine Treppe hinaufgetragen, aber das Zelt wollte ich gerne erst dann aufbauen, wenn das wieder aufgehört hatte. Und wir hatten ja Regensachen an und blieben darunter recht trocken. Am Ufer lief ein offenbar herrenloser Hund herum (wir nannten ihn "Hündchen", weil er die Größe eines kleinen Kalbes hatte), und ich suchte mir ein "Stöckchen" (von der Dicke meines Handgelenks) und spielte solange mit ihm. Ich will jetzt nicht sagen, dass das direkt ein Fehler war, aber auch nicht die optimale Taktik, denn das Tier wich von nun an nicht mehr von meiner Seite. Der Regen hörte irgendwann wieder auf, und abends gab es auch schon wieder sonnige Abschnitte.
Auch heute früh war es wolkig mit Aufheiterungen, aber der Wasserstand der Dordogne war jetzt ca. 30 cm höher als gestern. Beim Frühstück hatten wir Gelegenheit, uns über mehrere unserer britischen Platznachbarn zu beömmeln. Der erste lief mit einer Videokamera herum und filmte auch uns ausgiebig, wie wir vor unserem Zelt auf den Dreibeinhockern saßen und in unser Brot bissen. Und wir hatten einiges Mitleid mit denen, die er sicherlich zuhause dann zum Videoabend einladen würde und sich das dann höflich angucken und gut finden müssten, bestand doch die Vermutung, dass der Film am Ende nicht nur eine solche langweilige Einstellung beinhalten wird. Der zweite Engländer fuhr mit seinem Auto rückwärts, bis es einen lauten Knall gab - zu dicht an einem Baum vorbei, und auf seiner Beifahrerseite (wir konnten es sehen, aber nichts dagegen machen) stand die hintere Tür offen!
Während des Frühstücks zogen schon immer mehr Wolken auf, beim Packen war der Himmel vollständig bedeckt, und bei der Abfahrt (wo "unser" Hündchen, das die Nacht neben dem Zelteingang verbracht hatte, so lange am Ufer nebenher mitlief, bis ein Zaun den Weg versperrte) fielen die ersten Regentropfen. Und was dann kam, fühlte sich an wie einer dieser permanenten Regen, wie er noch tagelang andauern kann. Wehmütig erinnerte ich mich an eine Fahrt hier auf der Dordogne vor sechseinhalb Jahren, wo ich mit eine großen Gruppe aus meinem Rotenburger Verein unterwegs war, es auch lange Zeit Dreckwetter gegeben hatte, als aber dann die Sonne herauskam, Kumpel Thomas anfing, kleine Verse zu reimen:
Die Sonne scheint auf meinen Hut,
das find' ich gut!
Die Sonne scheint auf meinen Bauch,
das soll sie auch!
Bei uns hörte sich das jetzt ungefähr so an:
Der Regen fällt auf meinen Hut,
das ist nicht gut!
Das Wasser tropft mir auf das Bein,
find' ich nicht fein!
Der Regen läuft durch meinen Bart,
mir bleibt auch nichts erspart!
Im Regen fahr' ich mit dem Boot,
ich Vollidiot!
Das Wasser rinnt in meine Jacke,
so eine k-reuzfidele Paddelei!
Und fällt das meiste auch vorbei,
so trifft genug doch auf uns zwei.
Unter der Brücke von Château Castelnaud haben wir die Niederländer wieder getroffen, die irgendwo wild gezeltet hatten. Hier konnte man wenigstens trocken aussteigen, wenn auch nicht warm sitzen, aber für die Mittagspause ließ sich das aushalten. Der Wasserstand fiel während der Pause um ca. 8 cm. Wir haben hier dann beschlossen, heute nach Siorac zu fahren, komme, was da wolle wettertechnisch, um evtl. morgen schon von dort aus das Auto zu holen, wenn der Regen so bleibt. So fuhren wir bald wieder los und ließen die Niederländer dort zurück. Auf der Weiterfahrt gab es eine Stelle, an der viele Schwalben ganz dicht vor und zwischen uns über dem Wasser dahinflitzten, sie berührten mit den Flügelspitzen fast die Oberfläche. Irgendwann kam von Ulrike der erboste Ausruf: "Höher, ihr Mistviecher!"
Zwischen Beynac und St. Cyprien fehlte im Flussführer [1] der Hinweis auf die Brücke von Allas-les-Mines. Wichtiger war jedoch, dass der Regen hier langsam aufhörte. In Siorac gab es einen "Camping Municipal", der war total leer. Ulrike war ziemlich erschöpft, aber ok, wir sind heute auch ganze 34 km gefahren. Drum ging ich los zum Einkaufen, unter anderem brachte ich einen neuen 5-Liter-Kanister Rotwein mit.
Das Wetter schien sich wieder beruhigt zu haben, es war jetzt bedeckt mit Aufheiterungen, also wollten wir das letzte Stück auch noch unter die Paddel nehmen. Und das war ok so, im Laufe des Tages wurde das Wetter sogar noch etwas besser. Ansonsten war diese Etappe recht ereignislos. Eine Steinbarriere war problemlos rechts fahrbar, in Le Buisson de Cadouin (der Name war im Flussführer falsch geschrieben) wurde Pause gemacht. In Limeuil war planmäßig Ende der Tour, hier mussten wir die beladenen Boote recht weit mit dem Bootswagen karren.
Paddelstrecke 130 km
Heute galt es, das Auto nachzuholen. Dazu bin ich nach Le Buisson getrampt, ein Stück weit musste ich auch zu Fuß gehen. Der Typ am Fahrkartenschalter wirkte unglaublich schlafmützig, und er hatte angeblich keinen Zug nach Biars-sur-Cère (was ich zuvor schon mal als Fahrtmöglichkeit recherchiert hatte), also kaufte ich ein Ticket für den Zug um 1121 Uhr nach Niversac, Ankunft dort 1200 Uhr, Abfahrt 1208 Uhr nach Tulle, dort Ankunft 1324 Uhr. Nach Beaulieu wieder per Anhalter, mit Auto schön an der Dordogne entlang zurück.
Beim Aufstehen schien die Sonne, es zog sich aber schnell zu. Doch die Wettervorhersage an der Rezeption versprach für den Nachmittag wieder Aufheiterungen, für morgen Sonne. Den Aerius haben wir zerlegt, mein Pouchboot angesichts der potentiellen Probleme beim Wiederaufbau jedoch ganz gelassen und so auf den Dachgepäckträger geschnallt. Und weil wir nun schon hier in der Gegend waren, haben wir unterwegs natürlich die berühmte Grotte von Lascaux besucht (bzw. die Kopie davon natürlich), der Eintritt kostete 45 FF. In Montignac, einem schönen Städtchen mit engen Gassen und alten Häusern, aufgebaut und eingesetzt. Das Wasser der Vézère war im Gegensatz zu dem der Dordogne recht braun, und auffallend war auch eine große Menge Plastik"verzierungen" unterwegs in den Büschen. Es gab zudem hohe Ufer auf den ersten Kilometern, nachher wurde es aber schöner.
Beim Camping Municipal in St. Leon sur Vézère stiegen wir aus. Das Büro dazu sollte in der Mairie sein (es gab eine Boulangerie und Post direkt daneben) die Mairie hatte aber anscheinend nur montags und Donnerstag Nachmittag geöffnet. Aber in Frankreich ist es üblich, sich in solcher Situation einfach einen Platz zu suchen, aufzubauen und später zu bezahlen, manchmal kommt dann noch jemand herum am Abend. Die sanitären Anlagen waren hier sehr einfach und die Dusche total verdreckt. Sie arbeitete zudem mit Jetons, die laut Aushang stolze 5 FF kosten sollten, da fiel uns der Verzicht recht leicht.
Nach Auflösung des Morgennebels war der Himmel klar, die Sonne schien, Hurra! Nach dem Frühstück bin ich losgegangen und habe versucht, unsere Übernachtung zu bezahlen, was aber nicht geklappt hat. Meine Aufzeichnungen sind da unklar und erwähnen irgendwie noch eine Schule, ich erinnere mich nicht mehr an Einzelheiten, aber daran, dass wir schließlich unverrichteter Dinge losgefahren sind.
Zwischen km 163 und 169 sind wir an einem Campingplatz "Le Paradis" vorbeigefahren, der nicht im Flussführer [1] stand. Bei ca. km 170 fanden wir eine Stelle, die sich prima als Lagerplatz geeignet hätte, es war aber erst 1400 Uhr, also haben wir dort nur Mittagspause gemacht. In Les Eyzies de Tayac haben wir noch eine Eispause eingelegt, obwohl es sich hier etwas schwierig aussteigen ließ.
Als es schließlich Zeit wurde, eine Zeltwiese zu suchen, war die Lage natürlich längst nicht mehr so gut wie vorhin noch, schien aber an einer Stelle immer noch annehmbar. Doch als wir da ausstiegen und anfingen, die Uferböschung zu ersteigen, bellte und knurrte von oben ein Hund. Wir guckten uns an und fragten uns, ob wir nicht vielleicht doch besser ein Stück weiterfahren sollten, da kam das Tier oben in Sicht. Es handelte sich um eine Art Rehpinscher, der da einen auf Kampfhund machte, das akustisch auch einigermaßen zuwege brachte, aber die optische Erscheinung konnte da überhaupt nicht mithalten. Auf unseren Lachanfall hin kam auch seine Besitzerin mal gucken, was denn hier los war. Sie sagte, ihr Verlobter würde etwas weiter hinten angeln (während sie selbst hier auf einer Decke lag und ein dickes Buch las, das muss wahre Liebe sein). Irgendwann fuhren die beiden nach Hause, und wir hatten einen ruhigen Abend.
Früh aufgestanden, der Himmel war heiter. In der Umgebung hatten wir schon seit dem frühen Morgen viele Schüsse gehört, sollte die Jagdsaison heute begonnen haben? Beim Frühstücken mussten wir feststellen, dass unsere Milch zum wiederholten Male kurz davor war, schlecht zu werden, sie war gerade noch trinkbar. Kurz nach der Abfahrt kamen wir an einigen der Jäger vorbei, die da vorhin so rumgeballert hatten. Wir sympathisieren ja eher mit den gejagten, und so malten wir uns eine Szene aus, in der die Enten (von denen es hier eine ganze Menge gab) sich im Sichtschutz unserer Boote an den Jägern, die sich anscheinend alle auf dem rechten Ufer aufhielten, vorbeischlichen. Später entstand dann in den Reisenotizen auch noch eine kleine Zeichnung dazu.
In der Nähe der Eisenbahnbrücke bei km 191,5 haben wir einen Eisvogel gesehen. Ich habe versucht, Fotos zu machen, das ist aber nicht gut gelungen, denn die Tiere sind äußerst scheu, man kommt einfach nicht dicht genug heran. Nach der Pause (in Le Bugue) sahen wir wieder Eisvögel, diesmal sogar zwei Stück auf einmal. Um 1530 Uhr kamen wir an unserem Ziel in Limeuil an.
Während Ulrike das Zelt aufbaute, bin ich per Anhalter los, um das Auto nachzuholen. Dabei hatte ich ein lustiges Erlebnis: Ein älteres Ehepaar (beide etwa 70) hielt an, und auf meine Standardfrage "Fahren Sie in Richtung der Eyzies?" antwortete er: "Im Prinzip ja. Warum?" Huch, darauf war ich gar nicht vorbereitet, wie hieß jetzt nochmal "mitnehmen" auf Französisch? Nach ganz kurzem Gestotter fiel es mir wieder ein, und sie trauten sich offenbar nicht, abzulehnen. Also stieg ich ein und habe ihnen unterwegs erklärt, was das ganze sollte. Ulrike hatte in der Zwischenzeit auch die beiden Boote abgebaut, bei dem geliehenen Aerius jedoch dabei einen Beschlag abgebrochen, den würden wir wohl ersetzen müssen.
Paddelstrecke 47 km
Wieder bedeckter Himmel, es klarte aber im Laufe des Vormittags auf. Der Wasserstand der Dordogne ist gestern und heute ca. einen halben Meter gefallen, und jetzt stank das wie Otter! Da sind wir noch einmal zurück an den Anfang unserer Tour gefahren bzw. sogar ein Stück darüber hinaus. Der Abschnitt von Argentat bis Beaulieu sollte laut Beschreibung wildwassertechnisch etwas schwieriger sein als der Rest, darum bin ich alleine gefahren. Das hatte den Vorteil, dass mich Ulrike mit dem Auto begleiten konnte und ich "ihren" Aerius nehmen konnte, der etwas wendiger war als mein Dampfer. Und hier herrschte im Gegensatz zu unten auch noch guter Wasserstand.
In Argentat gab es eine neue, im Flussführer noch nicht angegebene Brücke der RN 120 etwa 200 Meter hinter der alten, hier schien eine Ortsumgehung gebaut worden zu sein. Bei einer Insel machte mir ein herrlicher Schwall großen Spaß. Der große Campingplatz lag nicht vor, sondern hinter der Kurve mit den zwei Schwällen. Und ein verfallenes Wehr befand sich entgegen der Beschreibung etwa 600 Meter, auf alle Fälle noch in Sichtweite hinter der zweiten Brücke, direkt vor einer Linkskurve. Der als unfahrbar charakterisierte Nebenarm links schien mir zwar eher ein Hauptarm zu sein, aber so genau habe ich mir das dann doch lieber nicht angeguckt, sondern bin schön weit rechts geblieben. Alles in allem war es eine herrliche Fahrt durch ein schönes Tal, die Berge waren fast ständig bewaldet und somit schön grün, da findet man in Zentralfrankreich durchaus kargere Landstriche.
In Beaulieu fuhren wir zum Camping à la ferme "Tir à l'arc".
Paddelstrecke 25 km
Heute früh wurden wir von völlig klarem Himmel begrüßt, es versprach, wieder ein schöner Tag zu werden. Ein ehemaliger Kriegsgefangener wollte mal wieder sein Deutsch an uns anbringen und erzählte unter anderem von zwei Kindern, die vor ein paar Jahren in der Dordogne ertranken.
Auf der Suche nach einem neuen Paddelrevier wurden die Flussführer [1] und [2] gewälzt und beschlossen, an die Gartempe nach Montmorillon zu fahren, um dort die letzten Paddeltage zu verbringen. Auf dem Weg dorthin zogen leichte Wolken auf, die sich immer mehr verdichteten, dann aber wieder verschwanden. In Montmorillon fanden wir die Gartempe jedoch sehr flach vor, viel zu flach für unsere empfindlichen Bootshäute. Und es sah so aus, als ob der ganze Fluss nicht viel Wasser hatte. Drum sind wir nach Saumur an die Loire weitergefahren. Der Campingplatz in Villebernier war geschlossen. Der Campingplatz in Saumur war uns zu teuer (mehr als 70 FF pro Nacht für uns zwei). Schließlich erfüllte der Campingplatz in Montsaureau unsere Anforderungen, und die Loire hatte auch genug Wasser.
Frühstück bei strahlend blauem Himmel. Für eine Tagestour nach Bréhémont gefahren, das ging aber über ziemlich kleine Straßen. Weil das Trampen hier wahrscheinlich schwierig werden würde, haben wir nur mein Pouchboot aufgebaut (diesmal problemlos), und Ulrike ist mit dem Auto wieder zurück. Die Loire war nicht zu flach, nur einmal bin ich beinahe aufgelaufen. Und teilweise konnte ich am Ufer im Schatten fahren. Dort lagen immer wieder mal urige Flöße bzw. Jagdunterstände, die man oft aus alten abgewrackten Autos gebaut hatte. Unter einer Brücke hinter einem Kernkraftwerk gab es einen spaßigen Schwall, nass wurde ich dabei jedoch auch. Aber bei der Sonne trocknete das ganz schnell wieder.
Für eine Strecke von 26 km habe ich etwa 4 Stunden gebraucht, das ist ein sehr ordentlicher Schnitt, und ich habe mich dabei durchaus hier und da auch mal treiben lassen. Am Abend haben wir uns noch den Ort angesehen, der war recht malerisch in den oberen Straßen.
Paddelstrecke 26 km
gesamte Paddelstrecke 233 km
Nach Auflösung des Morgendunstes keine Wolke am Himmel. Jetzt endlich schien sich also das gute Wetter eingestellt zu haben, das wir ursprünglich für die gesamte Fahrtdauer bestellt hatten. Trotzdem haben wir beschlossen, nach Hause zu fahren, weil allmählich unser Geld knapp wurde. Und das war gut so, denn wie es uns dann ergangen ist, habe ich ja schon oben in der Einleitung beschrieben.
[1] Kanu-Auslandsführer Band 3: Südfrankreich, Korsika, DKV Wirtschafts- und Verlags-GmbH, 6. Auflage.
Es gibt inzwischen die 8. Auflage von 2006 (ISBN 978-3-937743-07-3), und nein, in der Ausgabe steht mein Name schon wieder nicht mehr drin, nur in der 7. Auflage von 1999...
[2] Kanu-Auslandsführer Band 6: Nordfrankreich, BeNeLux, DKV Wirtschafts- und Verlags-GmbH, 1.oder 2. Auflage.
Es gibt inzwischen die 4. Auflage von 2013 (ISBN 978-3-937743-37-0)...
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