Italien 2009

In diesem Jahr sollte der große Motorradurlaub wieder nach Italien gehen, diesmal in die Alpenregion nördlich der Poebene, die wir vor zwei Jahren nicht besucht hatten und somit auch noch überhaupt nicht kannten. Im Unterschied zu allen vorigen Reisen hatte ich diesmal kein Notizbuch dabei, um später anhand von Stichworten einen Reisebericht zu verfassen, sondern im Gepäck befand sich ein Asus Eee PC, um den Bericht jeweils abends vor Ort schreiben zu können. Ansonsten wollten wir wieder wie damals den Autoreisezug nehmen, diesmal beide Fahrten nach Bozen, und wir hatten beschlossen, auf das Zeltgepäck zu verzichten, da wir letztes Mal doch eher selten Campingplätze gesehen hatten. Und zur Vorbereitung hatte Ulrike inzwischen genau so einen Reisesprachkurs gemacht wie ich vor 2 Jahren.

Fr, 04.09.2009

Da das Verladen in Hamburg-Altona erst um 1720 Uhr beginnen sollte, wir aber schon den ganzen Tag lang Urlaub hatten, hatten wir zum Packen alle Zeit der Welt, was wir als sehr angenehm empfanden.

Eine Stunde vor Verladebeginn fuhren wir zuhause los, denn Freitagnachmittag in Hamburg ist ja oft allerhand los, aber wir kamen gut durch. Ich habe vergessen, am Bahnhof den Kilometerstand abzulesen, aber als wir vor 2 Jahren zum Zug nach Livorno fuhren, waren das noch 10 Kilometer, und ich glaube nicht, daß sich daran inzwischen etwas geändert hat.

Unsere Hoffnung, das Liegewagenabteil eventuell für uns alleine zu haben, erfüllte sich nicht, denn nach kurzer Zeit kamen noch zwei Frauen aus Kiel bzw. Hamburg, die gemeinsam mit dem Auto in Umbrien Urlaub machen wollten. In Hildesheim kam noch ein Motorradfahrer dazu, so daß das Abteil sogar voll belegt war. Aber wir haben uns gut miteinander verstanden, später sogar versucht, der Kielerin die Vorzüge des Motorradfahrens schmackhaft zu machen und ihr erzählt, der Waggon mit ihrem Auto sei versehentlich an den Zug nach Nowosibirsk gehängt worden, aber wir würden ihr das beste Mopped heraussuchen von den zahllosen Rauchern, die mit Sicherheit alle in Hildesheim die Abfahrt verpasst haben (denn im Zug durfte man nicht rauchen).

Tagesstrecke: 10 km, km 54997 (Start-Kilometerstand: 54987)

Sa, 05.09.2009

Um 700 Uhr sollte geweckt werden. Wir waren schon kurz vorher wach, weil wir vermutlich von den Leuten in den umliegenden Abteilen, die natürlich auch alle um die Zeit aufstanden, geweckt wurden. Es konnten natürlich immer nur ein bis zwei Personen gleichzeitig aufstehen, aber irgendwann bekamen wir auch unser Frühstück, genossen den Blick aus dem Fenster auf sonnenbeschienene Alpen, und es gab sogar noch eine zweite Lage Kaffee. Kurz vor Bozen sagte der Lautsprechermann durch, wir würden den Bahnhof planmäßig in 10 Minuten erreichen, aber unmittelbar danach fing der Zug an, zu schleichen und im Tunnel eine Zeit lang ganz stehenzubleiben. Aber das war uns ja letztlich egal, wir hatten ja Zeit.

In Bozen verließen wir Motorradfahrer den Zug, während die beiden Autofrauen nach Verona weiterfuhren. An der Verladerampe trafen wir Ute und Nobby von der Kuhlen Wampe Hannover, die in Hildesheim zugestiegen waren und nach Venedig wollten, um dort am Abend die Griechenland-Fähre zu nehmen.

Wir hingegen hatten gestern während der Fahrt schon die Tour Nr. 16 aus dem Buch "Die schönsten Motorradtouren in Europa" [1] in das Navi gehackt, die uns in die Berge führen sollte. Die Anfahrt führte uns zunächst auf die 241 nach Osten, wo wir feststellen mussten, daß die Wettervorhersage wohl doch etwas übertrieben hatte. Wir hatten nämlich im Internet von 25 - 29 Grad für Bozen gelesen, aber mein Thermometer zeigte im Schatten des Hanges teilweise nur 13 Grad an, das fanden wir doch etwas schattig.

Blick auf die Dolomiten In Pozza schwenkten wir ein auf die 48 nach Norden, die ab Canazei die genannte Tour bildete, welche uns mit Sellajoch (wo wir im Rifiugi Monti Palladi Mittagspause machten) und Grödnerjoch gleich zwei der bekanntesten und allgemein als großartig angesehenen Paßstraßen bescherte. Wir mussten allerdings feststellen, daß diese Bekanntheit auch für eine gewisse Fülle sorgte, es waren massenweise andere Motorradfahrer unterwegs, und auch Autos gab es zuhauf. Sogar etliche Busse waren dabei. Einmal kamen wir an eine Spitzkehre, an der ein solcher Bus quer stand und anscheinend nur noch schlecht vor oder zurück konnte. Der Fahrer stieg aus, um die Lage zu begutachten, und wir nutzten die Gelegenheit, um an allen Autos vorbeizufahren, denn von vorne konnte nun ja keiner mehr kommen, und neben dem Bus war für uns gerade noch genug Platz.

In San Cassiano wollte ich eine Postkarte kaufen, denn in diesem Ort richtet meine Firma jedes Jahr die Weihnachtsfeier aus, und ich wollte den Kollegen dann gerne eine Karte von hier schicken, aber alle Läden waren am späten Mittag geschlossen.

Im weiteren Verlauf kamen wir wieder auf die 48, diese war auf der Karte rot eingezeichnet, also eher eine Hauptverkehrsstraße. Zudem fand hier gerade eine Oldtimerrallye statt. Wir setzten uns eine Weile lang neben einer Doppelkehre auf eine Bank und beobachteten das Treiben, bevor wir kurz danach rechts auf die 638 abbogen und über den Paso di Giau fuhren.

Hier war wieder weniger los und die Straße auch kleiner, und ich empfand dieses Stück als das schönste des Tages, was vielleicht auch daran lag, daß ich mich jetzt "eingefahren" fühlte.

In Selva di Cadore fanden wir auf Anhieb ein schönes und geräumiges Zimmer im Hotel Garni "La Stua" für 60 € inklusive Frühstück. Abendessen gab es allerdings dort nicht, dazu gingen wir in den Ort, wo an der Hauptstraße eine recht günstige Pizzeria lag.

Die Häuser in den Orten hier waren alle sehr schön mit viel Holz gebaut. Als Tischler oder Zimmermann hat man hier bestimmt eine Masse schöner Aufgaben. Allerdings verlief im Bad unseres Hotelzimmers ein Balken in Stirnhöhe quer durch den Raum. Der war deshalb dann an den beiden unteren Kanten drei Finger breit angefast und die Fase mit einem Teppichstreifen beklebt. (Anmerkung meiner lieben Frau: "In deiner Stirnhöhe. Ich hatte da kein Problem mit".)

Tagesstrecke: 140 km, km 55137.

So, 06.09.2009

Bei bestem Sonnenschein standen wir um halb acht auf, mussten aber auf dem Dach eines vor dem Haus geparkten Autos eine Schicht Reif zur Kenntnis nehmen, die Nacht war wohl ganz schön kalt. Das Frühstück nahmen wir in einem Raum ein, dessen Decke mit Holzornamenten im Stile unserer Stuckdecken verziert waren.

Weiter ging es zunächst auf der 251 Richtung Südosten. In Dont bogen wir rechts ab über den Paso Duran. Diese Strecke hat mir wieder sehr gut gefallen, die Straße war wieder recht klein und nur gering befahren, einen Abschnitt lang aber auch recht anspruchsvoll, weil voller Risse und Absenkungen im Asphalt.

Im Ort Cencenighe wollten wir eigentlich einen Moment Pause machen, aber hier war das Parken nur mit Parkscheibe erlaubt, und wir hatten schon einen Carabiniere dabei beobachtet, zwei Motorradfahrer aufzuschreiben, also fuhren wir schnell wieder weiter.

Hinter dem Paso di Fedaia machten wir aber richtig lange Pause auf einem Parkplatz mit Bank im Wald. Während wir noch unsere Trinkflasche auspackten, kam ein Reiseschiff Bayerisch-Berliner Bauart mit Lübecker Kennzeichen angerollt. Die Sozia stieg ab, und der Fahrer wollte seinen Dampfer zwischen die Autos parken, war damit aber nicht zufrieden, da sich das schwere Motorrad auf dem Seitenständer stark hangwärts neigte. Mit dem Rückwärtsgang (die dicke BMW hatte sowas!) fuhr er wieder hinaus. Nun hätte er es einfach uns nachmachen können, wir hatten unsere Maschinen gegenüber den Autos längs abgestellt und in den ersten Gang rollen lassen, und Platz wäre davor auch noch massenhaft gewesen, aber sie fuhren wieder weiter. Dann ergötzten wir uns eben an den zahlreichen Rennradfahrern, die hier überall unterwegs waren und bergauf auch wahre Verkehrshindernisse darstellen konnten, bergab aber respektable Geschwindigkeiten erzielten.

In Canazei waren wir mit der Tour Nr. 16 nun einmal herum, so bogen wir auf die 48 zum Pordoi-Joch ab. Leider wurde jedoch, vermutlich wegen eines Unfalls, der gesamte Verkehr von der Polizei hier entlang geleitet, darunter zwei große Busse, die irgendein Volltrottel kurz vor uns von einem Wendeplatz aus hatte sich einreihen lassen. Somit ging es im Stop-and-Go den Berg hinauf. Da half nur eine beherzte Annahme der Fahrweise der italienischen Motorradfahrer, die sich einfach überall durchquetschten. Mit unseren Koffern war das zwar nicht ganz so einfach, aber bald gelang es mir, und auch Ulrike konnte diese Alpenpest irgendwann hinter sich lassen und die höheren Lagen wieder richtig genießen.

In Corvara bekamen wir auf Anhieb in der Pension "La Fontana" ein Zimmer, wo im Preis von 42 € pro Person das Frühstück und das Abendessen inbegriffen waren. Und letzteres hatte es in sich, es gab zunächst leichte Happen und als Aperetif Fruchtbowle mit Prosecco, dann folgendes Menü:

Dabei haben wir nett mit einem Motorradfahrerpaar (das stimmt nicht ganz, sie war nur Sozia) aus Köln geschnackt, die sich jedoch die weite Anfahrt nicht zugetraut hatten, sondern mit dem Auto da waren. Der Wirt hier machte auf uns den Eindruck, als ob deutsch (also der hiesige Dialekt) seine Muttersprache war, während die Wirtin gestern zwar deutsch mit uns sprach, aber mit italienischem Akzent.

Tagesstrecke: 200 km, km 55337.

Mo, 07.09.2009

Das Wetter war wieder bestens, auch schien es hier in der Nacht nicht ganz so kalt gewesen zu sein. Nach einem guten Frühstück mit leckerem Müsli ging es los Richtung Norden. Da ein Großteil der Strecke von Ulrike geplant wurde, nahm sie sich gleich das Navi, und ich war heute dran mit dem Hinterherfahren.

Zum Würzjoch Zunächst ging es nach Norden eine Strecke, die ich von der Anfahrt zur Weihnachtsfeier meiner Firma zwar schon kannte, die ich aber nach der langen Busfahrt von München bisher nie so richtig würdigen konnte.

In San Martino hieß es dann abbiegen zum Würzjoch. Diese Route wurde mir von meiner Teamleiterin empfohlen, die zwar selbst nicht einmal Auto fährt, sich aber viel in dieser Gegend aufgehalten hat. Und die Straße war durchaus empfehlenswert. Klein und somit sehr anspruchsvoll zu fahren, aber sehr schön und abgesehen von einigen Motorrädern (wahrscheinlich ist das inzwischen auch schon kein Geheimtip mehr) mit sehr wenig Verkehr. Nachher in Villnösser Tal hatte man auf der Fahrt entlang des Hanges äußerst schöne Aussichten links in das Tal hinunter.

Die von Ulrike nun übernommene Tour Nr. 15 aus [1] war zunächst das Gegenteil, sie bot uns genussvolles Dahingleiten ohne große fahrerische Anforderungen durch ein breites Tal. Das galt sogar auch noch, als kurz nach Pénnes ganz plötzlich jede mehr als handspannenhohe Vegetation verschwand und es hochging zum Penser Joch. Es gab nur wenige Kehren, sondern die Straße zog sich lang an den relativ wenig zerklüfteten Berghängen hin, so daß man zwischen den Kurven auch immer wieder ordentlich aufdrehen konnte.

Oben angekommen legten wir uns auf das Gras des Hanges, was sich fast anfühlte wie zuhause am Zollenspieker Deich, nur die Aussicht war geringfügig anders, großartig nämlich (was man von der Elbe nicht in gleichem Maße sagen kann, leider).

Auf der anderen Seite wurde die Strecke dann wieder deutlich anspruchsvoller, was sich am Jaufenpass dann fortsetzte. Weiter ging es durch Merano und über das Gampenjoch die 42 und 43 nach Süden.

Wir hatten uns nämlich vorgenommen, jetzt im Trentino für ein paar Tage ein Standquartier zu nehmen und die Gegend dort mal ohne Gepäck zu erkunden. In Ischia bei Pérgine gab es einen Albergo, dessen Besitzerin im Netbikerforum angemeldet ist und die auch deutsch spricht. Ich hatte angefragt, ob wir am Sonnabend kommen könnten, aber das Wochenende war schon von einer Gruppe ausgebucht. Aber vielleicht hatten wir heute ja mehr Glück.

Sie erzählte uns jedoch, daß sie die Herberge jetzt nach dem Wochenende geschlossen hatte, nur die Bar war noch offen. Aber gleich im Nachbarort San Cristoforo fanden wir dann ein Zimmer für 55 € im Albergo des Ortes, welcher zwar nur zwei Sterne hatte, vermutlich weil die Zimmer nicht mit einen Fernseher ausgestattet waren. Aber zum Fernsehen waren wir schließlich nicht hergekommen. Zum Essen empfahl man uns die Pizzeria "La Darsena" (das Wort bezeichnet einen Schutzhafen) beim Campingplatz des Ortes, wo wir - natürlich - jeder eine Pizza aßen. In der Pizzeria sprach man auch deutsch (und niederländisch, zumindest soviel, um den Wohnwagencampern einen guten Appetit zu wünschen), aber im Albergo nicht. Aber mit unserem Vorbereitungsitalienisch kamen wir ganz gut klar.

Tagesstrecke: 264 km, km 55653

Di, 08.09.2009

Beim Aufwachen hörte Ulrike etwas rauschen und befürchtete Regen, aber es muß wohl eine Dusche von nebenan gewesen sein. Denn als wir den Fensterladen vor der Balkontür öffneten, erblickten wir wieder den schönsten Himmel. Heute war ich wieder dran mit Planen, es gab eine kleine Variation von Tour Nr. 8 aus dem Motorrad Guide & Roadbook [2].

Die führte uns zunächst sehr schön am Caldonazzo-See entlang, dann mit einem Schwenk über die 349 durch Trento (was das Original auch tat und mir schwer vermeidlich schien) und ab Lavis sehr schön auf der nördlichen Seite des Avisio-Tales die 612 entlang. In den Orten, durch die wir da kamen, war man schon schwer mit der Weinlese beschäftigt. In Gráuno sollte es laut Originaltour und Powerkarte [3] eine Straße über Cauria nach Salorno geben, unser Navi kannte die aber nicht. So hatte ich mir vorgenommen, vor Ort nach einem entsprechenden Wegweiser zu suchen und die Strecke dann entsprechend abzuwandeln. Auf einem Parkplatz am Anfang des Ortes (an dem die 612 talwärts vorbeiführte) fanden wir jedoch auf einer Tafel mit den Wanderwegen der Region auch keinen Hinweis auf die gesuchte Straße, hingegen ließ uns ein Schild "40% Steigung bei 1,9 m Breite" davon Abstand nehmen, auf gut Glück hochzufahren und weiter danach zu suchen.

Teich neben der Hütte am Manghen Aber die Straße zum Paso di Manghen entschädigte uns vollends. Es ging da sehr schön verwunschen durch dichten Wald. Ich glaube, wenn ich die Wahl habe zwischen Hochgebirge mit 47 Kehren oberhalb der Baumgrenze und dieser Strecke, ich würde immer wieder letztere nehmen. Es machte einfach riesigen Spaß, durch den Tann zu flitzen, auch wenn man aufpassen mußte, daß einem niemand entgegenkam auf der schmalen Straße. Oben in den Kehren zeigten sich dann auch stellenweise die Grenzen der CB, die ja doch ein reichlich großes Motorrad ist. Den Mittag verbrachten wir in einer schönen Einkehrhütte am Paß.

Auf der anderen Seite unten war der Weg zurück nach Westen parallel zur Autobahn relativ unspektakulär, aber dann hatte ich aber noch ein kleines Schmankerl eingebaut mit einer Auffahrt nach Vetriolo. Der Weg hoch ging beinahe noch verwunschener durch den Wald, leider aber mit ziemlich schlechtem Pflaster und nicht so schön geschwungenen Kurven. Dafür entschädigte oben der Ausblick von einem Parkplatz vor einer Bar den Berg hinunter: Von rechts und links führten bewaldete Hänge hinunter und wiesen in der Mitte tief unten auf einen größeren Ort, Levico Terme, auf der anderen Seite recht schroffe Berge. Laut einer danebenstehenden Tafel wurde dieser Platz auch als Startplatz zum Gleitschirmfliegen genutzt.

Es sollte noch ein südlicher Schlenker über Chiesa folgen. Zunächst hatten wir wegen einer Baustelle mit Vollsperrung hinter Levico Schwierigkeiten, den Weg zu finden. Das Navi bot uns einen einspurigen Schotterweg an, und nachdem ich diesen verschmähte und den Weg auch ohne tückische Technik fand, mußte ich erst die gesetzten 3 Wegpunkte wieder deaktivieren. Danach hatten wir aber noch einmal eine anspruchsvolle Bergstrecke mit einspurigen Abschnitten und zwei nicht einsehbaren Tunneln.

Der Rückweg nach San Cristoforo war wieder sehr angenehm, zum Abschluß fuhren wir wieder die schöne Route mit Blick auf den See.

Das Konzept mit dem sofortigen Schreiben des Reiseberichts erwies sich jedoch als nicht optimal, denn so dauert das natürlich länger, und man kann es auch nicht zwischendurch machen, während man im Restaurant sitzt und auf das Essen wartet. Ulrike jedenfalls wollte nicht auf mich warten, sondern lieber noch einen Spaziergang hinunter zum See machen, bevor es dunkel wurde. So begnügte ich mich also mit dem Niederschreiben von Stichpunkten, wir setzten uns noch nett auf eine Bank am Seeufer und beobachteten, wie die Schatten langsam die Berge hinaufkrochen. Als ich mit den Fingern schnippte und bei einem imaginären Strandkellner zwei Bier bestellte, erzählte Ulrike die Geschichte von einem Kollegen, der mal zu Besuch bei längst verstorbenen Großeltern war. Dort sei es wohl so gewesen, daß Opa wortlos mit dem Löffel an seine Tasse schlug, dann stand Oma auf und goß Kaffee nach. Das habe er danach zuhause bei seiner Frau dann auch mal versucht, aber nur brüllendes Gelächter geerntet. am Caldonazzo-See

So mussten wir uns also wieder in die Pizzeria von gestern begeben (etwas anderes schien es hier im Ort nicht zu geben), wo ich mir aber nicht nur Bier, sondern auch eine leckere gegrillte Dorade vorsetzen lassen konnte. Wir tranken jedoch nicht das angebotene Beck's, sondern lokales vom Faß, weil wir keinen Anteil daran haben wollten, daß das Bremer Bier womöglich per LKW durch halb Europa gekarrt wurde.

Tagesstrecke: 202 km, km 55856

Mi, 09.09.2009

Nachdem wir heute von einem leicht bewölkten Himmel begrüßt wurden, war es an Ulrike, uns über die Tour Nr. 3 des Flyers [4] zu führen. Das ging zunächst ganz profan per Schnellstraße nach Trento, von dort aber sehr schön in die Monte Bodone und über den Col di Castion. Dann ging es über ziemlich kleine Nebenstraßen im Tal des Sarca entlang. Hier war wieder alles voll mit Weinbergen und Obstpflanzungen. Irgendwo darin fanden wir eine Bushaltestelle mit Bank am Flußufer, wo wir neben der Landschaft auch die örtlichen Bauern bei der Müllentsorgung beobachten konnten. Denn just nachdem wir die Helme abgenommen hatten, fuhren sie mit kleinen Treckern an und füllten nicht nur Altglascontainer, sondern auch ein Behältnis für Restmüll, zu dessen Bedienung man offenbar Geld einwerfen mußte. Etwas später fuhr einer der auch hier noch zahlreichen Rennradfahrer vorbei, in dessen Hosentasche plötzlich ein "altes schwarzes Telephon" klingelte und dessen Trainingseinheit so eine jähe Unterbrechung erfuhr.

Dieses Tal führte zwischen schroffen Bergen auf den Gardasee zu. Zwischendurch gab es mal einen Abschnitt, wo es aussah, als hätte ein Riese eine Tüte Steine in das Tal gekippt. Unmittelbar danach bogen wir in Arco auch wieder links ab. Bei der Auffahrt hatten wir aber schon mal einen sehr schönen Blick von oben auf den See in der Ferne.

Von der 240 bogen wir wiederum links ab auf eine Strecke, die die Bezeichnung Valle di Cei führte und auf der wir eine ganze Weile lang gemütlich und einsam durch die Bergwelt kurven konnten, ein Vergnügen, das zwischendurch durch eine Baustelle mit Vollsperrung noch etwas verlängert wurde. Abweichend von der Streckenführung im Flyer [4] fuhren wir jedoch über Aldeno in das Tal der Etsch, überquerten diese bei Mattaretto, damit die Tour schließlich mit der nun schon bekannten Straße entlang des Caldonazzosees ihren Abschluß finden konnte.

Da wir heute recht früh zurück waren, gingen wir noch hinunter ans Seeufer und setzten uns an einen Picknicktisch, wo ich einen Teil meiner Rückstände dieses Reiseberichtes aufarbeiten konnte. Der Tag nahm seinen Abschluß wieder mit einer Pizza, der diesmal noch ein Grappa folgte, der ja auch hier in der Gegend produziert wurde.

Tagesstrecke: 161 km, km 56017

Do, 10.09.2009

Heute stand bei noch etwas bewölkterem Himmel die Tour Nr. 4 des Flyers [4] auf dem Programm. Das Navi sponn zu Anfang etwas herum, wir sollten in falscher Richtung auf die Schnellstraße und dann wenden. Als ich das erkannte, war es eigentlich schon zu spät zum Umdrehen, aber ich fuhr verbotenerweise auf eine Tankestelle, da konnten wir erstmal unseren Reifendruck prüfen und danach die Schnellstraße wieder verlassen.

Die Schnellstraße brauchten wir sowieso nur, um an Pergine vorbeizukommen, dann ging es ab und über Madrano und Baselga del Pine Richtung Nordosten. Kurz vor Bedollo bogen wir ab und fuhren über Sant Orsola wieder fast zurück.

Hinter Levico Terme mussten wir erstmal die Sperrung von neulich wieder umfahren, dann machten wir auf halber Höhe eine kurze Pause mit schönem Ausblick einerseits auf den Caldonazzosee sowie weiter rechts auf den Aussichts- und Gleitschirmabflugplatz von vorgestern.

Unterwegs standen wieder etliche der anscheinend über ganz Norditalien verteilten Plakate mit dem Text "Der Helm reicht nicht, man muß auch den Kopf benutzen", einer Aussage, deren zweiter Teil sicher ganz generell immer gilt.

Hinter Rovereto auf der 46 wurde uns wieder sehr schönes Hin- und Herschwingen im 3. und 4. Gang ohne Sorge vor Gegenverkehr geboten. Irgendwann sollte unsere Route links abgehen auf den Paso di Xono. Dort standen aber Schilder, die eine Sackgasse in 8 km Entfernung ankündigten. Eine mit zwei Personen besetzte rot-weiße CB 1300 wie meine mit deutschem Kennzeichen AW (keine Ahnung, wo der herkam) fuhr die Straße trotzdem hinauf. Ich hingegen versuchte die Navi-Funktion "Straßensperre vermeiden", wohl wissend, daß das in der Vergangenheit nur in Ausnahmefällen mal geklappt hat. Tatsächlich markierte das Navi nun alle zur Verfügung stehenden Richtungen als gesperrt, aber ich fuhr einfach die 46 weiter hinunter. Irgendwann hat sich das Navi dann berappelt und führte uns über ultrakleine Straßen hoch in die Berge. Diese Straßen waren so klein, daß man es anscheinend nicht für nötig befunden hatte, wie auf den größeren Straßen die Schilder "Schneeketten vorgeschrieben" für den Sommer durchzustreichen. Wir kamen schließlich oben auf dem Paso di Xono an - unmittelbar vor der Straßensperre. Das Navi bietet einem nämlich nur 4 verschiedene Längen der Straßensperre zur Auswahl, das Maximum sind 5000 Meter. Somit hat das Gerät seine Aufgabe eigentlich richtig gelöst, ich hätte halt die 8 km zunächst noch erst hochfahren sollen. Na gut - also fuhren wir die Route, die die andere CB hochgefahren war, runter, und ich kam immerhin noch in den Genuß, meine Kurvenschwingstrecke wieder zurückfahren zu dürfen. Weiter ging es auf vorgeschlagener Navi-Route, wieder mit Abschluß entlang des Caldonazzo-Sees.

In der Pizzeria hörte ich die Leute am Nebentisch auf französisch reden, und auf die Frage des Kellners, ob denn ich das Schnitzel bekäme, rutschte mir zur Belustigung aller ein entschiedenes "oui!" heraus. Nun ist es ja inzwischen schon 16 Jahre her, daß ich für eine Weile in Besançon gelebt und gearbeitet hatte, aber das steckt anscheinend doch immer noch irgendwie drin.

Tagesstrecke: 260 km, km 56277

Fr, 11.09.2009

Heute hieß es wieder alles zusammenpacken. Das Wetter war zwar schön wie immer, aber inzwischen hatten wir die Strecken in der Gegend alle abgefahren. So war uns die Route nach Rovereto wirklich keine Unbekannte mehr, machte aber immer noch Spaß. Außerdem gelang es Ulrike, kurz vor der Stadt noch einen kleinen Schlenker durch die Berge einzubauen.

In Rovereto selbst wurde getankt, dabei mußte ich eine ganze Weile warten, weil die Frau vor mir an der Kasse, so wie ich es verstand, erst nach dem Tanken gemerkt hatte, daß sie kein Geld dahatte. Der Tankwart jedenfalls mußte offenbar irgendwo anrufen, um sich erklären zu lassen, wie er das denn zu buchen hatte, damit in der Zwischenzeit die Säule wieder benutzt werden konnte. Dabei bekam ich gleich eine Demonstration in der italienischen Meisterschaft im Vordrängeln; Ein Mann hinter mir legte das Geld passend auf den Tresen, wechselte 5 Worte mit dem Tankwart und war weg. Da ich nicht mit Bargeld, sondern per Karte zahlen wollte, hätte ich dem auch mit weit besseren Italienischkenntnissen nichts entgegenzusetzen gehabt. Im Übrigen scheint die Bemerkung im Sprachführer [6], die Spritpreise in Italien seien aufgrund Staatsmonopols überall gleich, nicht hundertprozentig zu stimmen: Ich habe 1,280 €/l bezahlt, aber unmittelbar danach an den nächsten Tankstellen im Ort noch 1,283 und 1,284 €/l gesehen. Aber dieses Buch spricht manchmal auch noch von Lire...

Mit vollen Tanks ging es auf einer Nebenstrecke über den Caval di Novezza weiter südwärts. Schließlich kamen wir in Torri del Benaco an das Ufer des Gardasees, jedoch nicht, ohne zuvor vom Navi noch über eine extrem steile Abkürzung dorthingeleitet zu werden. Ich fuhr im ersten Gang ohne Gas mit laut heulendem Motor und mußte doch immer mal wieder bremsen.

Pause am Gardasee Zur Belohnung gönnten wir uns gleich eine Pause direkt am Ufer unter einem Sonnendach, wohin der Kellner einer Bar über die Straße hinweg die Getränke und Speisen (ich bekam Prosciutto e Melon, sehr lecker) brachte. Auffällig war, daß die Speisekarte unter anderem auch in dänischer Sprache abgefasst war.

Die weitere Strecke, wieder nordwärts am Seeufer entlang, war dann doch sehr touristisch, Hotels, Restaurants, auch einige Campingplätze, alles eigentlich ohne Unterbrechung, immerhin durfte man trotzdem zwischendurch mal 70 km/h fahren. Das Nordende des Sees war auch noch voller Surfer. Unsere Route ging auf dem anderen Ufer wieder nach Süden, allerdings wegen vieler Tunnel dort mit einem Abstecher in die Berge unterwegs, der wieder sehr schön war. Wieder unten am Ufer mussten wir doch noch ein paar Tunnel mitnehmen, und es zeigte sich, warum es eine gute Idee war, die zu vermeiden: Vor uns fuhr ein sehr hoher Bus, und immer, wenn ein etwas größeres Fahrzeug entgegenkam, traute der sich nicht recht zur Seite (und oben war auch nicht mehr viel Platz!), und es ging in dem Tempo voran,in dem kleine Kinder ihre ersten Schritte machen.

Also nahmen wir hinter Gargnano wieder den Weg hoch in die Berge. Dieser sollte uns vorbei am Lago di Valvestino vorbeiführen, ein See, den ein Netbikerkollege als Nick gewählt hatte und den ich mir deshalb mal angucken wollte. Gehorsam hielt Ulrike am Aussichtspunkt an - mit Blick auf eine Staumauer. Zu allem Überfluß herrschte hier auch gerade Wassermangel, einige Meter des Seegrundes an den Ufern lagen frei, was den Anblick nicht schöner machte. Auf einer Informationstafel priesen sie auch noch das Valvestino-Tal als naturbelassen und unberührt, es ist sicher richtig, daß hier kaum jemand wohnt, aber für Kajakfahrer, und das sind wir ja beide auch, wird ein Flußlauf nun einmal durch einen Stausee grundlegend verdorben.

Für Motorradfahrer immerhin war die Strecke richtig schön, solange man eben nicht zu tief ins Tal hinunterguckte. Aber dazu boten die vielen Kurven sowieso kaum Spielraum. Auch ein paar Regentropfen, die aus eigentlich sonnigem Himmel (nur direkt über uns war eine kleine Wolke) herabfielen, konnten uns bei knapp über 30 Grad nicht stören.

So langsam ging es auf 18 Uhr zu, Zeit, sich ein Quartier zu suchen. Am Ortseingang von Idro gab es eine Pizzeria mit Zimmerangebot. Jedoch sagte uns der Niederländer, der sie betrieb, es sei schon alles voll. Aber er klemmte sich ans Telefon und erklärte, im Zentrum des Ortes sei wohl noch etwas frei, jedoch sei die Betreiberin gerade nicht da und ihr Mann würde alleine nichts unternehmen, wir müßten vielleicht eine halbe Stunde warten. Aber wir mussten ja auch erstmal dorthinfahren, und wir kamen gleichzeitig mit der Besitzerin an. Da erhielten wir nicht nur ein Zimmer, sondern gleich ein ganzes Appartment in der "Residence Elettra" für 50 € incl. Frühstück, für das wir allerdings zwei Häuser weiter in einen Albergo gehen mussten. Und zum Abendessen hatten wir zwei Restaurants nur unwesentlich weiter zur Auswahl, in deren einem es eine gute Lasagne gab.

Tagesstrecke: 255 km, km 56533

Sa, 12.09.2009

Lago di Tenno Bei der Planung der heutigen Tour beschlossen wir, von hier aus nicht eine, sondern zwei Rundtouren zu machen, und wir konnten unseren Aufenthalt problemlos verlängern. Dann konnte ich also heute für Ulrike eine Seentour kreieren. Los ging es mit der Fahrt entlang des Lago d'Idro nach Norden, dann weiter auf die 240 zum Gardasee. Zwischendurch kam noch ein Tümpel und der Lago di Ledro, an dessen Ufer wir ein kurzes Päuschen einlegten und die in türkisfarbenem Wasser schwimmenden Fische beobachteten. Hinter Riva del Garda an der 421 nach Norden stach uns der Lago di Tenno mit noch viel türkisfarbenerem Wasser ins Auge. An der 237 gab es rechter Hand noch einen Stausee, der aber durch die Lücken in der Tunnelmauer nur ganz kurz zu sehen war.

Noch vor Tione di Trento bogen wir wieder nach Norden ab, auf einer wieder sehr kleinen Straße, die in der Powerkarte [3] nicht einmal als landschaftlich schön Strecke markiert war, aber für meinen Geschmack wieder sehr nett durch Waldgebiete führte. Einige sehr schöne Häuser waren zu verkaufen, und natürlich gab es auch hier etliche Fahrradsportler. (Und die werden sich gedacht haben, diese deutschen Motorradfahrer findet man doch auch in den abgelegensten Ecken...)

Ausnahmsweise war Ziel dieses Abstechers mal kein See, sondern ein Wasserfall, die Cascata di Nardis im Val di Génova. Da es dort jedoch einen Bezahlparkplatz gab und wir schon vorher Blicke auf einen ziemlich trockenen Wasserlauf werfen konnten, verzichteten wir und drehten wieder um. In Carisolo saßen wir unter der Markise einer Bar einen ganz leichten Regenschauer ab.

solche kleinen Straßen fahren wir sehr gerne Auf dem Rückweg nach Süden sollte es einen weiteren Abstecher geben mit dem Val di Daone, wo der Lago di Malga Boazzo und der Lago di Malga Bissina auf uns warteten. Aber in einer Kehre der schmalen Straße kam Ulrike ein Auto unglücklich entgegen, und beim Wiederanfahren legte sie die Suzuki auf die Seite. So war erstmal Reparaturstunde angesagt, neben dem unvermeidlichen Abfeilen des abgebrochenen Bremshebels mußte auch das Lenkerende herausgezogen und neu eingesetzt werden, das sich sonst der Gasgriff nur noch schwer drehen ließ.

So mussten die Seen auf unseren Besuch verzichten, wir fuhren ganz gemütlich zurück nach Idro, gingen noch etwas spazieren und aßen ein leckeres Eis, mittlerweile war das Wetter auch wieder danach. Allerdings konnte man auch hier inzwischen sehen, daß der Herbst langsam Einzug hielt, einige Bäume und Büsche der umliegenden Berge schienen heute schon brauner als gestern noch.

Zum Abendessen gingen wir diesmal in das andere Restaurant, das gebackene Hähnchen dort gefiel mir aber nicht ganz so gut.

Tagesstrecke: 183 km, km 56716

So, 13.09.2009

Heute morgen konnten wir wieder mal beobachten, daß die Italiener das Frühstück als eine lästige Pflicht anzusehen scheinen, sie setzen sich hin, stürzen den Kaffee hinunter, essen allenfalls ein halbes Brötchen und sind nach 10 Minuten wieder weg. Möglicherweise schüttelte Signora Elettra innerlich den Kopf über uns Deutsche, die sich Zeit ließen und immer alles aufaßen. Wir schüttelten jedenfalls auch ein wenig den Kopf über das junge Pärchen, das gegen das gleißende Licht in der in dunkelbraunen Farbe gehaltenen Stube die Sonnenbrillen aufbehielt.

Da ich schon die letzten Tage abends immer ein matschiges linkes Auge gehabt habe, habe ich entschieden, heute mal einen Pausentag einzulegen. Schließlich hatten wir ja auch Urlaub, also wurde der Aufenthalt nochmal verlängert. Ulrike wollte alleine auch nicht los, so saßen wir dann zusammen auf der Veranda. Sie las ihren Island-Krimi zuende, während ich mein Buch bisher noch nicht einmal angefangen hatte, denn ich hatte bisher die Abende ja immer mit diesem Text verbracht. Meine Lektüre (von einem Holländer, der in Japan in einem Zen-Kloster lebte, [8]) hatte ich unter anderem auch danach ausgewählt, daß es dabei garantiert nicht ums Motorradfahren ging, schon im ersten Kapitel zeigte sich aber, daß der Autor auch Motorradfahrer war.

Die Ruhe war allerdings relativ, denn heute am Sonntag fuhren unten wohl besonders viele Motorradfahrer durch, alle machte viel Krach mit ihren Brülltüten und Trockenkupplungen und drehten ordentlich am Hahn. In Deutschland hätte es bestimmt schon lange Anträge der Anwohner auf Streckensperrung gegeben. Gegen 14 Uhr mussten wir die bei dieser Gelegenheit gleich gewaschene Wäsche unter das Vordach holen, da ein Gewitter niederging. Während der Stunde Regen wurde es draußen auch ruhiger, lebte dann wieder auf, allerdings mussten wir am Nachmittag auch einige Sirenen von Krankenwagen vernehmen.

Zum Abendessen spazierten wir diesmal in die andere Richtung, denn in der Wegbeschreibung des Holländers, als er uns vorgestern zu dieser Unterkunft geschickt hatte, hatten ebenfalls zwei Ristorante-Pizzerias eine Rolle gespielt, genau passend für die zwei Abende, die wir noch hierbleiben wollten. Und die gegrillte Forelle (die Karte behauptete, sie käme hier aus dem See) war diesen Gang allemal Wert.

Zurück bei den Appartements schnackten wir noch eine Weile mit einem Nürnberger, der seine GS durch die Berge getrieben hatte und dessen Frage "Wie vermeidet ihr Schotterstrecken?" uns einigermaßen verblüffte: Wir fuhren nach einer großmaßstäblichen Karte, und wenn wir irgendwo nicht lang wollten, dann fuhren wir da eben nicht. Aber er hatte Karten in 1:25000 dabei und erzählte uns von einer Stelle, wo jemand einst einen Weg gefahren ist, der immer schmaler und schmaler wurde, bis er nicht mehr anders gekonnt habe, als seine Transalp in die Landschaft zu werfen, wo die Reste jetzt immer noch lägen.

In der Nacht fing es wieder an, zu gießen und zu gewittern, daß die Fensterscheiben (Einfachglas ohne Kitt im Rahmen) ziemlich klapperten.

Mo, 14.09.2009

Hin zum Frühstück kamen wir zwar noch trocken, aber schon auf dem Rückweg regnete es wieder, und entlang der Berghänge zogen tiefliegende Wolkenfetzen. Soweit ich unsere Wirtin verstanden hatte, sollte es noch heute und morgen schlechteres Wetter geben, zwar kein Regen, aber bewölkt. Bei dem Regen hatten wir jedenfalls keine Lust zum Fahren und setzten uns erstmal wieder mit unserer Lektüre hin. Und der Regen hörte bis zum Nachmittag nicht auf, dann irgendwann lohnte sich auch das Losfahren auch nicht mehr. Aber unsere Wirtin kam mit einem Korb voll Feuerholz vorbei, denn diese Appartments hatten alle einen Kamin. So konnten wir wenigstens ein knisterndes Feuerchen genießen, bevor wir uns zum Abendessen aufmachten.

Eigentlich wollten wir heute die vierte Pizzeria ausprobieren, aber da wir vorgestern gesehen hatten, daß die zweite einen Hotspot anbot, gingen wir wieder dorthin und nahmen den Eee PC mit, um mal nach dem Wetter zu gucken. Unterwegs trafen wir noch den Nürnberger Steffen, der sich uns anschloß. Die Wettervorhersage ergab wenig neues, das schlechte Wetter lag eigentlich überall, so daß es nicht lohnend erschien, z.B schnell in die Toskana oder gar nach Frankreich auszuweichen.

Di, 15.09.2009

Heute verlängerten wir um einen weiteren Tag in der Hoffnung, heute wenigstens noch eine kleine Runde fahren zu können, aber zuerst sah es nicht danach aus. Und unsere Wirtin brachte uns wieder einen Korb Holz vorbei, wir konnten uns aber auch nicht dazu entschließen, das sofort anzuzünden. Kurze Zeit später fuhr Steffen ab, voll bepackt und in Regenzeug, er hatte schon seit ein paar Tagen leichte Magenprobleme und wollte eventuell heute noch nach Hause (sein Navi gab eine Fahrtzeit von etwas über 9 Stunden an).

Kurz nach Mittag, nachdem ich schon die vor den Berghängen vorbeiziehenden Wolken fotografiert hatte, besserte sich das Wetter etwas, und wir brachen auf zu einer kurzen Runde. Die führte uns zunächst auf die 237 Richtung Brescia, in Nozza bogen wir aber ab, um über Casto die 345 zu erreichen. Und die Straßen wurden trocken, und es kam sogar mal die Sonne durch. In Cóllio wurde einfach, aber lecker und billig etwas gegessen und, nachdem wir so wieder zu kleinen Geldscheinen gekommen waren, an einem Automaten getankt. Eine Weile später kam uns auf der Straße eine Herde von etwa 7 Rindern entgegen, die den Eindruck machten, als hätten sie genug vom Leben auf der Weide und wollten jetzt nach Hause, schließlich wurde das ja nun bald Winter. Wenn das stimmte, dann hatten sie diesen Entschluß jedenfalls ganz alleine gefaßt, denn ein Mensch war nicht dabei.

Im weiteren Verlauf führte die Straße immer höher hinauf, es wurde auch immer kälter, und irgendwann kamen wir in die Sorte Wolken, die mich noch vor drei Stunden von unten so fasziniert hatten. Stellenweise hatte der Regen Erde auf die Straße gewaschen, und uns kamen mehrere Lastwagen entgegen, aber die Straße war dafür breit genug.

Schluß war mit der guten Straße Das änderte sich jedoch schlagartig. Nicht nur verengte sie sich auf fast die halbe Breite, sondern auch der Asphalt war weg, wir standen plötzlich vor einer unbefestigten Piste mit ein paar wassergefüllten Löchern. Unser Navi zeigte 8,1 km bis zum nächsten Abbiegepunkt, dem Paso di Croce Domini, es konnte also sein, daß die Strecke noch so lange in dieser Art weiterging. Noch während wir darüber beratschlagten (und unsere Tendenz ging dahin, wieder umzukehren, weil wir wenig Lust hatten, unter solchen Umständen einem weiteren dieser Laster zu begegnen), kamen 3 Bayern mit etwas geländegeeigneteren Maschinen. Die meinten, laut ihrem Navi ginge das nur 400 Meter weit, dann käme wieder Asphalt. Sie hatten ein anderes Modell von Navi, unser Tomtom zeigt so etwas wie den Straßenzustand nicht an. Wir haben uns überreden lassen, sind hinter ihnen hergefahren, und sie hatten auch tatsächlich Recht.

Pferde liefen hier auch frei herum Zuerst jedenfalls. Denn nach einer Weile wurde die Strecke wieder unbefestigt, und diesmal blieb sie es auch. Und ich hatte mich neulich noch über das "Wie vermeidet ihr Schottertrecken?" amüsiert. Dann kam uns auch noch nicht ein weiterer Laster entgegen, sondern der Tieflader, der den zugehörigen Bagger dort hochgebracht hatte, aber es gab Platz genug zum Ausweichen für die ganze Gruppe. Später, als zuerst zwei Pferde frei herumliefen und dann ein Schild kam, welches schlechte Wegstrecke ankündigte, hielt ich an und machte Fotos, deshalb fielen wir etwas zurück. Und auch das Schild hatte Recht, im weiteren Verlauf gab es öfters mal Rinnen in der Oberfläche, wo sich fließendes Wasser einen Weg gegraben hatte. Aber schlimmer wurde es dann nicht, wir kamen alle wohlbehalten auf der anderen Seite an, wobei es die Bayern mit einer KTM, eine Versys und einer kleinen GS natürlich etwas leichter hatten.

Während wir noch zusammenstanden und klönschnackten, kam von der anderen Seite eine Dakar mit zwei Personen plus richtig viel Gepäck mit Offenburger Kennzeichen hoch. Ulrike meinte: "So bepackt würde ich da nicht durchfahren", die Bayern meinten: "Schlimmer als das, was ihr hier sehen könnt, wird es nicht mehr, und die beiden hier (damit meinten sie uns) sind auch durchgekommen". Wir haben den Offenburgern viel Spaß gewünscht und sind weitergefahren.

Die folgende Strecke hinunter nach Bagolino hat mir landschaftlich gut gefallen, allerdings wurde der Asphalt bald ziemlich schlecht, was allerdings nichts war gegen das, was wir zuvor erlebt hatten. Auch war auf dieser Seite der Berge das Wetter wieder schlechter, und kurz vor dem Lago d'Idro zogen wir vorsorglich die Regensachen an, was sich als nicht ganz verkehrt erwies.

Aber dafür konnten wir uns dann "zuhause" ein schönes Feuer machen, bevor wir die letzte noch nicht getestete Pizzeria aufsuchten.

Tagesstrecke: 113 km, km 56829

Mi, 16.09.2009

Nach freundlichem Abschied von unseren Wirtsleuten machten wir uns bei strömendem Regen auf die Weiterreise. Es ging zunächst den gleichen Weg wie gestern wieder hoch auf den Paso di Croce Domini, dann aber nicht auf die unbefestigte Strecke, sondern in westlicher Richtung weiter. Meine Handschuhe waren schon nach wenigen Kilometern durch, aber die elektrischen Heizgriffe halfen etwas. Zumindest auf der rechten Seite, denn links mußte ich zu oft loslassen, um die Kupplung zu betätigen. Als drüben bei der Abfahrt die Bremse dazukam, war es damit aber auch ziemlich vorbei. Immerhin waren die Straßen leer, denn bei dem Wetter war offenbar nur unterwegs, wer wirklich mußte.

Zuerst hatte ich ja noch die Hoffnung, daß es wie gestern auf der anderen Seite der Berge besser würde, die erfüllte sich aber nicht. Deshalb verzichteten wir hinter Breno auf den eigentlich geplanten Abstecher über den Paso di Palline, sondern gönnten uns eine Aufwärmpause in einer Bar. Und die 2 Tassen Schokolade, die wir für je 2 € dort bekamen, waren klasse: Richtig heiß und sahnig mit einer Konsistenz, die stark in Richtung Mousse au Chocolat ging. Am Nebentisch konnten wir die italienischen Männer beim Kartenspiel beobachten: 6 oder 7 Spieler mit einem anscheinend altdeutschen Blatt, in der Mitte ein großer Talon und eine umgedeckte Karte, jeder hatte etwa 5 Karten auf der Hand und zog nach dem Abspiel eine neue, sie spielten um Stiche und dabei ging es hoch her. Jedoch hatte ich trotz der lauten Rufe nie Sorge, sie würden sich ernsthaft in die Haare kriegen, hier kam eben nur unverfälschtes südeuropäisches Temperament durch.

der Lago d'Iseo Wir jedoch mussten irgendwann wieder raus, auch wenn sich draußen keine Änderung der Lage ergeben hatte. Wir fuhren dann die 42 zum Lago d'Iseo, wo es auch nicht trockener war, so daß wir von der Umrundung im Uhrzeigersinn wenig hatten. Im Ort Castro nahmen wir dann vor der Zeit ein Zimmer mit Blick auf den See, wo wir eine riesengroße Abtropfarie im Bad veranstalteten und danach unsere Helmvisiere mit Antibeschlag und Regenklar auf den kommenden Tag vorbereiteten.

Und das endlich half. Es hörte auf zu regnen, und von Süden her näherte sich ein Streifen blauen Himmels, dem zwar weiße Wolken nachfolgten, aber wir ließen uns trotzdem zu einem Uferspaziergang locken, bevor wir das Abendessen in dem dem Haus angeschlossenen Restaurant einnahmen.

Tagesstrecke: 152 km, km 56981

Do, 17.09.2009

Das Frühstück heute morgen bestand nur aus je einem Croissant und einem Espresso für Ulrike bzw. einem Tee für mich, und beim Bezahlen gab es noch etwas Diskussion zwischen den beiden hinter dem Tresen, ob es im Zimmerpreis inbegriffen war oder nicht, aber es war. Beim Tanken in Rogno stellte ich beim Aufschreiben der Kilometer für die Verbrauchsberechnung fest, daß die CB jetzt exakt 57000 km gelaufen war, seit ich sie zu Pfingsten 2006 gekauft habe.

Zuerst holten wir den ausgelassenen Schlenker von gestern nach, was sich gelohnt hat: Nach dem Paß kamen wir hinter einem Tunnel plötzlich in ein ganz tolles enges Tal, welches wir nach dem Abbiegen auf die 294 dann auch noch von oben bewundern konnten, dort ging die Straße eine Weile lang wieder zurück, bog dann aber ab zum Paso della Presolana. Wieder links ab auf die 671 kamen wir wieder fast zurück zum See, fuhren aber von Sóvere quer nach Endine, am gleichnamigen See entlang und ab nach Bianzano. Hier sahen wir einige Schilder mit Durchfahrtsverbot für Motorräder, aber ich glaube, die meinten nicht uns, sondern die unbefestigten Wege, die jeweils dort abgingen. Außerdem vertrauten wir einer Erzählung der Bayern vom Paso di Croce Domini, die mehrfach verbotene Straßen gefahren seien, einmal dabei auch angehalten worden wären, aber als die Polizisten das Navi gesehen haben, sollen sie gelacht und abgewunken haben. Es schien auch kein Grund für eine Sperrung vorhanden, es kam eine Straße ohne besondere Schwierigkeiten und dann eine Stadt (Cene).

Weiter ging es auf kleineren Straßen zunächst westwärts, bei Bracca gab es noch ein tolleres Tal, eines von der Sorte, die man als Kajakfahrer eine Klamm nennt, Felswände direkt zu beiden Ufern. Daß man an eine Seite einen Balkon mit unserer Straße gebaut hatte, hätte uns nur gestört, wenn wir darunter Kajak gefahren wären, aber dafür gab es da unten zu wenig Wasser und zu viele Felsen.

Nun bogen wir auf die 470 und fuhren die immer weiter hoch nach Norden, weiter durch Olme al Brembo (Ich las zuerst "Olio de Brembo" und mußte komischerweise an Bremsflüssigkeit denken). Irgendwo in einer Pizzeria im weiteren Verlauf probierten wir ein einfaches Mittagessen ("Pranzo di Lavoro"): Je vier Gerichte zur Auswahl für den ersten und zweiten Gang, Beilagen vom Buffet, Mineralwasser dazu und Kaffee hinterher für insgesamt 10 €. Wein hätten wir auch dazu bekommen können, aber den haben wir in unserer deutschen kein-Alkohol-am-Lenker-Mentalität ausgeschlagen.

ein gefundenes Fressen für die Ziegen Mit vollem Magen ging es weiter Richtung Paso di San Marco, aber auch auf dunkleren Himmel zu. Als uns ein paar Tropfen trafen, zogen wir vorsichtshalber die Regensachen an, und zwei Kurven weiter freuten wir uns darüber, das getan zu haben. Als wir oben ankamen, waren zwar einige Wolken um und unter uns (Motiv für ein paar Fotos), aber der Regen hörte wieder auf. Dafür bremste uns nach einer Kurve eine Herde Ziegen, die sich gemütlich auf der Straße niedergelassen hatte. Auf den großen Pässen wäre so etwas natürlich nicht passiert, da ist so viel Verkehr, daß sich die Tiere einfach nicht wohlfühlen können auf dem Asphalt.

Drüben angekommen wandten wir uns nach Westen zum Comer See, an dessen Ufer wir eine schöne Fahrt hatten bis hinunter nach Mandello del Lario. Dort wollten wir uns ein Quartier suchen. Aber auf der Suche quer durch die Stadt sahen wir lediglich einen Drei-Sterne-Albergo. Vor einer roten Ampel sprach uns ein Mann an, Mitglied eines örtlichen Motorradclubs, telefonierte kurz und führte uns dann zu genau diesem Albergo, dem Albergo Grigna. Dort bekamen wir ein Zimmer für 75 €, was uns recht teuer erschien für ohne Frühstück. Auf dem Tresen der Rezeption spazierte ein kleiner Vogel (er hatte etwa Wellensittichgröße und -form, war aber von anderer Sorte, weißgelb mit Haube) herum. Während wir noch die Formalitäten erledigten, kam er zu meiner Hand und pickte zart daran herum. Na, wenn der gewußt hätte, daß ich eigentlich Katzenfan bin...

Nach dem Einchecken machten wir noch einen kurzen Spaziergang durch die Altstadt hinunter zum See, wo ein Kajakfahrer eine Trainingsrunde drehte. Zum Abendessen kehrten wir aber zum Albergo zurück, weil unten am See alles komplett leer war. Im Albergo waren aber anscheinend auch nur Deutsche. Am Nebentisch beschwerte sich eine Frau, daß sie ihr Essen zu spät und nicht zusammen mit den anderen kam. Komisch, bei uns hatte das gerade funktioniert, aber das war auch das erste Mal diesen Urlaub.

Da es hier auch einen Hotspot gab, besorgten wir uns einen Zugang und guckten nochmal nach dem Wetter. Für das Wochenende wurde im Raum Milano viel Regen vorhergesagt, etwas weniger in der Toskana. Aber mangels richtig guter Alternativen schien es nicht geraten, unsere Pläne zu ändern und irgendwo ganz woanders hinzufahren.

Tagesstrecke: 255 km, km 57236

Fr, 18.09.2009

Da im Zimmerpreis diesmal kein Frühstück inbegriffen war, gab es auch keins. Wir hatten noch 2 Milchbrötchen für unterwegs im Tankrucksack, wo wir eigentlich immer eine Schachtel Kekse oder ähnliches vorhalten für Pausen, die wir irgendwo auf einem Parkplatz mit Bank verbringen.

Aber so kamen wir auch schon um 0930 Uhr los. Zuerst wollten wir eigentlich das Moto-Guzzi-Museum besuchen, das sich wenige hundert Meter entfernt auf der anderen Seite der Bahnlinie befand. Dort an der Tür fanden wir jedoch eine Notiz in der Tür, nach der es nur zwischen 15 und 16 Uhr geöffnet sei, außerdem geschlossen ab dem 04.09. bis irgendwann im Oktober. Wir hatten eigentlich sowieso erwartet, daß man hier mehr Brimborium um dieses Museum machen würde. In den diversen Werbeflyern in unserem Zimmer befand sich auch überhaupt nichts darüber.

So konnten wir uns also sofort wieder unserem eigentlichen Anliegen widmen, dem Entdecken schöner Landschaften beim Motorradfahren. Aber ganz so einfach war das denn doch nicht, denn als wir die Tour mit einem Kringel hoch in die Berge beginnen wollten, hat Ulrike in einer zugegeben sehr kniffligen Kehre wieder ihre Bandit umgeschmissen. Der Bremshebel war ja schon ab, aber das Lenkerende mussten wir ein weiteres Mal justieren. Daraufhin verzichteten wir auf die Berge und folgten dem See weiter im Uhrzeigersinn.

In Lecco machten wir Pause an einem Platz mit Blick auf den See, wo wir das versäumte Frühstück nachholten und uns jeder eine lecker gefüllte Brioche schmecken ließen. Zufällig sah Ulrike nebenan einen Optiker ("Ottica"), wo sie neue Reinigungsflüssigkeit für ihre Kontaktlinsen kaufen konnte (sie hatte aber natürlich auch ihre Brille mit). Erst am Abend fiel ihr allerdings auf, daß diese bereits fast abgelaufen war, haltbar bis 09/2009. Und noch später wurde klar, daß es sich nicht um die gewohnte "All-in-one" Reinigungs- und Aufbewahrungsflüssigkeit, sondern eben lediglich um Reinigungsflüssigkeit handelte und sie darum nicht brauchbar war.

Bei der Weiterfahrt fuhren wir einen Moment lang hinter einem Polizeiwagen her und konnten dabei deutlich sehen, daß nicht einmal die sich etwas aus den Schildern machen, die an Baustellen aufgestellt sind. Die Italiener lieben es nämlich anscheinend, an Baustellen eine Masse Schilder aufzustellen, darunter immer Geschwindigkeitsbeschränkungen auf meist 30, selten 20, hin und wieder aber sogar 10 km/h, die uns eigentlich immer völlig überzogen erschienen. Das passierte nämlich sogar dann, wenn auf einem Grundstück an der Straße gebaut wurde, der Verkehr auf der Straße davon aber überhaupt nicht beeinträchtigt war. Vermutlich weil diese Geschwindigkeitsbeschränkungen den Italienern genauso überzogen erschienen, kümmerte sich da überhaupt niemand drum, und die Polizei tat das eben hier genausowenig.

Irgendwo machte Ulrike Halt bei einer Gelateria, wo sie sich Eisessen mit Blick auf den See erhoffte. Aber den Blick gab es nicht, statt dessen ging man zwischen Straße und Haus eine Etage tiefer auf eine schattige Veranda. Schon von oben hörten wir eine Gruppe Italiener aufs heftigste streiten. Als wir kamen, ging die Lautstärke ein wenig zurück, aber sie beruhigten sich nicht wirklich. Und ich konnte auch nicht in Ansätzen verstehen, um was es da ging, denn sie sprachen offenbar kein italienisch, sondern wohl irgendeinen lokalen Dialekt, denn ich hätte erwartet, hin und wieder mal ein Wort wie "ja", "nein", "doch!" oder "niemals!" zu hören, aber die gab es nicht. Irgendwann verzogen sie sich dann doch woandershin. In meiner Zen-Lektüre [8] tauchte öfter der Grundsatz "nichts ist so wichtig, daß man sich darüber aufregen müßte" auf, davon hatten die Leute hier bestimmt noch nichts gehört.

In Dongo fanden wir einen Albergo mit Zimmern für 60 € mit Toilette auf dem Flur. Es handelte sich um ein sehr altes Gebäude, man hatte in das Zimmer zwar eine Dusche, aber eben keine Toilette eingebaut. Die moderne Duschkabine bot auch einen tollen Kontrast zu der altertümlichen sonstigen Einrichtung.

Beim abendlichen Spaziergang durch den Ort kamen wir an einer Militäreinrichtung vorbei, an deren Zaun jede Menge Warntafeln angebracht waren, in vier Sprachen. Die deutschen Texte lauteten: "Unübersteigbare Grenze" und "Halt. Sich wiedererkennen lassen". Nach der Pizza genossen wir noch eine Weile lang den schönen Anblick der Lichter der Orte auf der anderen Seite des Sees.

Tagesstrecke: 141 km, km 57377

Sa, 19.09.2009

In der Nacht hatte es geregnet, und beim Frühstück fing es damit wieder an, also zogen wir die Regensachen sofort an. Wir fuhren zunächst wieder zurück am Seeufer und hätten kurz vor Menaggio abbiegen müssen. Nun ist das mit dem Abbiegen zwischen den Tunneln bei Fahrt nach Navi so eine Sache, denn das Gerät hat im Tunnel keinen Satellitenkontakt und zeigt deshalb auch nicht an, wo man gerade ist. Da hilft nur, am Tunnelanfang zu gucken, wie lang der ist (wenn das denn dransteht) und mit der Entfernung zum nächsten Abbiegepunkt zu vergleichen. Aber wenn das Navi wie hier die Tunnelstrecke noch gar nicht kennt und meint, man müsse die doppelte Strecke außenrum fahren, dann fährt man eben an der Abbiegung vorbei, wenn man nicht aufpaßt.

Aber schließlich kamen wir auch nach Lugano zu einem ganz kurzen Abstecher in die Schweiz. Gleich hinter der Grenze hatten wir die Regensachen wieder ausgezogen, weil es hier fast trocken war und uns sehr warm geworden ist. In Ponte Tresa kamen wir an einem Suzuki-Händler vorbei und machten einen Versuch, Ulrikes abgebrochenen Bremshebel zu ersetzen. Aber obwohl im Fenster ein Schild "Genuine Parts" prangte, gab es keinen. Zudem sah der Laden auch so aus, als ob er hauptsächlich mit Motorrollern zu tun hatte.

Wider zurück in Italien bogen wir unmittelbar hinter der Grenze rechts ab in Richtung Luino und dem Lago Maggiore. Ein paar Kilometer später wurde es wieder feucht von oben, wir zogen die Regensachen wieder an und bekamen auch gleich eine volle Schüttung, daß sich das Wasser in großen Pfützen auf der Straße sammelte. Bis fast Ispra sind wir die Straße am Seeufer gefahren, haben aber wegen dem Regen überhaupt nichts davon gehabt, das gleiche gilt auch für die folgende Route östlich vom Lago di Varese. Ich hatte mich seelisch schon darauf eingerichtet, den Rest des Tages so durch den Regen zu fahren, aber kurz vor Sesto Calende hörte es wieder auf. Wir suchten uns eine Bar an der Straße, zogen die quatschnassen Klamotten aus, hängten sie über die Moppeds und aßen erstmal ein Paar Panini. Und das Wetter wurde immer besser, das Westufer des Lago Maggiore konnten wir bei heiterem Himmel wieder richtig genießen. In Stresa ging die Fahrt an etlichen Grand Hotels mit prunkvollen Fasseden und Blick auf den See vorbei. Als wir dann in Verbánia in einem Stau standen, der ein Feierabendstau zu sein schien, dachten wir, daß wir bei der Gelegenheit ja schon mal mit der Suche nach einer Unterkunft anfangen könnten. Kurz danach fanden wir die Residence Zust, wo man uns ein Appartement für 75 € gab. Die Einrichtung verfügte über einen groß angepriesenen Privatstrand, der durch einen Tunnel unter der Straße zu erreichen war und tatsächlich ungefähr 10 Meter lang war. Zum Ausgleich gab es aber eine Terasse weiter oben auch noch einen schönen Pool. Zum Abendessen gingen wir hinauf in den Ort, wo ich in einem Ristorante zur Abwechslung einmal Tagliata di Cavallo probierte, was auch sehr gut geschmeckt hat.

Tagesstrecke: 196 km, km 57563

So, 20.09.2009

Gestern bei der Planung des weiteren Vorgehens anhand unserer Karten hatten wir eigentlich drei Alternativen gehabt: Weiter westlich gab es nicht mehr wie bisher die Möglichkeit, innerhalb der Alpenregion vorwärtszukommen. Man konnte lediglich in den südlichen Ausläufern weiterfahren und immer mal wieder Stiche nach Norden in das Gebirge hinein fahren, die man aber allesamt wieder hätte zurückfahren müssen. Für die Fahrt richtig durch die Alpen hätten wir auf die Schweiz ausweichen müssen, aber wir wollten uns keine Franken besorgen (den Bremshebel gestern wollten wir per Karte bezahlen). Zweitens konnten wir durch die nun bekannte Gegend, die wir ja relativ ausgiebig durchstreift hatten, wieder zurück, um östlich von Bozen vielleicht noch etwas weiterzufahren, wo wir aber auch wieder zurückgemußt hätten. Blieb als dritte Variante, die Poebene relativ zügig nach Süden zu durchqueren, um nahe der Mittelmeerküste durch das dortige Gebirge wieder nach Osten zu gelangen und am Ende per Autobahn und Schnellstraße nach Bozen zu kommen.

Und hierfür haben wir uns dann auch entschieden, nicht jedoch, ohne vorher noch den Lago d'Orta mitzunehmen. Zurück am Lago Maggiore, an den mondänen Hotels vorbei, bogen wir hinter Stresa ab in die Berge (die hier schon nicht mehr sehr hoch waren). Wenn einem auf solcher Straße kurz hintereinander gleich zwei Touristenbusse in den Kehren entgegenkommen, kann man sicher sein, daß eine Sehenswürdigkeit nicht mehr weit entfernt sein kann. In diesem Fall war das eine riesige Statue von einem Heiligen namens San Carlos. Damit waren alle Busse von der Straße, wir konnten in aller Ruhe weiterfahren, kamen in Orta an den See und fuhren sehr schön am Seeufer hoch. Oben in Omegna machten wir eine erste Pause in einer Bar am Seeufer und aßen dort ein Eis. Die Straße auf der Westseite führte leider nicht am Ufer entlang, sondern oben durch die Berge, aber zuerst hatte man immerhin noch eine schöne Aussicht hinunter auf den See.

Für die Weiterfahrt ließen wir uns eine lange Zeit vom Navi leiten, und es gab ja auch keine besonderen Punkte, die wir besuchen wollten. Nun heißt es ja immer, eine Fahrt durch die Poebene sei todlangweilig, und natürlich ist das keinesfalls mit den Alpen zu vergleichen, aber immer noch waren wir in Italien und bei trockenem Wetter mit dem Motorrad unterwegs, so daß ich nicht sagen würde, der Abschnitt sei irgendwie gräßlich gewesen. Aber Fahrt in der Ebene sind wir natürlich auch von zuhause her so gewohnt. Irgendwo unterwegs machten wir in einer Bar Pause und setzten uns mit einer Cola an die Straße, und auch hier sprachen die alten Männer am Nebentisch in einer Sprache, die mir nicht italienisch klang.

Ab Asti wurde die Landschaft wieder schöner, wir kamen nun wieder in eine hübsche Mittelgebirgsgegend mit sanften Bergschwüngen. Als jedoch hinter Alba die Anzahl der Regentropfen auf meinem Visier die der toten Insekten deutlich überstieg, schien es an der Zeit, sich nach einer Unterkunft umzusehen. Die waren hier jedoch nicht so üppig gesät wie in den Alpen. In Cortemilia fuhren wir an einem Albergo vorbei, der schon seit mindestens 10 Jahren geschlossen schien, fragten bei einem zweiten ohne Erfolg nach einem Zimmer und folgten dann einem Hinweisschild zu einem Agriturismo ("Agriturismo Gallo") in 3 km Entfernung. Dort standen wir vor einem eisernen Tor mit Klingel, Sprech- und Videoanlage. Nach einem vergeblichen Versuch, mir wortreich etwas auf italienisch klarzumachen, holte man drinnen jemanden, der deutsch sprach. Alles kein Problem, Zimmer für eine Nacht, das Tor ging auf. Wir kamen auf einen Bauernhof, wo ganz viele Familien mit Kindern herumwuselten, und die sprachen auch alle deutsch. Uns wurde bedeutet, wir müßten einen Moment auf die Chefin warten. Die war auch Deutsche und machte uns ein Zimmer für 55 € per Person mit Halbpension fertig.

Währenddessen überlegten wir uns, daß wir gerne noch einen Tag in dieser schönen Landschaft verbringen würden, und da es auch möglich war, zwei Nächte zu bleiben, plante ich für morgen eine Tour hinunter zur Küste und wieder zurück.

Und schon beim Abendessen fühlten wir, daß diese Verlängerung eine gute Entscheidung war: Zuerst gab es ein paar Bruschetta, dann Scheiben von hausgemachter Salami und Schinken, dann Salat, als ersten Gang Spaghetti mit hauchdünnen Trüffelscheiben bedeckt, als zweiten Gang Wildschwein, zum Abschluß ein Eisbecher und Grappa (und er hat uns die Flasche dagelassen!). Das Ganze hat auch über zwei Stunden gedauert, aber wir sind trotzdem mit randvollem Magen den Berg hinunter und ins Bett getaumelt.

Tagesstrecke: 277 km, km 57840

Mo, 21.09.2009

In der Nacht hatte es geschüttet, und auch am Morgen sah es nicht gut aus und tröpfelte immer mal wieder vor sich hin. Die Wolkendecke schnitt die Bergspitzen ringsherum überall ab, und das gar nicht sehr weit über uns. Deshalb hatten wir auch keine Meinung, sofort loszufahren. Statt dessen machten wir in einer Regenpause einen Spaziergang über das Gelände (ein echter Bauernhof mit Rindern und Schafen, Eseln und einem Pony, und es wurden Strauße und Rehe gehalten). Im Frühstücksraum lag ein Hamburger Abendblatt von Freitag, und ich konnte wieder mal meine Rückstände dieses Reisetagebuches aufarbeiten.

Am Nachmittag war es schon seit einer ganzen Weile trocken, und wir entschlossen uns noch zu einer kurzen Runde. Zuerst ging das sehr schön auf der 339 nach Süden, aber als ich hinter Millesimo parallel dazu wieder zurück nach Norden wollte, verlief diese Route die ganze Zeit lang oben in den Bergen und somit in den Wolken. Drum sind wir relativ bald wieder zurückgefahren, ohne noch die geplanten weiteren Kringel zu drehen.

Das Abendessen verlief ähnlich wie gestern, uns wurden diesmal zu der Pasta weiße Trüffel gegen Aufpreis angeboten, und ich mußte das natürlich mal probieren. Es hat auch großartig geschmeckt, allerdings bin ich vermutlich doch nicht Feinschmecker genug, um dafür auch in Zukunft bei jeder Gelegenheit 8 € extra auszugeben.

Tagesstrecke: 106 km, km 57946

Di, 22.09.2009

Cortemilia mit ein paar letzten Wolken Heute morgen gab es wieder blauen Himmel. Und zum Frühstück sah ich mich im Gegensatz zu gestern morgen sogar in der Lage, von den süßen Kuchen zu kosten, die vermutlich der Kinder wegen in reicher Auswahl angeboten wurden.

Als Tour stand heute der ganz ursprünglich für gestern (bevor wir das Wetter gesehen hatten) geplante Blick auf das Mittelmeer (als größter See in Ulrikes Sammlung) auf dem Programm. Und bei Sonnenschein konnten wir diese liebliche Landschaft in der Langhe und die nach unserem Eindruck wieder etwas schrofferen Berge vor der Küste richtig genießen. Aufgefallen sind mir in der Langhe relativ viele Ruinen, die wie Burgruinen aussahen.

Am Ausgang eines Bergdorfes kamen mir links mehrere Autos und rechts eine Ziege entgegen. Als ich anhielt, um das Tier irgendwie durchzulassen, ohne es vor die Autos zu treiben, feuerte einer der Autofahrer das Tier mit Rufen an, so daß mir schien, er habe es auf diese Weise den Berg hoch nach Hause treiben wollen. Hinter mir stieg er aber doch aus, fing die Ziege ein und verfrachtete sie auf die Ladefläche seines Pickups.

das Mittelmeer Bei Finale Ligure kamen wir an die Küste, folgten dieser eine Weile nach Westen und gönnten uns ein Eis mit Blick auf den Badestrand. Weil aber hier eine Stadt auf die nächste folgte und der Verkehr darin bei eben über 30 Grad nicht so richtig Spaß machte, bogen wir in Alássio wieder ab und machten uns auf den Rückweg. Beide Strecken boten uns schönes kurviges Fahren in toller Landschaft, so daß wir mit dem Wetter der letzten Tage vollauf versöhnt wieder am Agriturismo ankamen.

Auf der Terrasse widmeten wir uns vor dem Essen noch der routinemäßigen Kettenpflege, dabei fanden wir in Ulrikes Hinterreifen einen Nagel sowie einen weiteren Riß. Den Nagel zog ich heraus, und er ging nicht durch, und bei dem Riß schien das auch nicht der Fall zu sein, aber das mussten wir bei nächster Gelegenheit noch einmal verifizieren.

Zum Abendessen gab es heute unter anderem Omelett von Straußenei, auf dem Hof wurden nämlich auch ein paar Strauße gehalten.

Tagesstrecke: 241 km, km 58187

Mi, 23.09.2009

Bei wiederum blauem Himmel mit nur leichtem Dunst mussten wir heute diesen schönen Ort und unsere freundlichen Gastgeber verlassen. Aber dieses üppige Abendessen konnte eigentlich auch nicht richtig gesund sein. Es war schon kein gutes Gefühl, nachts aufzuwachen und regelrecht einen Klotz im Magen zu fühlen. Zumindest wußten wir jetzt, warum die Italiener am Lago d'Idro sich beim Frühstück so verhalten hatten: Sie konnten morgens bestimmt noch nichts wieder essen und brauchten die Sonnenbrillen, weil sie die ganze Nacht kein Auge zubekommen haben.

Nach herzlichem Abschied und anschließendem Reifendruckprüfen (alles ok) an der Tankstelle des Ortes folgte ich Ulrike über wiederum kleine Straßen, die ich bewußt bei den letzten Touren ausgelassen hatte, Richtung Südosten. Wieder gab es schöne Kurven in ebenso schöner Landschaft. Seit einigen Tagen ist mir allerdings aufgefallen, daß jetzt zuweilen grüne Kastanien auf der Straße lagen.

im Piemont gibt es viele solche Ortschaften mit Burgruine In einem Bergdorf machten wir Pause auf dem zentralen Platz, von dem aus man an einer Seite schön in die Berge gucken konnte. Eine kleine Katze kam zu uns und war offenbar auf Streicheleinheiten aus, und damit war sie bei mir natürlich an der richtigen Adresse. Ein Italiener rief die Katze, aber die Katze war eben kein Hund und kümmerte sich also nicht darum. Dann mußte er die Katze eben holen kommen (er hat es uns erklärt, wir natürlich nur Wortfetzen verstanden, vermutlich hatte er Sorge, sie könne überfahren werden). Kaum waren die beiden weg, kam vom selben Grundstück ein Hund, um uns zu verbellen, und ein paar Grundstücke weiter fiel ein zweiter mit ein. Mir kam wieder der Grundsatz meiner Zen-Reiselektüre [8] "nichts ist so wichtig, daß man sich darüber aufregen müßte" in den Sinn. In dem Buch tauchte auch die Frage auf, ob ein Hund etwas von dem Buddha-Wesen in sich habe. Hier hatten wir den eindeutigen Beweis dafür, daß dies bei Hunden (im Gegensatz zu Katzen) nicht der Fall sein kann.

Leider machte Ulrike die gute Stimmung ziemlich zunichte, als wir die Küste erreichten und sie die Route durch die Stadt Génova führte, und zwar mitten hindurch! Zwar hatte es durchaus seine Art, vorne an einer Ampel zu stehen und in einem wilden Pulk von röhrenden Zweirädern bei grün loszubrausen, aber die negativen Seiten, Ulrike auf mehrspurigen Straßen im Feierabendverkehr bei 31 Grad und der Fahrweise der Italiener nicht zu verlieren, überwogen doch bei weitem.

Als wir die Stadt nach schier endloser Zeit und etlichen unschönen Momenten schließlich hinter uns gelassen hatten, wurde es nach einer kleinen Erholungspause auch schon bald Zeit, eine Unterkunft zu suchen. Die waren hier wieder sehr selten geworden, und zurück wollten wir auf keinen Fall. Irgendwann folgten wir einem Schild mit Bettensymbol auf kleiner Straße hoch in die Berge, um dort festzustellen, daß das Haus geschlossen war und gerade um ein Stockwerk erhöht wurde. Da fuhren wir dann doch wieder ein Stück zurück und bogen ab zur Küste, weil die Aussicht, dort etwas zu finden, einfach größer war. In der Stadt Lavagna fanden wir zunächst einen Suzuki-Händler, der noch offen, aber keinen passenden Bremshabel auf Lager hatte, und dann im Hotel Villa Fieschi ein relativ teures Zimmer für 90 €.

Beim abendlichen Spaziergang entdeckten wir, daß die Stadt direkt am Meer lag und wir hier noch einmal unsere Füße in das Mittelmeer stellen konnten, bevor wir uns zu einer kleinen Portion Nudeln mit Sardellen bzw. Muscheln in einem Restaurant im Zentrum niederließen.

Tagesstrecke: 203 km, km 58390

Do, 24.09.2009

Bei dem schönen Wetter gestern und heute haben sich wohl alle Italiener gesagt, jetzt sei der geeignete Moment, ein Holzfeuer anzuzünden. Wir kamen an etlichen Stellen vorbei, wo man irgendetwas verbrannte, und die ganze Gegend inklusive der Stadt roch schon gestern Abend nach Rauch.

Zuerst ging es nach Nordosten über den Paso Bocco. Bei der Auffahrt hat man mehrfach die Kehren nicht als engen Halbkreis gebaut, sondern einen Dreiviertelkreis um einen Felsen gezogen mit einer anschließenden Kurve wieder zurück. Das sind die Momente, in denen man denkt: "Irgendwann muß diese Kurve doch mal aufhören". Aber beim dritten solchen Kringel habe ich schon Lust bekommen, auf diese Weise einmal eine zum Beispiel fünffache Wendel zu fahren, natürlich nicht aus Beton im Parkhaus, sondern in schönem Wald und Fels.

Dann fuhren wir wieder zurück Richtung Küste über den Paso Centocroci. Bei der Planung gestern neckte ich Ulrike mit der Aussage, dort oben habe jeder, der eine Durchquerung der Stadt Génova überstanden habe, ohne einen Wut-, Verzweiflungs- oder Hitzeanfall zu erleiden, ein Kreuz aufgestellt, daher der Name. Ich wisse zwar nicht, wieviele Einwohner Génova so habe, aber es seien bestimmt nur hundert Kreuze hier, und es bestehe keine Aussicht, daß in Zukunft auch nur noch eines dazukäme.

Irgendwo unterwegs kamen wir an eine einsame Bar, die anscheinend als Motorradtreffpunkt diente, denn sie hatte ein entsprechendes Symbol auf der Markise und Tafeln mit der Aufforderung (soweit ich sie verstehen konnte), die Maschinen möglichst geordnet abzustellen. Es stand aber nur eine Ducati da. Da es sowieso gerade Zeit für eine Pause war, stellten wir unsere Japanerinnen dazu, bestellten etwas kühles zu Trinken und schrieben die letzten Postkarten. Währendessen kam eine zweite Ducati dazu, unverkennbar am Gerassel ihrer Trockenkupplung. Nach und nach füllte es sich, uns aber zog es weiter. Eine Weile später hielten wir an einer Post, um die gerade geschriebenen Urlaubsgrüße auch mit Briefmarken zu versehen, aber die war schon zu. Es schien, als hätten die Postämter (erkenntlich an einem gelben Schild in der Form eines alten Haltestellenschildes mit den Buchstaben PT drauf) nur Vormittags von 830 bis 1330 Uhr offen, nie nachmittags und Sonnabend nicht ganz so lange.

Aber auf der Weiterfahrt wurden wir nochmal mit einer sehr schönen Aussicht auf das Mittelmeer entschädigt. Schließlich jedoch hieß es, endgültig Abschied zu nehmen von der Küste, wir mußten wieder zurück nach Norden. Immerhin bot uns auch die 63 Richtung Reggio nell' Emilia nochmal eine schöne Strecke durch Wald und Berge. Hinter Busana fanden wir ein Sporthotel direkt an der Straße, das uns für 70 € eine Garage für die Maschinen und ein Zimmer für uns selbst bot. Das Bad verdiente allerdings einen Platz in der Hall of Fame mißratener Sanitäreinrichtungen. Davon hatte ich inzwischen schon einige gesehen: Eine Campingplatztoilette, deren Tür genau eine Handbreit vor Beginn des Klobeckens schloß, eine Hoteltoilette, auf der man auch nur sehr schräg sitzen konnte, weil davor ein Heizkörper war, ein Wasserhahn, den man stets mit einer Hand festhalten mußte, damit Wasser kam. Hier hatte die Dusche keine Duschwanne, sondern das Wasser floß durch einen Abfluß im Boden ab, und der Duschvorhang schloß die Toilette mit ein. Man konnte also kaum duschen, ohne die Toilette mit naß zu machen, und hätte man das Klopapier in dem vorgesehenen Halter gesteckt, wäre es völlig durchweicht worden. Ich sage immer, die verantwortlichen Konstrukteure solcher Arrangements müßten eigentlich gezwungen werden, sie anschließend ein halbes Jahr lang täglich selbst zu benutzen.

Zum Abendessen gab es wieder mal eine dieser leckeren Pizzen mit ultradünnem Boden, deren Durchmesser grundsätzlich größer war als der des darunterliegenden Pizzatellers. Und wir vermuteten, daß wir ab jetzt zuhause keine Tiefkühlpizzen mehr mögen werden, so wie wir seit einem Irlandurlaub schon das deutsche Guinness nicht mehr mögen, weil sie es auf den Inseln irgendwie anders brauen.

Tagesstrecke: 243 km, km 58633

Fr, 25.09.2009

Beim Frühstück schwärmte Ulrike immer noch von der Aussicht auf das Mittelmeer gestern. Sie ist eben nicht so sehr ein Blick-in-tiefe-Täler-Typ, sondern ein Blick-auf-Wasserflächen-Typ. Deshalb hatte sie für die Rückfahrt heute auch noch mal einen kleinen Umweg zum Ufer des Gardasees eingebaut.

knallige Wandfarben sind in, und die Bar hat anscheinend rund um die Uhr geöffnet Zuerst hieß es aber wieder einmal, die Poebene zu durchqueren. Immerhin fanden wir dort eine offene Post, und ich konnte die letzten Postkarten auf die Reise schicken. Der Mann hinter dem Schalter schien große Lust zu einem Schwätzchen zu haben, damit konnte ich mangels Sprachkenntnissen aber leider nicht dienen.

Am Südufer des Gardasees angekommen, wollten wir uns noch die Halbinsel Sirmione angucken, die sehr sehenswert sein sollte. Da wir aber erstens hätten Parkgebühren bezahlen und zweitens dann noch eine längere Strecke zu Fuß gehen sollen und es uns dafür entschieden zu heiß war, verzichteten wir und bestellten lieber irgendwo auf der Weiterfahrt einen großen Eisbecher.

So gekühlt fuhren wir am Ostufer des Gardasees Richtung Norden, als hinter uns ein Polizeiwagen auftauchte. Drum hielt sich Ulrike aus Vorausfahrende exakt an die Geschwindigkeitsbeschränkungen, und ich folgte ihr ebenso manierlich, denn wir wußten ja nicht, ob sie da hinter uns nicht in Kassierlaune waren. Das war aber ganz offensichtlich nicht der Fall, denn nach kurzer Zeit überholten sie uns über Linksabbiegerspuren und Sperrflächen hinweg. Wahrscheinlich haben sie die Augen zum Himmel gedreht und über diese langsamen, weil obrigkeitshörigen Tedeschi geschimpft. Genützt hat das aber alles nichts, denn wir liefen alle zusammen auf einen alten Mercedes mit Heidelberger Kennzeichen auf, der auch nicht riskieren wollte, bezahlen zu müssen. Und wir waren inzwischen im bergigen Teil angekommen, wo sich im dichten Freitagnachmittagsverkehr auch für Italiener keine Überholmöglichkeiten mehr boten.

Unsere letzte Übernachtung sollte möglichst am Ende des Gardasees liegen, und in Torbole fanden wir in der Villa Clara für 75 € ein Zimmer. Dieses Haus war mit einem Motorradsymbol versehen, und wir bekamen Plätze in einer Garage (darin stand man zwar sehr eng, aber abgeschlossen) und eine neue Ausgabe des Trentino-Flyers [4]. Unser erster Spaziergang zum See brachte uns gerade mal an das Ufer, als auch schon erste Tropfen eines Schauers fielen. Aber später nach dem Essen gelang der zweite Anlauf besser, und hier konnte man erstmals an einer Uferpromenade richtig lange und weit gehen. Auf dem Rückweg fiel uns eine in einem Lokal laut singende Gruppe Touristen auf, und ich rechnete meiner Hoffnung, es möge sich nicht um Deutsche gehandelt haben, keine besonders großen Chancen aus.

Tagesstrecke: 241 km, km 58874

Sa, 26.09.2009

Heute mußte nun endgültig die Rückfahrt angetreten werden. Dafür wählten wir eine Route, die uns noch an zwei weiteren Seen, dem Lago di Molveno und dem Lago di Santa Giustina, vorbeiführte. Zu Beginn gab es noch etwas Regen, aber gegen Mittag klarte es auf.

Natürlich viel zu früh in Bozen angekommen (aber immer besser zu früh als zu spät), mußten wir noch eine Weile auf die Verladung warten, konnten dann aber unsere Maschinen mit eingezogenen Köpfen (wegen der niedrigen Höhe, es wird dringend empfohlen, dabei den Helm aufzubehalten) auf die Waggons fahren. Danach hatten wir noch massig Zeit, zum eigentlichen Bahnhofsgebäude (ein ganzes Stück entfernt) zu gehen, zuerst im Park davor ein Eis zu essen und uns noch einmal in eine Bar zu setzen. Zurück auf dem Bahnsteig konnten wir beobachten, wie unser Zug zusammengestellt wurde. Die Wagen mit unseren Fahrzeugen wurden vorbeigefahren. Zuerst kamen unsere Motorräder, dann die Autos, und dabei waren zwei, deren Alarmanlagen hektisch blinkten und laut hupten. Vermutlich war unter den Mitarbeitern der Verladebahnhöfe keine Frage, daß, sondern nur, wieviele Autos mit platter Batterie jedesmal ankommen und auf Starthilfe warten würden. Wir stellten uns vor, daß es ein regelmäßiges Wettbüro gibt, ein Euro Einsatz und ein Tip, und wer mit seiner Zahl richtig liegt, bekommt den Pott.

Schließlich kam der Zug, und wir konnten einsteigen. Frühes Kommen sichert bekanntlich beste Plätze, und auch diesmal war das Abteil wieder voll belegt. Es kam noch eine Autofahrerin aus Hamburg und ein Motorradpärchen aus Hildesheim. Der Hildesheimer, nicht wirklich schlank (aber die Idealfigur habe ich ja auch nicht), beklagte sich über den weiten Weg von der Verladestelle und benutzte dabei das Wort "Todesmarsch", und das schien er überwiegend ernst zu meinen, was wir doch für reichlich übertrieben hielten.

Auch sonst war die Stimmung nicht ganz so gut wie auf der Hinfahrt, aber da waren wir sicher auch verwöhnt worden in dieser Hinsicht. Etwas unschön fanden wir auch, daß die Hildesheimer morgen früh schon um 5 Uhr aussteigen mußten und wir deswegen geweckt werden. Das hätte man wohl besser organisieren können, ich unterstelle jetzt einfach mal, daß wir nicht das einzige Abteil im ganzen Zug mit solcherart "gemischter" Belegung waren.

Tagesstrecke: 164 km, km 59038

So, 27.09.2009

Vom Aufstehen der Hildesheimer haben wir praktisch nichts mitbekommen, und wir hatten dann schön Platz, um uns anzuziehen und zu frühstücken.

Bei der Ankunft in Hamburg gab es nicht nur mit den mit Alarmanlagen bestückten Autos technische Probleme, auch eine alte BMW sprang nicht an. Hinter uns Moppedfahrern folgte als nächstes der anscheinend sehr ungeduldige Fahrer eines PKW, der nicht darauf wartete, daß die Bahnleute das Signal zum Losfahren gaben, sondern schon mit laufendem Motor hinter uns stand, als man sich vorne noch um die BMW bemühte. Mit den Motorrädern konnte man immerhin links daran vorbeifahren, und sehr bald wurde sie auch von dem Waggon geschoben, und auch wir konnten die letzten Kilometer nach Hause unter die Räder nehmen.

Tagesstrecke: 10 km, km 59048

Gesamtstrecke 4061 km, davon 4041 km in Italien.

Literatur und Karten

[1] Geser, Rudolf: "Die schönsten Motorradtouren in Europa", Südwest-Verlag, ISBN 3-7658-4055-6

[2] Lass, Nick: "Trentino, Gardasee", Die schönsten Routen, Reihe Motorrad Guide & Roadbook, Bruckmann Verlag, ISBN 978-3-7854-4612-2

[3] Motorrad Powerkarten Alpen und Gardasee, 1:250.000, Good Vibrations, ISBN 393741823-7

[4] Flyer und Karte "Trentino mit dem Motorrad", Club 'Mototurismo in Trentino'

[5] ADAC-Karte Italien, 1:650.000

[6] Strieder, Ela: "Italienisch Wort für Wort", Kauderwelsch Band 22, Reise Know-How Verlag, ISBN 3-89416-482-4

[7] Reichel, Marc-Roger: "Motorrad-Wörterbuch in 5 Sprachen", Kauderwelsch Band 215, Reise Know-How Verlag, ISBN 978-3-89416-385-3

[8] van de Wetering, Janwillem: "Der leere Spiegel" und "Reine Leere", Rororo Verlag, ISBN 976-3-499-62334-9


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