Mittelgebirgstour 2020

Die Reiseroute Ursprünglich hatten wir dieses Jahr vor, im Mai nach Sardinien zu fahren, auf dieser Insel waren wir noch nicht. Der Plan ließ sich aber aufgrund eines Arbeitsplatzwechsels von Ulrike so nicht verwirklichen. Und auch Plan B, stattdessen im September zu fahren, klappte nicht, denn es gab auch bis dahin nur zwei Wochen Urlaub, aber für den weiten Weg und die Insel selbst hätten wir zusammen schon mindestens drei Wochen haben wollen.

Aber auch in zwei Wochen kann man ja schon ein Stück weit kommen. Nun ist ja bekanntlich als Schwierigkeit auch noch Corona dazugekommen mit dem Ergebnis, dass wir ungern in Länder fahren wollten, die keine gemeinsame Grenze mit Deutschland haben, um die Gefahr auszuschließen, irgendwo festzusitzen, weil man uns dort nicht ein- bzw. durchreisen lässt. Trotzdem blieben immer noch einige schöne Ziele übrig. Zum Beispiel hatten wir uns gedacht, dass man in zwei Wochen gut in Frankreich die Normandie mit ihrer Kreideküste erreichen könnte, dort waren wir nämlich auch noch nie.

Wie der Titel dieses Textes jedoch schon sagt, haben wir uns aber sehr bald auch hiergegen entschieden. Natürlich hatten wir nicht nur die deutschen, sondern auch die französischen Corona-Zahlen die ganze Zeit über verfolgt (es gab da eine farbige Übersichtskarte ganz wie in Deutschland), und der Anstieg der Fallzahlen verstärkte sich die ersten Tage unserer Fahrt deutlich, so dass wir uns schließlich wieder einmal auf einer Tour durch deutsche Mittelgebirge wiederfanden.

Sa, 29.08.2020

Für die erste Etappe hatte Ulrike uns eine Route nach Bebra eingerichtet, die uns schon mal in eine schöne Gebirgsgegend bringen sollte, dort wollten wir dann weitergucken. Gegen viertel vor elf fuhren wir los und kamen eigentlich auch gut durch. Es gab nur einen relativ kleinen kleiner Stau bei Soltau (Probleme gibt es da in den letzten Jahren eigentlich immer), es folgte dann zwar eine große Baustelle beim Rasthof Allertal, wo der Verkehr allerdings noch brauchbar floss. Lediglich das Tanken verzögerte sich dabei etwas, weil mehrere Abfahrten unerwartet gesperrt waren und wir darum unsere Benzinreserve ziemlich weit aufbrauchen mussten.

In Hildesheim verließen wir die Autobahn, ab hier sollte es über Landstraßen weitergehen. Gleich nach Verlassen der Stadt führte unsere Route über eine tolle Strecke im Wald mit mehreren Serpentinen und einem schönen Aussichtspunkt. Allerdings war ich so kurz nach dem Start noch nicht wieder im Fotomodus, darum gibt es hiervon keine Bilder.

In der Nähe von Bad Gandersheim sollte es ein Stück weit auf einer Art Schnellstraße gehen, aber an der Auffahrt hatte ich den Stau gerade noch rechtzeitig gesehen, um noch wenden zu können. So fuhren wir erst einmal geradeaus weiter, auch wenn uns das erst einmal eine Weile in die Gegenrichtung führte, wo wir noch kilometerlang Autoschlangen gegenüber bewundern konnten. Das sah ganz so aus, als ob da irgendwo ein Stück Autobahn voll gesperrt war und sich jetzt der ganze Verkehr hier lang quälen musste. Aber wir konnten in unsere Richtung frei fahren und fanden bald auch wieder Routen, die auf unser Ziel zuführten.

Eine Stelle, wo von rechts eine Art Wirtschaftsweg auf die Straße führte, schien mir geeignet für eine Pause, und ein weithin sichtbares Objekt mit der Aufschrift "Kleinkunstzelle" machte mich zusätzlich neugierig. Die Kunst beschränkte sich jedoch darauf, eine gelbe Telefonzelle neueren Typs (aber die sind ja inzwischen auch schon alt, genau wie wir, schluck) auf einen in drei Meter Höhe abgesägten Pappelstumpf zu setzen, ein Namensschild dranzuhängen und eines, welches das Hochklettern verbietet. Der Infokasten unten am Baum enthielt einen Flyer mit Werbung für den Naturfarbenhersteller "Kreidezeit", der hier nebenan seine Werkhallen hatte. Das mochte man vielleicht als Kunst ansehen, wurde von mir aber als Enttäuschung empfunden.

Durch unsere Umfahrung der Staustrecke vorhin waren wir doch spürbar von der eigentlich geplanten Strecke abgekommen, und so ließ sich eine Durchfahrt durch die Stadt Göttingen kaum noch vermeiden. Aber das blieb erträglich, jetzt am Sonnabendnachmittag hielt sich der Verkehr in Grenzen, und riesig groß ist die Stadt ja nun auch nicht.

Kurz vor Bebra sah ich rechts ein großes Schild mit einem Bettensymbol. Der Parkplatz davor war komplett leer, und wenn ich im Vorbeifahren nicht dahinter noch ein paar Motorräder gesehen hätte, wäre ich nicht die nächste Straße rechts abgebogen zur Beratung. Im Laufe des Nachmittages hatten wir so halb den Plan gefasst, vielleicht noch bis nach Jossa weiterzufahren, wo wir schon mehrmals in einer recht bekannten Bikerherberge abgestiegen waren. Aber bis dahin waren es von hier immerhin noch 70 Kilometer. Kurzerhand wurde moderne Technik bemüht und dort angerufen, um zu erfahren, dass für heute dort alles ausgebucht war. Also haben wir es mal hier versucht, schließlich war ja nicht so ganz klar, wie gut die Möglichkeiten in Coronazeiten denn so waren. Aber es war ohne weiteres möglich, hier im Gasthaus Gonnermann ein Zimmer zu bekommen. Dieses Zimmer hatte sogar eine Tür, die direkt in den Garten führte, und wir kamen gerade rechtzeitig raus, um zugucken zu können, wie neben der Außentür zur Küche eine große Menge sehr junger Katzen gefüttert wurde. Prompt wurden wir auch gefragt: "Na, wie viele wollen Sie denn haben?" Aber so gerne ich Katzen mag, Ulrikes Allergie gegen deren Haare sowie unsere Etagenwohnung sind und bleiben eindeutige Argumente dagegen, von den beschränkten Katzenmitnahmemöglichkeiten auf dem Motorrad mal ganz abgesehen.

Fütterung der (kleinen) Raubtiere Beim Auspacken merkte ich, dass ich vergessen hatte, meine Alltagsschuhe einzupacken. Auch spürten wir heute etwas, dass wir in diesem Jahr verhältnismäßig wenig unterwegs gewesen waren. Und die Wettervorhersage für Sonntag und Montag versprach im Norden Deutschlands bessere Bedingungen als im Süden. Also kamen wir zu dem Schluss, dass wir morgen hier in der Nähe bleiben wollten, und Ulrike plante einen Kringel durch diese Gegend mit Ende in Jossa, wo es morgen auch wieder Zimmer geben sollte, das Wochenende war dann ja vorbei.

Beim Abendessen fiel mein Blick im Schankraum auf eine dieser Uhren mit der Aufschrift "Kein Bier vor vier!", wo auf dem Zifferblatt zwölf vieren prangten. Beim Warten auf mein Bier kreisten dann meine Gedanken um diesen Anblick, und mir wurde klar, dass ich möglicherweise noch eine Weile würde warten müssen, denn jene Uhr zeigte schließlich die Zeit "zwanzig vor vier" an, wohingegen normale Uhren exakt 19:39 und damit weit nach vier Uhr angegeben hätten. Ich bekam mein Bier jedoch noch weit vor vier ääh acht Uhr und verzichtete auch darauf, meine Gedankengänge mit der Bedienung zu diskutieren, nicht dass sie mir mein Bier womöglich noch wieder weggenommen hätte.

km 106358, Tagesstrecke 361 km (los bei km 105997)

So, 30.08.2020

Aufgrund der Wettervorhersage ging unsere heutige Runde größtenteils wieder zurück in etwas nördlichere Regionen, oft streiften wir durch das Gebiet, welches von der Werra durchflossen wird. Zwei Burgen gibt es hier, und angesichts eines Wegweisers zur Burg Hanstein bogen wir spontan dorthin ab. Es zeigte sich aber, dass wir vor noch nicht ganz so langer Zeit hier schon gewesen waren, Ludwigstein ist der Name der uns noch unbekannten zweiten Burgstätte. Aber dort waren wir nun schon vorbei.

Die Abfahrt von Burg Hanstein Wieder unten im Tal habe ich dann doch glatt noch einen Blitzer ausgelöst. Dessen Standort war mir grundsätzlich sogar bekannt (wir treiben uns ja auch gerne mal zum Kajakfahren in der Gegend herum), aber kurz davor hatte doch ein roter Porsche gemeint, unbedingt trotz Gegenverkehr überholen und uns Motorräder somit rüde zur Seite abdrängen zu müssen, danach war ich noch nicht wieder völlig auf das Geschehen vor mir konzentriert.

Aber auch ich war inzwischen in Fotografierlaune gekommen. Ich musste allerdings nach mehreren vergeblichen Versuchen Ulrike erst einmal erklären, dass sie vor mir nicht immer gleich sofort anhalten soll, wenn sie merkt, dass ich hinter ihr einen Fotostopp einlege. Manchmal, und heute war das mehrfach so, wünschte ich mir, sie würde vorne einfach ganz photogen weiterfahren, denn so ein rotes Bremslicht stört dann doch die Gesamtkomposition ganz erheblich.

Oberhalb der Werra Im Ort Wanfried gab es ein Hinweisschild zu einem "historischen Hafen". Da war ich ja mal gespannt. Natürlich war klar, dass ich hier mit nichts in der Größenordnung des Hamburger Hafens rechnen durfte, so viel Wasser gibt es möglicherweise im ganzen Landkreis nicht. Aber ein kleines Hafenbecken hätte ich ja bei dem Namen eigentlich schon noch erwartet. Doch von der Brücke über die Werra konnte man die Anlage sehen: Eine Reihe alter Steine, die man nur mit viel gutem Willen als eine Kaimauer bezeichnen konnte, der Flusslauf daneben schien so flach, dass ich mit meinem Faltbooteiner dort wohl nur sehr vorsichtig gefahren wäre. Der einzige mir bekannte Hafen, der noch weniger Hafen ist, liegt in dem Ort Nartum zwischen Hamburg und Bremen. Dort haben ein paar Einwohner einen Hafenverein gegründet und auf einer Wiese eine Infotafel aufgestellt mit der Ankündigung, dass sie bei fortschreitender globaler Erwärmung und Steigen des Meeresspiegels dort auf 35 Meter über NN den Nartumer Hafen bauen werden. Immerhin liegt dort bereits ein kleines Schiffchen, das hier auf der Werra auf keinen Fall Platz zum Schwimmen gehabt hätte.

Auf dem letzten Abschnitt nach Süden hatte ich mich schon früher mal über manche Ortsnamen beömmelt, jetzt sahen wir, dass es hier nicht nur die Namen "Friedlos" und "Sieglos", sondern auch "Dirlos" und "Keulos" gab, dass musste also eine besondere etymologische Bewandtnis haben.

Die letzten 40 km mussten wir in leichtem Regen zurücklegen, aber in Jossa gab es eine große Garage für unsere Maschinen, und der Regen sollte laut Vorhersage zunächst gegen acht, dann gegen zehn aufhören, und vor morgen wollten wir sowieso nicht wieder los. Und auch das nur als Tagestour, wir hatten uns gleich für zwei Nächte hier eingemietet.

km 106637, Tagesstrecke 279 km

Mo, 31.08.2020

Beim Aufstehen sah das draußen immer noch sehr regnerisch aus, aber nach einem geruhsamen Frühstück schien uns, dass man eine Tour wagen konnte. Die hatte ich gestern geplant bis hinunter nach Bayern, unter anderem wollten wir mal wieder einen Blick auf den Main werfen in einer Gegend, in die wir es bei unserer Kajakfahrt vor zwei Jahren nicht mehr geschafft hatten. Schon vorher fiel uns die Sontra auf, wenngleich dieser Fluss von einer ganz anderen Größenordnung war - eher ein Bach - sah aber auch ganz interessant aus.

Umleitung in alle Richtungen Schon die letzten Tage gab es hier und da mal Baustellen und gesperrte Straßen. Heute wurden uns davon gefühlt recht viele geboten, was zunächst einmal nicht besonders schlimm war, schließlich fuhren wir ja eher nur herum, als dass wir an einen bestimmten Ort wollten. Den Vogel abgeschossen hatte allerdings eine Stelle mitten im Wald im nördlichen Bayern. An einer Einmündung war unsere Richtung gesperrt (Anlieger frei bis zum nächsten Ort), aber hier waren auch ganze drei Umleitungen ausgezeichnet, und zwar in jede Richtung eine ohne jeglichen Hinweis, welche Umleitung denn mit welchem Ziel nun zu nehmen wäre. Während wir unsere zwar nicht geplante, aber doch willkommene Pause genossen, kam ein Paketwagen von UPS an und wollte auch in die gesperrte Richtung. Der Fahrer stieg aus und machte ein Handyfoto von der Sperre, die armen Kerle müssen wohl ganz schön unter Druck stehen in ihrem Job. Ich prophezeite zu Ulrike: "gleich fragt er uns nach dem Weg, ortskundig, wie wir sind", und prompt geschah es so. Er sprach dabei aber kaum Deutsch, sondern wollte in immerhin passablem Englisch wissen, ob er denn in Heinrichsthal ausliefern könne. Wir zeigten auf das Zusatzschild mit dem Text "Heinrichsthal frei" und erklärten ihm dessen Bedeutung. Kenntnisse der Landessprache sind eben doch von Vorteil.

Keine WildtiereBei der Rückkehr kam tatsächlich noch die Sonne heraus, so dass wir noch einen Spaziergang auf den Berg machten (die Ortschaft kannten wir schon von früheren Aufenthalten). Dabei kamen wir an einer Weide vorbei, auf der ein ganzes Rudel Hirsche graste. Die Tiere waren zwar nicht direkt scheu, aber auch nicht so zutraulich, dass sie sich mit Gras an den Zaun und in Fotoposition locken ließen. Doch schlagartig kam Bewegung in die Sache: Ein PKW fuhr vor, und die ganze Herde lief in der Ecke, wo der Wagen anhielt, jetzt schien es Futter zu geben. Doch die Tiere wurden enttäuscht, der Fahrer steig nur kurz aus, um etwas nachzugucken, und fuhr wieder von dannen. Aber wir hatten uns inzwischen auch (aber langsamer) dorthin begeben und konnten somit ein paar schöne Fotos machen. Die Masche mit dem Grünzeug verfing hier aber immer noch nicht, so konnten wir einem Männchen, in dessen Geweih sich Reste eine grünen Plastiknetzes verfangen hatten, auch nicht versuchen zu helfen, das lästige Zeug wieder loszuwerden.

km 106878, Tagesstrecke 241 km

Di. 01.09.2020

Die Rhön ist schön, auch bei nicht so gutem WetterBeim Auschecken bat uns die Wirtin, wenn möglich bitte in bar zu bezahlen. "Ein Motorradfahrer" habe den Geldautomaten hier im Ort gesprengt und dabei das Gebäude so sehr beschädigt, dass die Filiale nicht wiedereröffnet werden soll. Wenn sie also in Zukunft Bargeld haben wollen, müssen sie nun nach Sterbfritz fahren, das seien einige Kilometer und das würde auch einiges an Zeit kosten.

Unsere heutige Strecke hat Ulrike an eine Route aus der Zeitschrift "Der Tourenfahrer" angelehnt. Das ging nach Süden und einmal im Kreis um die Stadt Rothenburg ob der Tauber herum. Ich persönlich fand zumindest die erste Hälfte davon landschaftlich nicht ganz so toll, aber das ist Jammern auf recht hohem Niveau, wir hatten schon deutlich langweiligere Gegenden bereist. Zu meinem Unmut beigetragen hat außerdem sicherlich noch der Regen auf einem Abschnitt. Den haben wir schließlich in einem McDonalds abgewettert. Danach gefiel mir auch die Landschaft wieder besser.

In Rothenburg ob der Tauber In Rothenburg hatten wir auch wieder telefonisch ein Zimmer gebucht in einer Unterkunft, in der wir vor 5 Jahren schon einmal waren. Wie schon damals gab es hier keinerlei Probleme mit der Internetanbindung unterwegs, sondern vielmehr Freifunk in der ganzen Stadt. Dafür gab es keinerlei japanische Touristen, die letztes Mal die Straßen bevölkerten und dem Ort ein ganz eigenes Gepräge gaben. Wir hatten tatsächlich das Gefühl, diesem Rothenburg ohne Japaner würde irgendetwas fehlen.

Das italienische Restaurant, in das wir schließlich gingen, war aber immer noch sehr voll, wir hatten offenbar gerade noch den letzten Tisch bekommen, die nach uns kommenden Gäste wurden alle abgewiesen.

Hier war es übrigens auch, wo wir endgültig beschlossen, auf dieser Tour Deutschland nicht zu verlassen. Die Coronakarte von Frankreich wurde von Tag zu Tag immer etwas dunkler blau (das deutsche RKI weist die Werte ja in roter Farbe aus, aber auch da gilt: je dunkler, desto höher die Zahlen). Also wurde die nächste Etappe in den Schwarzwald geplant und nicht in die Vogesen. Und da unsere Verwandtschaft gerade wieder von Karlsruhe zurück nach Hamburg gezogen war, sollte es auf dem ziemlich direkten Weg dorthin gehen.

km 107160, Tagesstrecke 282 km

Mi, 02.09.2020

Ulrike hatte nach unserem gestrigen Entschluss wieder ein Zimmer für uns gebucht, während es an mir lag, die Strecke auszuarbeiten. Zuerst hatte ich mir dabei nicht besonders viel Mühe gegeben, weil die von "Fachleuten" ausgearbeitete Route gestern sich ja auch schon nicht richtig gelohnt hatte. Aber als wir in Dinkelsbühl wegen (mal wieder) einer Straßensperrung in die Altstadt mussten, hat mir die gut gefallen. Die Häuser schienen in besserem Pflegezustand zu sein als in Rothenburg, und alle Geschäftsnamen waren in einheitlicher Schrift an die Fassaden geschrieben, was in Summe auf mich einen guten Eindruck machte.

Marktplatz in Bad Urach Die Schwäbische Alb wurde dann auch wieder richtig nett, diese Gegend könnten wir uns im weiteren Verlauf dieser Reise vielleicht noch mal genauer angucken, wenn sich das ergibt. In Bad Urach ließen wir uns zum Kaffee/Tee am zentralen Marktplatz bewirten, umgeben von schönen Fachwerkhäusern.

Im weiteren Verlauf war die Burg Hohenzollern von der B27 aus gut zu sehen, aber leider war auf dem Stück gerade Schnellstraße und deswegen kein Anhalten für ein Foto möglich.

Im Schwarzwald schließlich wurde es wieder sehr schön. Eine Weile lang folgten wir dem Tal der Kinzig, dann ging es noch einmal toll und über kleinste Straßen über den Berg, und wir kamen zum Grünen Hof, unserer Bleibe für die nächsten zwei Nächte.

km 107507, Tagesstrecke 347 km

Do, 03.09.2020

Schwertransport im HochschwarzwaldHeute war jetzt endlich richtig strahlender Sonnenschein. Ulrike hatte schon beklagt, dass die bisherigen Fotos alle etwas trübe aussahen, aber auch mit beiden Motorradscheinwerfern zusammen hätten wir die Landschaften nicht besser ausleuchten können.

Schon um halb zehn Uhr fuhren wir zur Tagestour los, sollten aber zunächst nicht besonders weit kommen. In einem kleinen Bergdorf war die Straße gesperrt, diesmal nicht wegen einer Baustelle, sondern für einen Schwertransport. Bis der da war, sollte das ungefähr eine Viertelstunde dauern. Es gab zwar eine Alternativroute, aber darauf schwenkte gerade im Schneckentempo ein Wohnmobil ein, und es schien nicht, dass es irgendwo hier oben Platz zum Überholen eines solchen geben würde. So legten wir die erste Pause heute etwas früher ein als sonst, aber wir hatten ja auch Urlaub und somit doch eigentlich alle Zeit der Welt. Und Ulrike informierte mich zudem darüber, dass vorhin eine meiner beiden Scheinwerferbirnen ausgefallen war, da konnte ich die Zeit gleich zum Wechseln nutzen. Doch das ging recht schnell, und danach konnten wir eine Weile lang nicht anderes tun, als uns auf die Böschung zu setzen und die schöne Landschaft zu bewundern. Irgendwann erwachten dann zuerst die Arbeiter aus ihrer Lethargie, und kurz danach kam das schwere Objekt um die Ecke gekrochen. Dabei handelte es sich offenbar um ein Segment des Mastes einer Windkraftanlage, das auf einen Wagen mit ganz vielen Rädern gezurrt war. Dieser Wagen war ganz flach gebaut und hatte auch gar kein Führerhaus, sondern wurde von einem "Joystick Man" gesteuert, der mit einer Fernsteuerung vor dem Bauch zu Fuß hinterherging. Das schien auch äußerst praktisch so zu sein, denn als es dort, wo wir standen, recht eng wurde, konnte er rechts und links neben die Fuhre treten und gucken, dass alles passte.

Heute auch richtig schönes Wetter Nachdem einer der Arbeiter noch ein über die Straße gespanntes Kabel mit einer Leiter angehoben hatte, war der Spuk sehr schnell vorbei, und wir konnten weiterfahren. Das führte uns eigentlich den ganzen Tag lang sehr schön auf meist kleinen Straßen mit größtenteils sahneebenem Asphalt durch grüne Natur. Nur der Kandel stach aus der Tour unrühmlich hervor. Den Aussichtspunkt selbst hatte man gerade neu gemacht, aber die Qualität der Straße davor und dahinter war echt besch...en.

Wieder beim Hotel angekommen belehrte und ein Schild an der Tür, dass heute Ruhetag war, alles war zu. Wenn wir das gewusst hätten (ok, es steht auf der Webseite, aber zumindest ich hatte da nicht drauf geguckt), dann hätten wir heute früh gleich gepackt und hätten uns für diese Nacht etwas neues gesucht.

So würden wir also zum Abendessen irgendwo hinfahren müssen, hier in der Nähe gab es kein Restaurant. Also im Internet einen Griechen herausgesucht. Aber als wir aufbrechen wollten, sahen wir, dass doch jemand da war und für die eigenen Gäste auch sehr wohl gekocht und gezapft wurde. Und das waren einige, draußen die Tische (mit einigem Abstand wegen Corona) waren voll belegt. An der Hecke nicht weit von uns war eine KTM geparkt, und darunter stand eine Pfütze, wo es doch sonst überall trocken war. Ich ging hin, um zu gucken, ob da dem unbekannten Kollegen vielleicht irgendetwas ausgelaufen war, wurde aber von jemandem am Nebentisch beruhigt, da habe nur jemand mit einer Gießkanne herumgepütschert.

Spät am Abend gab es noch Fußball im Fernsehen, aber ich war heute ziemlich müde und bin bald eingepennt. Ulrike bekam das deutsche Führungstor noch mit, aber den Ausgleich kurz vor Schluss hat auch sie dann verschlafen.

km 107744, Tagesstrecke 237 km

Fr, 04.09.2020

Der Hotelkater hieß Max, trug ganz vorbildlich eine Corona-Gesichtsmaske (die war dauerhafter Bestandteil seiner gelb-weiß gefleckten Fellzeichnung), hatte seinen Schwanz aber wohl mal einer Zimmertür oder ähnlichem geopfert, und er kam heute während unseres Frühstückes in den Schankraum, um darauf hinzuweisen, dass auch für ihn die Frühstückszeit längst angebrochen war. Der Zutritt zur Küche wurde ihm indes verwehrt, Menschen machen die Dinge ja bekanntlich immer unnötig kompliziert. Nun, denn musste ihm eben jemand draußen einen wohlgefüllten Teller hinstellen, was aber dann auch zeitig geschah.

Gleitschirmpiloten wie Zuschauer genossen den Ausblick vom Kandel Beim Aufpacken klönschnackten wir mit dem KTM-Fahrer, der uns erzählte, dass unsere Befürchtungen von gestern doch nicht ganz unbegründet waren. Er selbst hatte dort mit der Gießkanne gegossen, nachdem er nämlich festgestellt hatte, dass seine gerade mal 300 km alte Maschine hinten ihre Bremsflüssigkeit verloren hatte, da wollte er nämlich die ätzende Flüssigkeit schnell von der lackierten Felge herunterwaschen.

Die heutige Tour hatte ich noch einmal über den Kandel geführt. Das nicht etwa, weil ich die rappelige Straße dorthin so toll fand, sondern, weil wir gestern dort oben gar nicht angehalten hatten. Das haben wir heute nun nachgeholt, und ich fand, dass sich das durchaus gelohnt hat. Von hier oben hatte man nicht nur eine tolle Aussicht in Richtung der Rheinebene, sondern wir konnten auch aus nächster Nähe zugucken, wie sich einige Gleitschirmflieger auftakelten und dann den Abhang hinunterstürzten. Am Rande der dafür reservierten Wiese stand übrigens ein Schild, welches ganz hochtrabend einen "Flugplatz" auswies. Das war zwar im Wortsinne korrekt, aber man denkt dabei ja eher an etwas wie den BER als an eine abschüssige Wiese.

Ausblick vom Turm auf dem Blauen Einen weiteren Gipfel hatte ich in die Route eingebaut, nämlich den Blauen. Auch hier konnte man (allerdings diesmal eine Stichstraße) hochfahren und hatte eine schöne Aussicht. Beim Bewundern derselben kamen wir mit einem Mann ins Gespräch, der uns erzählte, er würde sonst viel mit einer XJ900 (dem alten Modell, das ich auch mal hatte) fahren, heute war er aber mit dem Fahrrad hier oben, sehr sportlich. Die Gaststätte war geschlossen, so mussten unsere mitgebrachten Kekse als Pausensnack reichen. Den Gang auf den Aussichtsturm ließ ich mir danach nicht nehmen trotz der allerdings sehr moderaten Spende, den man dort in eine Sammeldose einwerfen sollte. Aber der Aufstieg von ca. 17 Metern lohnte sich. Unter anderem konnte man von hier das Matterhorn sehen (das ich allerdings ohne geschriebenen Hinweis nicht erkannt hätte).

Spontan hielt ich später an einem Gasthof an, wo wir draußen auf der Terrasse setzen und uns einen Eisbecher gönnen konnten. Drinnen gab es eine größere Familienfeier. Keine Ahnung, ob das mit den hiesigen Corona-Regeln vereinbar war oder nicht, es sollte nicht unsere Sorge sein. Ein kleines Kind hatte offenbar gerade erst das Laufen gelernt und stratzte jetzt unermüdlich immer wieder hinaus, die Terrasse entlang bis zum Ende und dann wieder zurück und rein, ein Elternteil stets auf seinen Fersen.

In Bad Säckingen hatte Ulrike uns mit dem TipTop Hotel am Hochrhein eine Unterkunft recht weit ab von der Stadt gebucht, die war aber nicht so exorbitant teuer wie andere Hotels, die sie bei der Recherche in dieser Stadt gefunden hatte. Und außerdem gab es hier eine Tiefgarage, wo unsere Motorräder geschützt stehen konnten. Gefallen hat uns auch der Aushang im Fahrstuhl, auf dem stand: "Wir bitten unsere Gäste, nicht in Panik zu verfallen und trotzdem die eigentlich ganz normalen Hygieneregeln zu befolgen."

Europas längste Holzbrücke Trotz des einigermaßen weiten Weges gingen wir nach dem Einklarieren noch einmal in die Stadt. Wir nahmen sogar den leichten Umweg am Rheinufer entlang in Kauf, denn so konnten wir die berühmte Holzbrücke über den Fluss nicht verfehlen. Dabei soll es sich um die längste überdachte Holzbrücke Europas handeln, natürlich unterwegs von etlichen steinernen Pfeilern abgestützt, aber wir fanden sie sehr sehenswert. Später fanden wir im Zentrum dann einen Griechen (wir wollten ja schon gestern griechisch essen), der Tische und Stühle auf den Marktplatz gestellt hatte. Zurück zum Hotel gingen wir jetzt in gerader Richtung durch die Stadt, inzwischen war es ja auch richtig dunkel geworden, und am Ufer hätten wir womöglich den Weg gar nicht gefunden.

km 108020, Tagesstrecke 276 km

Sa, 05.09.2020

Die Vorhersage versprach heute für fast ganz Deutschland schlechtes Wetter, nur im Schwarzwald sollte es noch gut bleiben. Und wir wollten heute sowieso nur eine Tagestour machen, somit hier in der Gegend bleiben. Es war doch sehr schön, sagen zu können, bisher alles richtig gemacht zu haben.

Gestern hatten wir uns überwiegend im Westen des Schwarzwaldes herumgetrieben. Es zeigte sich heute, dass es im Osten desselben doch etwas mehr Landwirtschaft und etwas weniger Wald gab, aber wir haben die Tour immer noch sehr genossen.

Oldtimertraktoren In einem kleinen Landgasthof, wo man draußen auf einer kleinen Terrasse sitzen konnte, kehrten wir zwischendurch ein und aßen ein Stück Kuchen. Als wir gerade wieder aufbrachen, kam eine Gruppe von vier Oldtimertraktoren vorgefahren, stellte sich in einer Reihe auf und wollte offenbar die gerade frei gewordenen Sitzplätze einnehmen. Auf den vordersten zwei Schleppern stand groß der Markenname "Hürlimann". Ich bin ja auf dem Land aufgewachsen und kann somit nicht nur einen VW von einem Mercedes, sondern auch einen Deutz von einem Fendt unterscheiden, aber diesen Namen habe ich jetzt zum ersten Mal wahrgenommen. Die Geräte hatten Schweizer Kennzeichen, und der Name klingt ja auch so. Und einer der Fahrer hatte unter seinen Motorblock ein Stück Pappe gelegt. Als Ulrike dazu eine Bemerkung machte (eigentlich nur zu mir), drehte er sich um und brachte in unverkennbar Schweizer Tonfall den Spruch: "Ein Trakchtor ölt nichcht, er markchiert nur sein Revier!"

Heute konnten unsere Maschinen die Nacht in Gesellschaft verbringen, in der Tiefgarage waren noch etliche Motorräder dazugekommen. Darunter fiel mir eine große BMW GS auf mit einer Menge Aufklebern von Gebirgspässen auf den Koffern, die Maschine schien also schon etwas gesehen zu haben von der Welt. Der Tank war in roter Farbe lackiert und mit der Aufschrift "Swiss Lady" versehen, und sogar das BMW-Emblem hatte den Propeller nicht in blau, sondern ebenfalls in roter Farbe. Den Fahrer davon haben wir allerdings beim Abendessen (diesmal hier im Hotel) nicht getroffen und auch keinen anderen der Motorradfahrer.

km 108270, Tagesstrecke 250 km

So, 06.09.2020

Das Frühstück wurde hier in einem Nebengebäude angeboten, wir mussten dazu den Vorplatz überqueren. Auf dem Rückweg sahen wir, dass da gerade die Swiss Lady auf einen Anhänger geladen wurde. Somit war das mit "viel gesehen von der Welt" gar nicht so doll wie gedacht, die gute wurde wohl eher zum Jagen getragen. Das Kennzeichen kannte ich nicht, also war sie mit Sicherheit nicht aus dem Norden, womit eine Argumentation wie "im langweiligen Flachland nicht mit dem Motorrad" auch nicht greifen konnte. Aber ich hätte gestern eigentlich stutzig werden können, die Maschine war schließlich blitzsauber, aber erst jetzt erschlossen sich die Zusammenhänge.

Partybekämpfung? Der Himmel war heute bedeckt, und laut Vorhersage sollte sich das im Laufe des Tages auch nicht ändern, und wenn doch, dann eher nicht zum Besseren. Zu dieser Wetterlage schien unser Plan, heute den Schwarzwald wieder zu verlassen, somit perfekt zu passen. Unser Weg sollte uns nun grob in Richtung Ostnordost führen, im Prinzip wieder zurück in die Gegend, aus der wir gekommen waren. Am Rande des Schwarzwaldes kamen wir an einem Gasthof vorbei, vor dem eine alte Kutsche aufgestellt war. Die sollte wohl ursprünglich zur Dekoration dienen, war aber inzwischen total verrottet, das konnte man schon auf die Entfernung deutlich sehen. So verkehrte sich der gewünschte positive Werbeeffekt ins Gegenteil, mir erschien die düstere Erscheinung des Fahrzeugs allerdings passend zur Farbe des Himmels heute. Etliche Ortschaften weiter stand am Straßenrand eine schönere Kutsche, ein ausgedientes Feuerwehrauto relativ neuen Baujahres. Auf den Seiten haben die neuen Besitzer den Schriftzug "Feierwehr" angebracht. Wir waren uns nicht ganz sicher, ob sie das so geschrieben haben, weil man es hier auch so ausspricht, oder aber ob in dem Wohnmobil nun wilde Partys abgehalten werden. Möglicherweise stimmt aber auch beides. Eher unwahrscheinlich finden wir jedenfalls die dritte Möglichkeit der Auslegung, dass hier private Feiern verhindert werden sollten, weil das die Corona-Zahlen in die Höhe treibt.

Eine Weile später überquerten wir die Donau, die sah allerdings nicht so aus, als ob man dort paddeln konnte. Dann durchquerten wir erneut die Schwäbische Alb. Meine Zusammenfassung der Landschaftscharakteristik lautet ungefähr: Hügelig, grüne Wiesen zwischen Flecken von Wald, selten Äcker, praktisch nie Zäune. Hat mir gut gefallen.

Auch heute habe ich wieder die Straßensperrungen nicht gezählt, aber ihre Anzahl lag sicher im zweistelligen Bereich. In einem Fall habe ich jedoch das Verbot ignoriert, denn da stand "Linienverkehr frei", und ich habe gedacht, wenn der Bus da durchkann, dann können wir das auch, und schließlich war Sonntag und somit kein Baubetrieb.

In Aalen kamen wir an einem Hotel vorbei, das sich "Römerhotel" nannte (hier in der Gegend verlief der Limes), und spontan entschieden wir uns, hier eine Nacht zu bleiben. Der Umgang mit Corona war hier ein anderer als in unserer letzten Unterkunft, in den Gäste-Informationen lasen wir: "Aus hygienischen Gründen werden Bleibe-Zimmer nur bei Abreise gereinigt." Zum Glück wollten wir morgen weiter und nicht wochenlang bleiben, sonst würde das sicher sehr hygienisch. Und der Geruch von Duftspray in den Korridoren ließ vermuten, dass auch nicht so oft gelüftet wurde, wie es vielleicht angeraten wäre. Aber wir waren zunächst schon einmal froh, dass sich die Wettervorhersage nicht ganz bewahrheitet hat und wir den ganzen Tag lang keinen einzigen Tropfen Regen abbekommen haben.

km 108623, Tagesstrecke 353 km

Mo, 07.09.2020

Der in unseren Augen etwas merkwürdige Umgang mit Corona setzte sich zum Frühstück fort: Es gab ein Büffet, dort sollte man aber Handschuhe benutzen. Es wurden solche aus Plastik zur einmaligen Benutzung und in einheitlicher Größe zur Verfügung gestellt. Und über meine zugegebenermaßen nicht besonders zierlichen Pranken ließen die sich nur mit äußerster Mühe drüberziehen, so war die einmalige Benutzung auch sichergestellt.

Das Wetter zeigte sich heute wieder von der etwas besseren Seite, die Strecke dafür leider nicht ganz so. Landschaftlich gab es keine besonderen Highlights, dafür mussten wir hinter recht vielen LKW herzockeln, insbesondere bei der Umfahrung von Würzburg. Offenbar hatten wir unsere heutige Route deutlich zu weit nach Osten gelegt. Erst die letzten Kilometer wurden dann wieder schöner, nun kamen wir wieder in die Rhön. In Morlesau hatten wir uns im Hotel Nöth eingebucht. Dieses war als Tourenfahrer-Partnerhotel ausgewiesen, was uns im Prinzip überhaupt nicht wichtig war, aber in einem Artikel dieser Zeitschrift wurde das gute Essen hier hervorgehoben, und das war doch schon mal gleich etwas ganz anderes. Beim Einchecken stellte sich zwar heraus, dass unsere gestrige Buchung im Spamfilter gelandet war, weil HRS gerade den Übermittlungsprozess umgestellt hatte, aber wir konnten trotzdem ein Zimmer für 3 Nächte bekommen. Und die leckere Forelle, die ich dann zum Abendessen bekam, bestätigte die lobenden Worte des Zeitungsberichtes voll und ganz.

km 108939, Tagesstrecke 316 km

Di, 08.09.2020

Die Bahnfahrkarte Der Morgen begrüßte uns mit prima Sonnenschein, und das passte wie die Faust aufs Auge, denn heute wollten wir die Motorräder stehen lassen und zur Abwechslung mal paddeln gehen. Hier im Hotel konnte man nämlich auch Boote mieten. Zwar gab es nur Canadier und keine Kajaks, aber besser als Schwimmen war das allemal. Auch wurden die Boote an die Einsatzstelle transportiert, jedoch nicht die Paddler. Wir selbst mussten mit der Bahn nach Westheim fahren und zu Fuß zur Einsatzstelle gehen, was aber keine große Anstrengung war und nur 4 € Fahrtgeld pro Person zusätzlich bedeutete. Dabei lernten wir Anke und Max kennen, auch aus unserem Hotel und auch für die gleiche Strecke gebucht. Es gab noch weitere Paddler, die aber schon in Hammelburg ausstiegen und somit eine kürzere Strecke vor sich hatten.

Die Einweisung fiel relativ kurz aus, da das andere Paar auch schon über einschlägige Erfahrung verfügte, und schon waren wir unterwegs.

Geschwindigkeitsbeschränkung auch beim Kanufahren Verglichen mit unseren gewohnten Kajaks ist so ein Canadier ja breiter und schwerer, somit war unsere Tour auch eher von der gemächlichen Art. Deshalb konnten wir über die Geschwindigkeitsbeschränkung, die bald vor uns auftauchte, nur lachen. Dort hatte nämlich jemand hoch oben in einen Baum ein Verkehrsschild aufgehängt, welches es untersagte, schneller als 10 km/h zu fahren. Dafür hätten wir uns auch mit unseren eigenen Booten mächtig anstrengen müssen. Wahrscheinlich handelte es sich dabei aber eher um einen Spielplatz für ein zehnjähriges Kind, in dem Baum steckte auch noch ein Baumhaus, und eine Schaukel hing herunter.

Die gemütliche Fahrweise war aber auch voll in Ordnung heute, wir wollten den Tag schließlich genießen. Irgendwann tauchte vor uns sogar ein Eisvogel auf. Das ist für uns immer noch ein besonderer Anblick. Als ich als junger Erwachsener mit dem Paddeln angefangen hatte, waren die Vögel noch so selten, dass es oft vorkam, wenn jemand berichtete, er habe unterwegs einen gesehen, dass er dann zur Antwort bekam, er solle das ja nicht weitererzählen, sonst würden sie uns das Gewässer womöglich gleich sperren. Inzwischen leben die Vögel auch in Hamburg, neulich habe ich auf dem Weg zum Stadtparksee welche getroffen. Und hier konnten wir einem Tier sogar kurz beim Fischen zugucken.

Umtragestelle In Hammelburg sollten wir eigentlich Pause machen, aber weil kurz danach ein Wehr folgte, wo wir sowieso aussteigen mussten, haben wir die Aussetzstelle ignoriert und sind noch kurz weitergefahren. Bei der Pause erzählte Anke dann eine leider nur bedingt lustige Geschichte von einem Betriebsausflug vor ein paar Jahren. Sie hätten damals einen Nichtschwimmer dabeigehabt, der das aber anscheinend nicht offen zugeben wollte. Er sei erst mit dieser doch nicht unwichtigen Information herausgerückt, unmittelbar bevor er nach einer Kenterung an dieser Stelle untergegangen sei. Der Chef habe dann hinterherspringen und ihn retten müssen. Na, nach der Episode hätte ich als dessen Vorgesetzter ja nicht mehr darüber nachdenken müssen, was in der nächsten Jahreszielvereinbarung hätte stehen müssen, egal wie relevant das Schwimmen nun für seinen Arbeitsplatz war.

Wir hingegen hatten überhaupt keine Schwierigkeiten, selbst das Umtragen ging problemlos von Statten, denn wir hatten vom Bootsvermieter sogar einen Bootswagen mitbekommen. Kurz vor dem Abendessen haben wir aber noch erfahren, dass die andere Gruppe nicht ganz so einen easy Tag erlebt hatte, dort sind welche gekentert und haben dabei zwei Paddel verloren.

Tagesstrecke 0 km mit dem Motorrad, 18 km mit dem Canadier

Mi, 09.09.2020

Heute sollte es laut Vorhersage im Norden viel regnen, danach dann aber im Norden besser werden als im Süden. Wir hier in der Mitte hatten jedenfalls wieder blauen Himmel und prima Wetter.

Dieses Haus hat bestimmt schon einiges gesehen Bestimmte Dinge passieren uns unterwegs immer wieder einmal, und auch heute war es wieder so weit: Ich war der falschen Straße gefolgt (weil mein Schnackomat im Helm sich kurz davor mal wieder mit den Worten "low battery, good bye!" unversehens ausgeklinkt hatte), stand nun vor einem Weg, der offenbar in dichten Forst zwar hinein-, aber möglicherweise nie wieder hinausführte, und konsultierte das Navi am Lenker. Neben mir hielt ein Autofahrer, motorte sein Fenster herunter und fragte, sichtlich auf Hilfeleistung erpicht, wo wir denn hinwollten. Aber auf diese Frage gibt es keine kurze und zielführend Antwort. Zum Hotel nach Morlesau zurück wollten wir, aber nicht auf direktem Weg, sondern in einem Bogen von Schlangenlinien, der sich mit Worten kaum beschreiben ließ. Und natürlich kannte ich die Orte auf der Route nicht alle auswendig, obwohl ich die Strecke gestern erst geplant hatte. Daraufhin hieß es: "Denn fahrt's ihr da 'nauf, dann kommt's nach Bischofsheim!" Und genau das war nun der einzige Ort, von dem ich sagen konnte, dass wir da nicht hinwollten, denn da kamen wir gerade her. So musste ich mich wieder mal darauf beschränken, zweimal "danke" zu sagen und dreimal "wir kommen schon klar, wirklich", denn ich habe noch kein allseitig zufriedenstellendes Rezept gefunden, damit umzugehen. Den Helm abzunehmen und zehn Minuten lang alles zu erklären könnte eines sein, aber bitte nicht in der prallen Sonne (das schöne Wetter heute hatte eben auch so seine "Schattenseiten").

Immerhin können wir jetzt ziemlich genau sagen, dass mein Funkteil im Helm nach fünf Fahrtentagen wieder geladen werden muss, ich hatte einen Abend vergessen, es auszuschalten, die Dauer jener Nacht plus heute möge als Reserve dienen. Der Akku von Ulrikes Gerät (anderes Fabrikat) hält übrigens deutlich länger.

Die heutige Runde war ansonsten recht ereignislos und fiel auch insgesamt unerwartet kurz aus. Ich gestehe, ich hatte bei der Planung noch mit etlichen Umleitungen gerechnet, aber es gab deren nur lächerliche zwei, die zudem die Strecke wohl eher verkürzt als verlängert hatten. So haben wir es uns dann nach der Rückkehr noch im Garten gemütlich gemacht und einige Zeit in unserer Reiselektüre gelesen. Zum Abendessen ergab es sich, dass Anke und Max am Nebentisch saßen, und wir haben noch bis nach Dunkelwerden miteinander geschnackt und am Ende Adressen ausgetauscht.

km 109155, Tagesstrecke 216 km

Do, 10.09.2020

Bei bedecktem Himmel sattelten wir auf in der Hoffnung, dass es wie in der Vorhersage versprochen weiter im Norden besser werden würde, was sich auch bewahrheitete. Zwar machte die Sonne, sobald sie durchkam, doch recht deutlich, dass es inzwischen Herbst geworden war, aber wir fanden den Knüllwald landschaftlich sehr schön.

Die Fahrt endete schließlich in Bad Arolsen, dort hatten wir in der Buchungs-App den Holländer Hof gefunden. Wir bekamen hier nicht nur ein Zimmer, sondern sogar eine kleine Suite mit Flur, Bad, großem Schlaf- und kleinem Lesezimmer. Weil das alles in einem recht alten Gebäudeteil lag, waren die Räume ziemlich verwinkelt. Die hölzernen Fenster hatten auch schon bessere Tage gesehen, auf mehreren Fensterbänken lag innen eine Handtuchrolle davor. Und die Krönung waren die Betten. Wir wurden lebhaft an das Märchen von der Prinzessin auf der Erbse erinnert, schon das originale Bett war vergleichsweise hoch und hatte eine dicke Matratze, aber darauf lag noch eine zweite dicke Matratze und darauf dann noch eine dritte dünnere.

Beim Gang durch den Ort fanden wir ein kleines Kätzchen, das auf den Stufen der Freitreppe zu einem Hauseingang zwischen zwei offenen und angebrochenen Dosen Katzenfutter lag und schlief. Aber als ich mich anschickte, ein Foto davon zu machen, blieb das Tierchen leider doch nicht so niedlich im Schlaraffenland liegen. Auf der anderen Straßenseite gab es wieder ein griechisches Restaurant mit ein paar kleinen Tischen vor dem Haus, und spontan beschlossen wir, nochmal südliche Kost zu uns zu nehmen. Im Gegensatz zu dem Griechen in Bad Säckingen neulich mussten wir hier keinen Kontaktdatenzettel ausfüllen, obwohl wir an beiden Orten draußen saßen, aber hier war halt ein anderes Bundesland. Aber genau wie die letzten Tage schon wurde es auch heute schon um 9 Uhr dunkel, immerhin war hier der Weg zurück nicht weit.

km 109438, Tagesstrecke 283 km

Fr, 11.09.2020

Die Nacht auf diesen Wabbelbetten war nicht besonders erholsam. Am Morgen dann gab es dazu noch unglückliches Baddesign zu bewundern: Der Drehgriff vom Duschwasserhahn war so perfekt rund, dass ich ihn mit eingeseiften Händen kaum wieder aufdrehen konnte. Und wenn dazu noch die Tür der Kabine genau vor die Stelle aufgeht, wo die Haken angebracht sind, an denen man sein Handtuch bereithängen kann, dann bin ich wieder geneigt, bissige Kommentare in das Tagebuch zu schreiben. Und in Summe haben wir uns deshalb entschlossen, gleich beim Frühstück nicht noch zu fragen, ob wir vielleicht noch eine dritte Nacht hierbleiben konnten, sondern morgen am Sonnabend dann aufzupacken und noch einmal woanders Station zu machen.

Sauerländische Weite Für heute und morgen waren je eine Tour ins Sauerland geplant, zuerst in den eher südlichen Teil, dann mehr nördlich. Gleich zu Anfang deutete meine Maschine jedoch zart an, dass das Motoröl im Laufe der Monate weniger geworden war. Die Warnlampe ging zwar gleich wieder aus, aber wir fuhren zur Sicherheit doch mal die nächste Tankstelle an. An Ulrikes Motorrad war nämlich auch gerade die Scheinwerferbirne ausgefallen, da hatten wir also beide zeitgleich etwas zu Schrauben. Ich bildete mir ja bisher immer ein, diesbezüglich ganz gut ausgestattet zu sein, jedoch der kleine Trichter, der bei dem ungünstigen Aufbau meines Motorblockes unbedingt vonnöten war, befand sich nicht in meiner Werkzeugtasche. Aber in solchen Fällen kann man sich oft behelfen mit einem Blatt Papier aus dem Notizblock in der Jackentasche, welches man zu einem kleinen Trichter zusammenrollt und in die Öffnung steckt, und so gelang das auch hier.

Der Herbst war jetzt in den Wäldern klar zu sehen, aber es blieb warm und wurde später am Tag wieder auch sonnig.

Der Rhein-Weser-Turm Am Rhein-Weser-Turm sind wir meiner Erinnerung nach bisher immer nur vorbeigefahren, nun sollte sich das ändern. Wir parkten die Motorräder vornean und gingen ein paar Schritte zum Turm. Der Zugang befand sich im Inneren der Gaststätte, und weil wir unsere Mund-Nasen-Masken im Motorradkoffer vergessen hatten, dachten wir schon, wir müssten noch einmal zurück, aber man ließ uns auch ohne hinein und rauf. Oben war leider alles zu mit Fenstern, und die Glasscheiben waren ziemlich dreckig, deshalb habe ich gar nicht erst versucht, Fotos zu machen. Auf dem Rückweg kamen wir noch an einem Imbiss vorbei, wo man offenbar Langnese-Eis kaufen konnte, aber hier wiesen große Schilder darauf hin, dass man auch draußen im Garten Masken zu tragen hätte, also ließen wir es sein und fuhren ohne ein Eis weiter.

Das Schloss in Bad Arolsen Zurück in Bad Arolsen parkten wir die Motorräder auf dem Hof des Hotels heute etwas sorgfältiger, so dass sie nämlich jetzt beide unter das Dach passten und wir morgen nicht vor dem Frühstück erst einmal die Sitzbänke würden trockenwischen müssen. Danach gingen wir noch eine Runde durch den Ort, kauften uns hier jetzt unser Eis auf die Hand (bzw. in der Waffel) und setzten uns damit auf eine Bank im Garten vor dem Schloss, bevor wir das Abendessen diesmal im Restaurant in unserer Unterkunft einnahmen. Und für diese Nacht habe ich die dicke aufgelegte Matratze herausgezogen und an den Schrank gelehnt, damit schlief sich das dann auch tatsächlich besser.

km 109717, Tagesstrecke 279 km

Sa, 12.09.2020

Die zweite Sauerland-Tour wurde nun wieder von Ulrike angeführt. Und Ulrike ist nun einmal ein Fan von Seen in Gebirgslandschaft. Somit standen heute der Diemelsee, der Sorpesee und der Hennesee vor Meschede auf dem Programm. Die landschaftliche Schönheit davon hielt sich jedoch sehr in Grenzen, denn alle diese Stauseen waren ziemlich leer und zeigten uns breite hässliche Uferstreifen ohne jeden Bewuchs. Zur Einkehr zur Mittagspause eignet sie diese Gegend auch nicht, denn an allen entsprechenden Stellen hatte man Bezahlparkplätze eingerichtet. Wir sehen das aber überhaupt nicht ein, extra bezahlen zu müssen, nur um irgendwo etwas kaufen zu dürfen. Aber für solche Fälle haben wir ja immer eine Flasche Brause und eine Packung Kekse dabei, damit kann man auch abseits der "Zivilisation" Mittag machen.

Das Knöllchen Ein Stück hinter Meschede geschah es, dass plötzlich mitten auf freier Strecke und unmittelbar vor einer Kurve im Wald ein Schild stand, welches Motorradfahrern die Weiterfahrt an Wochenenden verbot. Ich meinte, vorhin schon einmal so etwas ähnliches gesehen zu haben, gebe aber zu, überhaupt nicht wirklich auf solche Dinge geachtet zu haben, sondern einfach meiner Führerin hinterhergefahren zu sein. Wie auch immer, nach ganz kurzer Beratung beschlossen wir, dass es gefährlicher war, hier an unübersichtlicher Stelle zu wenden, als weiterzufahren. So richtig glücklich war diese Entscheidung jedoch auch nicht. Ziemlich weit oben kamen wir um eine Kurve, und dann stand da auf der Gegenfahrbahn ein Polizeiwagen, und zwei Polizistinnen hatten zwei andere Motorradfahrer am Wickel. Und natürlich winkten sie uns, anzuhalten und zu warten, bis wir an der Reihe waren. Eine der beiden erklärte uns dann mehrfach, es hätten sich schon viele totgefahren hier. Diese Argumentation finde ich aber überhaupt nicht richtig, denn erstens gestehe ich jedem Menschen das Recht zu, sich umzubringen, wann immer er oder sie das wünscht, und zweitens macht mich die implizite Unterstellung wütend, nur weil sich viele Motorradfahrer wie Idioten aufführen, würde ich qua Fahrzeuggattung automatisch auch zu den Idioten gehören. Das an dieser Stelle jedoch diskutieren wollen, hätte bestenfalls zu gar nichts geführt, deshalb haben wir einfach jeder 20 € in die Staatskasse gegeben und unseren Selbstmörderstatus unverändert gelassen.

Da wir ja nicht wieder nach Bad Arolsen zurückwollten, aber unsere ursprüngliche Routenplanung eigentlich genau dies vorsah, mieteten wir uns am Ende der Tour nicht weit weg davon in Scherfede im Gasthof Luis ein.

Beim Abendessen zeigte sich, dass man hier sehr viel Wert auf regionale Produkte nicht nur bei den Speisen legte, als alkoholfreies Getränk wurde "LimoNAHde" angeboten, deren Werbung postulierte: "alles andere wäre sehr weit hergeholt", und auch das Bier kam von hier aus der Gegend.

km 110065, Tagesstrecke 348 km

So, 13.09.2020

Am Rückreisetag waren natürlich jetzt keine ganz großen Landschaftshighlights mehr zu erwarten. Immerhin wurde noch das Weserbergland durchquert, aber eine Sperrung bei Fürstenberg führte dann doch dazu, dass wir auf etwas größere Straßen ausweichen mussten. Eine letzte Serpentinenstrecke kam, als wir hinter Eschershausen über den Ith fuhren, danach wurde es dann endgültig flach und unspektakulär. Es ging dann zwischen Hildesheim und Hannover durch, zwischen Celle und Gifhorn durch (hier gab es einen Ort mit dem ulkigen Namen "Schwachhausen") und durch die Lüneburger Heide immerhin noch ganz hübsch nach Hause.

km 110435, Tagesstrecke 370 km
Gesamtstrecke 4438 km


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